Herr Kollege Wagner, zu Ihren letzten Äußerungen würde mir als Präsident einiges einfallen; aber wir wollen nicht so beginnen, wie wir gestern aufgehört haben. – Ich bitte Sie alle, eine Sprache zu pflegen, die auch ich verstehe.
2013 ist ein wichtiges Jahr mit einer Bundestagswahl und Landtagswahlen. Diese Wahlen müssen zu einer Abstimmung über soziale Gerechtigkeit und Umverteilung in diesem Land werden.
Wenn 10 % der Bevölkerung zwei Drittel des gesamten gesellschaftlichen Vermögens besitzen und DAX-Vorstände das 300-Fache ihrer Pförtner verdienen, ist es höchste Zeit, über Umverteilung nicht nur zu reden. Mittlerweile arbeiten allein in Hessen 300.000 Menschen zu Niedriglöhnen; das ist ein Fünftel aller Beschäftigten. Das sind Menschen, die zwar Arbeit haben, aber nicht davon leben können. Sie werden im Alter in Armut leben. Im reichen Hessen wächst mittlerweile jedes fünfte Kind in Armut auf. Die FDP kann zwar den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung fälschen; an diesen Tatsachen ändert sie aber nichts.
Ein handlungsfähiger Staat braucht höhere Einnahmen. Deshalb brauchen wir endlich eine bessere Besteuerung hoher Vermögen und mehr Steuerfahnder, statt Steuerflüchtige auch noch zu begünstigen. Die Regierungsfraktionen haben keinerlei Vorschläge dazu, wie öffentliche Aufgaben in den kommenden Jahren vernünftig finanziert werden sollen. „Nach uns die Sintflut“ ist ihr Motto.
Hessen hat die reaktionärste, die rückschrittlichste und zu Recht auch die unbeliebteste Landesregierung bundesweit. Diese Landesregierung ist nicht einfach nur unfähig – das ist sie, zugegeben, auch –; das Hauptproblem ist jedoch, dass diese Landesregierung die Interessen der Finanzindustrie, der Luftverkehrsindustrie und der Energiekonzerne brutalstmöglich vertritt, und das gegen die Interessen der Bevölkerung. Deshalb brauchen wir in Hessen dringend einen Politikwechsel.
Die Menschen in Hessen brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum. Gerade im Rhein-Main-Gebiet sehen wir, was passiert, wenn man den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt und den Markt sich selbst überlässt. Wohnungen dürfen keine Rendite- und Spekulationsobjekte sein. Deshalb kämpfen wir für die Umwandlung von Leerstand und für mehr Sozialwohnungen.
Einrichtungen der Daseinsvorsorge, z. B. Kliniken, gehören in die öffentliche Hand, nicht in die Hände von Aktien
gesellschaften. Das gilt für das Uniklinikum Gießen-Marburg, für die Kliniken in Offenbach und auch für andere.
Wir setzen uns für ein sozial gerechtes Bildungssystem ein. Deshalb unterstützen wir die großen Proteste gegen das sogenannte Kinderförderungsgesetz. Wir wollen endlich mehr Geld für die Kitas, mehr Kitaplätze und eine angemessene Bezahlung für Erzieherinnen und Erzieher.
Wir wollen keine frühe Auslese und auch keine Orientierung auf die ökonomische Verwertbarkeit von Bildung, sondern wir wollen eine Schule für alle Kinder, und wir wollen G 8 vollständig abschaffen. Dafür steht DIE LINKE.
Wir wollen die zunehmende Militarisierung der Bildung bekämpfen. Wir sind der Meinung, die Bundeswehr hat an den Schulen nichts zu suchen, und die Rüstungsforschung an hessischen Hochschulen muss verboten werden.
Die Flughafenausbauparteien CDU, FDP und SPD haben die Menschen getäuscht. Mit der SPD wird es nach der Wahl bestenfalls die Umsetzung des Ergebnisses des sogenannten Mediationsverfahrens geben, aber nicht mehr. DIE LINKE ist die einzige Partei im Landtag, die gemeinsam mit den BIs fordert, dass die neue Landebahn stillgelegt wird.
