Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die „Süddeutsche Zeitung“ hat heute Morgen in ihrem Kommentar zu dem Thema, das uns in der jetzigen Debatte in besonderer Weise beschäftigt, von der Doppelmoral der SPD gesprochen, und zwar im Hinblick darauf, welche Kampagne zum gegenwärtigen Zeitpunkt versucht wird darzustellen, im Verhältnis dazu, was die rot-grüne Bundesregierung vor einigen Jahren selbst an dieser Stelle getan hat.

Herr Schäfer-Gümbel, ich hätte erwartet, dass Sie heute selbst an das Mikrofon treten und die Positionen als Chefberater von Herrn Steinbrück vortragen.

(Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Günter Rudolph (SPD))

Aber möglicherweise sind Sie als Mitglied des Vereins befangen, dessen Präsident gegenwärtig durch die öffentliche Kampagne gezerrt wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Rudolph (SPD): Was soll das jetzt? – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und das von einem Minister! Mein Gott, was für eine Armut! – Michael Siebel (SPD): Sie sind doch befangen!)

Bleiben Sie doch gelassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns versuchen, uns in einem zweiten Schritt eine Runde mit Sachfragen zu beschäftigen. Einige Teile der Debatte entbehren wirklich jeder Grundlage.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ah!)

Frau Erfurth, Sie wissen genauso gut wie ich, dass es Unsinn ist, dass, unterstellt, das Steuerabkommen mit der Schweiz wäre in Kraft getreten, wenn jemand Geld, das aus kriminellen Handlungen stammt – Sie haben Drogengeschäfte und Ähnliches genannt; ich überspitze es: aus einem Bankraub –, in die Schweiz trägt und es dort anlegt, es dann straffrei zurückgeholt werden dürfte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Straftat des Bankraubes wäre selbstverständlich durch das Schweizer Steuerabkommen nicht entsanktioniert worden. Er wäre selbstverständlich weiter bestraft worden.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD) – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Das ist doch Teil des perfiden Versuchs, komplexe steuerrechtliche Strukturen zur Diffamierung des politischen Gegners zu benutzen. Das ist die Strategie, die hier verfolgt wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eines muss auch klar sein: Wer hier vorträgt, aus Respekt vor dem steuerehrlichen Bürger dieses Abkommen nicht gewollt zu haben, dann aber in Kauf nimmt, dass allein in diesen Tagen der hessische Landeshaushalt nicht 120 Millionen € aus der garantierten Nachzahlung der Schweiz bekommen hat, die von den Konten von Steuerverbrechern gekommen und in den hessischen Landeshaushalt gelangt wären, der muss das den Bürgerinnen und Bürgern erklären.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Zuru- fe der Abg. Gernot Grumbach und Marius Weiß (SPD))

Vorsichtig kalkuliert, liegen in der Schweiz noch 120 bis 150 Milliarden €. Die Nachzahlung hätte dann bei, vorsichtig kalkuliert, 10 Milliarden € gelegen. Das wären für den hessischen Haushalt allein von den Konten von Steuerstraftätern aus der Schweiz 700 Millionen € Nachzahlung gewesen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Unglaublich!)

Da können wir noch lange CDs ankaufen lassen, um auf diese Beträge zu kommen, und wir haben sie dann immer noch nicht alle.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Um es klar zu sagen: Wir wollen die Steuernachzahlung von allen, die ihr Geld ins Ausland gebracht haben, um Steuern zu hinterziehen, von jedem Einzelnen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Dann lassen Sie uns einmal den Versuch unternehmen, einen Fall zu ermitteln und zu berechnen. Es ist ein Fall, der nicht in einer hessischen Steuerbehörde spielt; Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind selbstverständlich zufällig. Wenn sich nun jemand selbst anzeigt, der vor zehn Jahren umgerechnet 5 Millionen € in die Schweiz verbracht und in den nächsten zehn Jahren jährlich immer 5 Millionen € in die Schweiz hinzu getragen und dort Kapitalerträge von 5 % – wir rechnen großzügig – erwirtschaftet und in diesen zehn Jahren also insgesamt etwas über 19 Millionen € an Kapitalerträgen gesammelt hat, dann kommt dabei eine Nachversteuerung von etwa 6,5 Millionen € heraus. Wenn sich derselbe nicht selbst angezeigt hätte und das Steuerabkommen in Kraft getreten wäre, dann wären 32,5 % seines angelegten Kapitals, nämlich 24 Millionen €, an Steuern nachgezahlt worden.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Hört, hört!)

Wenn Sie das in Relation zu dem Betrag setzen, der fällig geworden wäre, wenn der gleiche Steuerpflichtige unter der Geltung der Steueramnestie von Rot-Grün hätte zahlen müssen, gegen die die Hessische Landesregierung im Bundesrat selbstverständlich gestimmt hatte, wäre er mit 4 Millionen € davongekommen.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist unglaublich!)

