Protokoll der Sitzung vom 25.04.2013

Ein führender Neonazi sagt, im Gefängnis habe er besser arbeiten können als in Freiheit. Die Wärter ließen ihn in Ruhe.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es hatte dann schon einen gewissen Unterhaltungswert, wenn man im Ausschuss, aber auch in den Medien mitbekommen hat, dass der Innenminister und der Justizminister versucht haben, sich wechselseitig die Verantwortung in die Schuhe zu schieben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Da muss selbst Frau Hofmann lachen!)

So schiebt der Justizminister dem Verfassungsschutz die Schuld in die Schuhe. Im „Darmstädter Echo“ sagte der Innenminister – ich darf hier wörtlich zitieren –, „dass im Bereich der Justiz Fehler gemacht worden seien. Es gebe ‚Fragen zu erfolgten oder nicht erfolgten Postkontrollen‘“.

(Beifall des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Günter Rudolph und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da hat er recht!)

Zumindest hat Innenminister Rhein nun personelle Konsequenzen beim Verfassungsschutz angekündigt.

Dreist ist es aber, dass dieser Justizminister behauptet, er habe das Netzwerk frühzeitig aufgedeckt – und noch mehr –, er habe es sogar zerschlagen. Am 9. April, also vor genau 17 Tagen, haben Sie gegenüber der „Frankfurter Rundschau“ erklärt, „man befinde sich am Beginn der Ermittlungen“, und Sie hofften darauf, dass dies nicht die Spitze des Eisbergs sei.

Auf sieben der von uns gestellten Fragen im Ausschuss haben Sie geantwortet – das kann man nachlesen –: „Die Ermittlungen dauern noch an.“ Nun klopfen Sie solche Sprüche.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist er!)

Nichts haben Sie aufgeklärt, nichts haben Sie zerschlagen. Sie haben geschlafen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Herr Hahn, Sie gerieren sich wieder als Aufklärer der Nation. Stattdessen haben Sie hier selbst Ermittlungen ausgeplaudert. Ich hoffe, dass Sie damit die Ermittlungen nicht gefährdet haben. Nein, solch einen Justizminister hat unser Land nicht verdient.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Anstatt mit dem Finger auf andere Bundesländer zu zeigen, Herr Hahn, sollten Sie erst einmal Ihre eigenen Hausaufgaben in Hessen machen. Das Netzwerk hat sich nämlich in Hessen gegründet und von hier aus seine Aktivitäten auch in andere Bundesländer entwickelt.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Hier wurde es aufgedeckt und zerschlagen!)

Wir brauchen im Justizvollzug gut ausgebildetes Personal, das diese Sprache entziffern kann, das die Symbole erkennt. Wir brauchen auskömmliches Personal, das Zeit hat, die Postkontrollen durchzuführen. Wir brauchen Fachpersonal im psychologischen Dienst, bei den Sozialarbeitern, die, wenn Rechtsradikale erkannt werden, behandlerisch im Sinne des Resozialisierungsgebots des Strafvollzugsgesetzes auf sie einwirken können.

Wirklich skandalös ist, dass wieder einmal die Sicherheitsbehörden gepennt haben und nicht miteinander zusammengearbeitet worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann Ihnen nur sagen: Rechtsradikaler Terror muss in unserem Land endlich ernst genommen und ihm muss entschieden begegnet werden.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Den gibt es nur in Hessen? – Holger Bellino (CDU): Der Terror wird sehr ernst genommen!)

Rechte Gewalt hat bei uns nichts verloren und muss endlich im Keim erstickt werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hofmann. – Als nächster Redner spricht Herr Kollege Honka von der CDU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege Honka.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie auch mich eines vorwegstellen, bevor ich in das Thema einsteige: Für uns von der CDU ist es vollkommen klar, dass wir Extremismus verurteilen, und zwar egal, ob er von rechts kommt, ob er von links kommt,

(Zurufe von der LINKEN: Ah!)

ob er religiös motiviert ist oder aus irgendeiner anderen Motivation entsteht. Das ist für uns egal.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist interessant, die Aufregung auf der linken Seite zu sehen. Normalerweise müssten Ihnen solche Klarstellungen eigentlich gefallen. Aber, na ja.

(Holger Bellino (CDU): Sie sind betroffen!)

Aber das weist wohl darauf hin, dass die Aufregung, die im Moment entsteht, sich nicht auf die Antwort auf die Große Anfrage bezieht,

(Zurufe der Abg. Hermann Schaus, Willi van Ooyen (DIE LINKE) und Holger Bellino (CDU))

sondern vor allem auf den Wahlkampf, der kurz bevorsteht.