Liebe SPD, DIE LINKE in Hessen hat unter Beweis gestellt, dass ein Politikwechsel nicht an ihr scheitert. Wir haben klar gesagt: Für uns gibt es klare Bedingungen. Mit der LINKEN wird es keinen Sozialabbau, keine Privatisierung und keinen Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst geben.
Ich will aber daran erinnern, dass es unter anderem Peer Steinbrück war, der im Jahr 2008 maßgeblich daran beteiligt war, den Regierungswechsel in Hessen zu hintertreiben. Nun ist er Kanzlerkandidat, und nicht einmal die treuesten SPD-Wähler glauben, dass es einen Politikwechsel mit Merkels Finanzminister geben kann.
Meine Damen und Herren, DIE LINKE ist seit fünf Jahren im Hessischen Landtag vertreten. Ich denke, dass wir in dieser Zeit aus der Opposition heraus in Zusammenarbeit mit den sozialen Bewegungen einiges erreicht haben. Wäre DIE LINKE im Jahr 2008 nicht in den Hessischen Landtag eingezogen, würde es heute vielleicht noch Studiengebühren in Hessen geben, nicht nur in Hessen, vielleicht auch in vielen anderen Ländern.
DIE LINKE hat einen Anteil daran, gemeinsam mit anderen Bündnispartnern, gemeinsam mit dem DGB und dem Mieterbund, dass die Nassauische Heimstätte nicht privatisiert wurde.
DIE LINKE hat im Landtag die Erhöhung der Grunderwerbsteuer durchgesetzt. Ohne DIE LINKE hätten 30 % der Menschen, die gegen die Schuldenbremse gestimmt haben, überhaupt keine Stimme im Landtag gehabt. Es musste erst DIE LINKE in den Landtag einziehen, damit die NS-Vergangenheit hessischer Landtagsabgeordneter aufgearbeitet wurde. Eine Studie im Auftrag der LINKEN hat ergeben, dass nicht, wie bisher dokumentiert 3, sondern 75 Abgeordnete des Hessischen Landtags Mitglieder der NSDAP gewesen waren.
Hessen braucht eine starke LINKE, damit es 2013 nicht nur zu einem Regierungs-, sondern auch zu einem Politikwechsel kommt. Aus der Erfahrung auf der Bundesebene wissen wir, dass rot-grüne Regierungen ohne eine starke linke Opposition Agenda 2010 und Hartz IV bedeuten.
Letzter Satz, Herr Präsident. Eines ist auch klar: Einen wirklichen Wechsel wird es nur dann geben, wenn es gesellschaftlichen Druck gibt. Frei nach Marx: Jeder Schritt realer Bewegungen ist mehr wert als ein Dutzend Anträge und Reden in diesem Parlament. – Deswegen, egal, wie die Wahl ausgeht, es wird gesellschaftlichen Druck brauchen, damit nicht nur die Regierung wechselt, sondern auch die Politik sich verändert.
(Beifall bei der LINKEN – Alexander Bauer (CDU): Wieder Marx! Ihre Zeit und die Zeit von Marx sind schon längst um!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss schon sagen, es ist bemerkenswert, dass den hessischen Sozialdemokraten
Dabei sollte doch jedem klar sein – ich gehe davon aus, dass gerade die Kollegen von den Sozialdemokraten das teilweise ganz hoffnungsvoll zur Kenntnis nehmen –, dass Umfragen vielleicht ein Meinungsbild bringen, aber noch nicht das Wahlergebnis.
Am 22. September wird gewählt. Ich meine, dass die Sozialdemokraten ganz froh sind, dass man nicht gleich heute schon sagen muss: Die Umfrage ist da, also geben wir auf. – Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie sind der finanzpolitische Berater Ihres Wahlkampfstars Peer Steinbrück.