Meine Damen und Herren, jetzt reden wir einmal über die Frage, wer den Steuersündern mehr ans Leder will und wer diese Steuersünder schont. Das sind doch die Fakten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb bin ich froh und für die Gelegenheit dankbar, heute diese Fakten vortragen zu dürfen. Die Diskussionen nach dem Motto: „Die einen schonen, die anderen wollen die gerechte Steuer“, werden immer dann als Schimären entlarvt, wenn man sich konkret die Fakten anschaut.

Schauen Sie sich doch den „Betriebs-Berater“ und ähnliche Zeitschriften aus der Zeit der Diskussionen um das Steuerabkommen an. Die steuerberatende Zunft hat ihrer Mandantschaft, den Betroffenen, massiv zur Selbstanzeige geraten, weil sie genau wussten, dass es, wenn das Steuerabkommen in Kraft tritt, am Ende signifikant teurer wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb führen wir diese Diskussion mit selbst ernannten Fachleuten jederzeit gern weiter; ich freue mich jedenfalls darauf. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das war ein Blattschuss!)

Vielen Dank, Herr Dr. Schäfer. – Wir treten in eine zweite Diskussionsrunde ein. Jede Fraktion hat fünf Minuten Redezeit. Sie kennen das, dies nur für die Zuschauer. Wir beginnen mit Herrn Rudolph für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Schäfer, immer schön bei der Wahrheit bleiben.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh! – Judith Lannert (CDU): Dann müssen Sie sich gleich wieder hinsetzen! – Fortgesetzte Zurufe des Abg. Peter Beuth (CDU))

Ich wusste gar nicht, dass Sie auch noch da sind, Herr Generalsekretär der CDU. Ich freue mich; der Boddenberg war da auch besser. Er hat es besser gemacht, als Sie das jemals gemacht haben.

Worum geht es? – Erstens geht es darum, dass die Behauptung von Herrn Dr. Schäfer wie von Vertretern der CDU und der FDP unwahr ist. Die SPD tritt für ein Steuerrechtsabkommen mit der Schweiz zu den gleichen Bedingungen ein, wie es mit den USA möglich war, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum bekommt Herr Dr. Schäuble das, was die USA offensichtlich hart verhandelt haben, nicht hin? Wollte er nicht? Konnte er nicht, oder hatte er dazu keine Lust? Hören Sie also mit dieser Behauptung auf, die schlicht und ergreifend unwahr ist.

Zweitens. Herr Dr. Schäfer, ich bin schon sehr erstaunt, wenn Sie sich hierhin stellen und zu dem Thema Steuergerechtigkeit mal eben gar nichts sagen. Der entscheidende Unterschied, auch bei dem Fall Hoeneß, ist: Wir sind auch deswegen dagegen, dass sich anonyme Steuerhinterzieher auf eine ganz billige Art und Weise mit ein paar Millionen Euro Steuernachzahlung von der Steuerschuld befreien können, weil dies ein Schlag in das Gesicht von Millionen ehrlicher Steuerzahler ist. Genau das wollen wir eben nicht ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist das SPD-Modell!)

Nach seriösen Schätzungen liegen in der Schweiz etwa 300 Milliarden € Schwarzgeld. Und wir wollen – –

(Zuruf von der Regierungsbank)

Ganz ruhig. – Sie sind sehr dafür, dass andere Länder die Steuer-CDs einkaufen und Sie dann von den Selbstanzeigen profitieren. Zahlen sollen das aber andere. Da sind Sie eher ein wenig kleinlich; Hauptsache, das Geld kommt in die Landeskasse. Genau dieser Ansatz ist richtig: Wir brauchen beispielsweise Steuereinnahmen zur Finanzierung von Bildungsaufgaben. Bundesweit fehlen dafür 25 Milliarden €. Genau dafür brauchen wir Geld.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, daran sollte man diejenigen auch einmal erinnern, die beispielsweise stundenlang im Kreis herumfahren und darin vielleicht gut sind, aber im Ausland wohnen und

in Deutschland keine Steuern bezahlen: Alle müssen ihren Beitrag zur Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben leisten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Fall Hoeneß macht eines deutlich: Da hat jemand im wahrsten Sinne des Wortes spekuliert, dass es irgendein Abkommen gibt und er für lau durchkommt. Bei demjenigen, der sonst mit dem moralischen Zeigefinger auf Politiker gezeigt und darauf hingewiesen hat, wie doof und unintelligent sie alle seien, dass sie bestimmte Sachen nicht hinbekämen, gilt auch: Gier frisst Verstand. Man wird jetzt in Ruhe diskutieren und abwarten müssen, was dahintersteckt. Es geht eben nicht um Schwarzfahren, sondern um kriminelle Energie.

Ich war wie einige andere im Dezember 1999 im Landtag. Damals ging es auch um jüdische Vermächtnisse und vieles andere.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das kommt immer dann, wenn Ihnen nichts anderes mehr einfällt!)