Lassen Sie mich eines ganz kurz vorwegstellen. Es ist auch für uns als die Landesregierung tragende Fraktion ärgerlich, dass bei der Beantwortung der Großen Anfrage in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld nicht bewusst war, was dort geschehen ist. Das ist ein Fehler gewesen. Aus diesem Fehler werden die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen sein. Die werden auch gezogen, und zwar, dass für Postkontrollen zukünftig noch besser geschult wird, noch besser hingeschaut wird, um Zusammenhänge besser zu erkennen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber es ist in diesem Zusammenhang auch eine, gelinde gesagt, Frechheit von Herrn Dr. Wilken, wenn er am 10. April im Rechtsausschuss davon spricht, dass seine Große Anfrage Hinweise darauf enthält, was in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld vor sich geht. Herr Dr. Wilken, ich sage ganz deutlich: Wenn Sie Hinweise auf rechtsextremistische Zusammenhänge haben, dann gehen Sie zur Staatsanwaltschaft. Das ist Ihre Pflicht.

(Minister Boris Rhein: So ist es!)

Dort gehört das hin und nicht in eine Große Anfrage in vermeintlich verklausulierter Form. Ich sehe keinen einzigen Hinweis. Ich glaube, auch niemand sonst im Landtag hat den von Ihnen angesprochenen Hinweis gesehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Realität dagegen ist, dass einige Monate, nachdem die ersten Anzeigen in der „Bikers News“, leider, erschienen waren, entsprechende Hinweise in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld bekannt geworden sind, und die entsprechenden Briefkontakte unterbunden werden konnten. Jetzt hier zu behaupten, dass das nicht die hessischen Behörden gewesen seien, die das unternommen hätten, ist schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, die Männer und Frauen im Justizvollzug haben an der Stelle ihren Dienst gemacht. Dafür haben wir ihnen zu danken. Denn sie haben jeden Tag einen schweren Dienst zu erfüllen. Aber er ist wichtig, und es ist gut, dass sie ihn vollbringen. Darüber haben wir hier heute Mittag aber gar nicht zu diskutieren. Wenn jetzt die Fachleute für den Justizvollzug diskutieren, dann sollten wir doch auch ganz ehrlich darüber sprechen, dass es, leider, z. B. Probleme wie Drogen im Justizvollzug, in allen Bundesländern zu jeder Zeit unter jeder Landesregierung immer wieder gibt.

Wir können doch ganz offen darüber sprechen, dass es zu jeder Zeit immer wieder Probleme mit organisierter Kriminalität oder mit Gefangenen, die aus dem Bereich der organisierten Kriminalität kommen, in den Justizvollzugsanstalten gibt. Es ist leider auch Realität, dass es Gefangene mit extremistischem Hintergrund zu jeder Zeit und unter fast jeder Landesregierung in unserer Republik irgendwann einmal gegeben hat. Werfen wir unseren Blick nur ein kleines bisschen über unsere Landesgrenzen. Dabei müssen wir noch nicht einmal in die allzu ferne Vergangenheit gehen. So möchte ich kurz aus der „Marler Zeitung“ vom 16. April zitieren. Die Überschrift lautet:

Rechtsextreme protestieren in Münsters Gefängnis.

Frau Präsidentin, dabei ist ein kleines Bild abgedruckt.

(Der Redner hält einen Zeitungsausschnitt hoch.)

Ich lese ganz kurz vor, was unter diesem Bild steht:

Das Bild zeigt ein bemaltes Laken, das zwei Männer aus dem Fenster des Gefängnistreppenhauses an der Gartenstraße halten. Darauf fordern sie „Freiheit für alle politischen nationalen Gefangenen“. Wer die Männer sind, ist nicht zu sehen, ihre Gesichter sind mit schwarzen Balken unkenntlich gemacht. Aufgenommen worden sein soll das Foto am 23. März. Einen Tag später gelangte es ins Internet, über ein Konto des Online-Dienstes Twitter, das der rechten Szene zuzuordnen ist.

Meine Damen und Herren, das Beispiel ist nicht aus Hessen. Es ist aus Nordrhein-Westfalen. Es zeigt, dass es dort leider – ich sage ganz bewusst: leider – sogar möglich war, dass nicht nur die Gefangenen eine Aktion gemacht haben, sondern auch mit Außenstehenden eine Aktion koordiniert werden konnte. Das ist doppelt schlimm.

(Heike Hofmann (SPD): Lenken Sie doch nicht ab! – Hermann Schaus (DIE LINKE): Was soll uns das sagen? – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LIN- KE))

Meine Damen und Herren, das soll uns sagen, dass dieses Problem leider nicht nur in Hessen zeitweise bestanden hat, sondern auch in anderen Bundesländern besteht.