Letzter Platz bei Mobilität – und das in einem Land, in dem die Landesregierung den Leuten einzureden versucht, sie befänden sich in einem staufreien Paradies, während die Alltagserfahrungen der Menschen in Hessen ganz anders ausfallen.
Weiter heißt es, Hessen biete seinen Bewohnern bundesweit die schlechtesten Möglichkeiten, sich effizient, sozial verträglich und ökologisch fortzubewegen. Hessen hat die bundesweit schlechteste Note bei nachhaltiger Mobilität. – Mit diesen Sätzen ist das Drama der hessischen Mobilitätsund Verkehrspolitik zutreffend beschrieben.
Während andere Bundesländer wie z. B. Nordrhein-Westfalen positiv mit ehrgeizigen politischen Zielen punkten,
fällt Hessen nur dadurch auf, dass es überhaupt keine Ziele in der Verkehrspolitik und bei nachhaltiger Mobilität gibt.
Das ist hessische Realität. Die Landesregierung betont immer wieder, wie wichtig ihr eine intakte Verkehrsinfrastruktur sei – das sind die Sonntagsreden –, und am Montag tritt dann wieder der graue Alltag in Hessen ein.
Wo liegen in Hessen die Prioritäten bei der Verkehrs- und bei der Infrastrukturpolitik? Das fragen sich nicht nur die hessischen Sozialdemokraten. Tatsache ist: In Hessen gibt es kein abgestimmtes Verkehrs- und Mobilitätskonzept, meine Damen und Herren. Hessen ist für die Herausforderungen der Verkehrspolitik der kommenden Jahre nicht gut aufgestellt.
So kann man das Ergebnis des Mobilitätsindex auch zusammenfassen; denn Hessen gibt keine Antworten darauf, wie es nachhaltige Mobilität – insbesondere angesichts der demografischen Entwicklungen, nämlich auf der einen Seite schrumpfende Bevölkerung im ländlichen Raum und auf der anderen Seite Zunahme der Bevölkerung in den Ballungsräumen – für alle bezahlbar gewährleisten will.
Dieses Defizit haben nicht nur die Sozialdemokraten erkannt. In einem bemerkenswerten gemeinsamen Appell haben die Vereinigung des Verkehrsgewerbes in Hessen, Speditions- und Logistikverband Hessen/Rheinland-Pfalz, der Bauindustrieverband Hessen-Thüringen, der Verband baugewerblicher Unternehmer Hessen, die VhU und die IG Bauen-Agrar-Umwelt sowie der ADAC einen „Zukunftspakt: Gute Verkehrswege in Hessen“ gefordert. Das macht man wohl nicht, wenn man der Meinung ist, in Hessen sei alles in Ordnung, meine Damen und Herren.
Dieser Appell ist auch deswegen zustande gekommen – und das können wir Sozialdemokraten auch nachvollziehen –, weil sich insbesondere die Wirtschaft in Hessen Sorgen darüber macht, was zurzeit mit dem öffentlichen Eigentum der Verkehrsinfrastruktur in Hessen passiert. Ich zitiere aus der Begründung für den Appell:
Auch in Hessen ist davon auszugehen, dass seit Jahren per Saldo ein Werteverzehr im Infrastrukturvermögen des Landes stattfindet.
Ich sage es noch einmal: Das Zitat stammt nicht aus sozialdemokratischer Feder, sondern das sind VhU, ADAC und IG BAU, die es zusammen formuliert haben. Aber Sie haben recht, wir Sozialdemokraten teilen diese Feststellung ausdrücklich.
Meine Damen und Herren, Hessen ist ein wirtschaftsstarkes Land – noch ist Hessen ein wirtschaftsstarkes Land;
denn wir wissen: Eine intakte Verkehrsinfrastruktur, bezahlbare und nachhaltige Mobilität sind Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Unter der Verantwortung von Schwarz-Gelb sind wir gerade dabei, diese wichtigen Grundlagen zu vernachlässigen und damit Wachstum und Wohlstand unseres Bundeslandes zu gefährden; denn im Vergleich sind Hessens Straßen in einem schlechten Zustand.
Kommen wir zu den Fakten – ich weiß, das tut weh –: Hessen hat bundesweit mit 49 die höchste Zahl an sanierungsbedürftigen Brücken. Man kann es auch so ausdrücken: In Hessen kümmert man sich von allen Bundesländern am wenigsten um den Zustand der Brücken.
Der Sanierungsbedarf bei hessischen Autobahnen, Bundesstraßen, Landesstraßen und Kommunalstraßen geht in die Milliarden. Und, meine Damen und Herren, Sie lassen die Kommunen mit Ihrer kommunalfeindlichen Politik bei diesem Sanierungsstau vollkommen im Regen stehen. Das haben Sie gestern wieder bestätigt bekommen.
Bei der Schieneninfrastruktur sieht es nicht besser aus. Ein wesentlicher Grund für das blamable Abschneiden beim Mobilitätsindex 2012 war auch, dass in Hessen nicht nur zu wenig Geld in die Schieneninfrastruktur hineingegeben wurde, nein, es ist noch viel schlimmer: In Hessen sind die Mittel für die Schieneninfrastruktur auch noch gekürzt worden.
Es geht in Hessen nicht voran. Die Realisierung des notwendigen Ausbaus der Fernstrecke Frankfurt – Fulda kommt nicht richtig in Gang, und Frankfurt – Mannheim ist buchstäblich in weite Ferne gerückt. Der Ausbau dringender S-Bahn-Verbindungen im Rhein-Main-Gebiet stagniert. Stattdessen zettelt Schwarz-Gelb eine Diskussion über die Zwangsfusion der Verkehrsverbünde RMV und NVV an.
Gut, dass die Nordhessen und die Opposition hier im Landtag aufgepasst haben und Schwarz-Gelb diese Pläne auf Eis legen musste.
Wir wissen, dass wir bei diesem Punkt weiterhin hellwach sein müssen. Aber das ist typisch Schwarz-Gelb: Was gut funktioniert, soll zerschlagen werden, was notwendig ist, wird nicht gemacht.
Ein Zitat aus dem Mobilitätsindex muss ich noch loswerden. Es ist das Märchen vom staufreien Hessen. Das stammt jetzt nicht von der Sozialdemokratie, sondern ich zitiere aus dem Mobilitätsindex:
Beim Indikator Stau pro Kilometer Autobahn kommt Hessen im Bundesländerranking nur auf den 12. Rang.
Immerhin nicht der letzte Platz, sondern 12 von 16. Mit dem Minimalziel, das diese Landesregierung hat, sind Sie anscheinend schon zufrieden. Aber mit einem staufreien Hessen hat das Ganze nichts zu tun.
Hessen, das zeigen die Zahlen, vernachlässigt seine Verkehrsinfrastruktur. Schwarz-Gelb in Hessen und SchwarzGelb auf Bundesebene haben einen riesigen Werteverzehr zu verantworten und sind dabei, wenn wir nicht gegensteu
Die sogenannte Daehre-Kommission hat einen Sanierungsbedarf von mindestens 7,2 Milliarden € festgestellt. Angesichts dieser Zahlen hat die Daehre-Kommission auch ausdrücklich das Setzen von Prioritäten gefordert. Aber diese Schwerpunkte gibt es in Hessen nicht, und das kritisieren wir ausdrücklich.
Meine Damen und Herren, zu Beginn seiner Amtszeit hat der jetzige Verkehrsminister es als einen Schwerpunkt bezeichnet, wesentlich mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur in Hessen beim Bund einzufordern. Das ist eine richtige Forderung. Wir wissen, dass wir als Transitland besonderen Handlungsbedarf haben. Er hat gefordert, aber bekommen hat er nichts. Das ist schwarz-gelber Einfluss in Hessen auf die schwarz-gelbe Bundesregierung in Berlin.
Den großen Wurf beim ÖPNV hat in Hessen auch noch keiner festgestellt. Es fehlt in Hessen ganz einfach der Mut zum Setzen von Schwerpunkten. Dabei wissen wir alle, dass die Devise der Zukunft sein muss, dass wir den Menschen deutlich sagen müssen: Prinzipiell geht Sanierung vor Neubau, wenn wir die Infrastruktur nicht einem riesigen Werteverzehr aussetzen wollen.
Das heißt nicht, dass wir nicht auch mit neuen Maßnahmen beginnen müssen. Aber hier sind ausdrücklich Prioritäten gefordert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Stephan (CDU): Keine Umgehungsstraßen mehr?)
Schwarz-Gelb – das hat sich in der Vergangenheit gezeigt – ist nicht in der Lage, die Herausforderungen für die Zukunft in der Verkehrs- und Infrastruktur zu bewältigen. – Vielen Dank.