Protokoll der Sitzung vom 27.06.2013

(Beifall bei der LINKEN)

Nächste Wortmeldung, Herr Abg. Noll für die Fraktion der FDP.

(Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bis auf Abg. Mathias Wagner (Taunus) und die Fraktion DIE LINKE verlassen während der Rede des Abg. Alexander Noll (FDP) den Plenarsaal. – Manfred Pentz (CDU): Irgendwann muss auch mal Schluss sein! – Gegenruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD): Irgendwann muss Schluss sein, und man muss sich entschuldigen! – Glockenzeichen des Präsidenten – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ich finde das schön: eine GRÜNEN-freie Zone!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jede Fraktion ist für ihr Image selbst verantwortlich. Das möchte ich nicht weiter kommentieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Demonstrativer Beifall bei der SPD und des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Die dritte Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Kommunalen Finanzausgleichs ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass es zwischenzeitlich das Urteil des Staatsgerichtshofs gab. Das hat dazu geführt, dass insbesondere in den Reihen der Opposition Bedenken bestanden, ob der Gesetzentwurf auf dieser Grundlage überhaupt Gesetz werden darf. Darüber haben wir uns im Ausschuss intensiv unterhalten und dabei festgestellt – das mag durchaus strittig gesehen werden –, dass der Staatgerichtshof in seiner Urteilsbegründung sehr deutlich festgestellt hat – ich zitiere –:

Bis zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung – längstens bis zum 31. Dezember 2015 – bleiben die von der Unvereinbarkeitserklärung betroffenen Bestimmungen weiterhin anwendbar.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das betrifft den gesamten KFA wie auch die Änderung im Jahr 2011. Eine rückwirkende Nichtigerklärung kommt aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Denn bei einer rückwirkenden Nichtigerklärung würden die Festsetzungen von Schlüsselzuweisungen und Kompensationsumlagen ihre Rechtsgrundlage verlieren. Zudem wären neue Festsetzungen bis zum Abschluss der erforderlichen Bedarfsermittlung nicht möglich. Ein sofortiges Außerkrafttreten der angegriffenen Vorschriften wäre mit einer geordneten Finanz- und Haushaltswirtschaft unvereinbar.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das beruht darauf, dass das Gericht sich nicht mit dem Inhalt der Umlage befasst hat. Deswegen hat es auch gar nicht festgehalten, dass da irgendwelche Nachforderungen, welcher Art auch immer, gestellt werden

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Oder umgekehrt!)

oder Kürzungen.

Das ist überhaupt nicht der Punkt. Grundlage der Beanstandung ist, dass offensichtlich seit Bestehen des Kommunalen Finanzausgleichs in den Augen des Staatsgerichtshofs die Grundlage der vertikalen Verteilung auf falsche Füße gestellt war. Zumindest war das nicht ausreichend.

Womit haben wir uns in dieser Arbeitsgruppe befasst? Wir haben uns in erster Linie mit horizontalen Verteilungsverfahren befasst, die von diesem Urteil in gar keiner Weise betroffen sind.

(Norbert Schmitt (SPD): Falsch! Das ist schlicht falsch!)

Das Urteil stellt Anforderungen an einen Kommunalen Finanzausgleich. Das ist vollkommen richtig; daran gibt es keinen Zweifel. Es sagt aber auch aus, dass es dem Landesgesetzgeber prinzipiell freisteht, veränderte Rahmenbedingungen, neue Erkenntnisse oder gewandelte Präferenzen bei der Umgestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs zu berücksichtigen, sodass ein Vertrauenstatbestand in den unveränderten Fortbestand eines einmal erreichten Standards nicht besteht.

(Norbert Schmitt (SPD): Völlig falsch, was Sie sagen! Das ist unglaublich!)

An keiner Stelle hat der Staatsgerichtshof auch nur ansatzweise feststellen wollen, dass die Finanzausstattung der Kommunen zu gering oder zu hoch sei. Davon hat er gar nichts gesagt. Es könnte sowohl das eine als auch das andere sein.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Dies hängt aber davon ab, dass zunächst einmal eine geordnete Bedarfsermittlung zur Grundlage gemacht werden muss. Das haben die Kommunalen Spitzenverbände, insbesondere der Städtetag, im Übrigen ja selbst festgestellt. Nach dem ersten Jubel über den Inhalt des Urteils ist Ernüchterung eingetreten. Es kann natürlich durchaus sein, dass sich mit einer solchen Finanzbedarfsanalyse die Struktur des Kommunalen Finanzausgleichs, insbesondere was die Ausstattung mancher Kommunen betrifft, auch nach unten verändert. Das wissen wir alle nicht. Es wird sich erst erweisen, wenn die Finanzbedarfsanalyse erstellt ist und wenn man auf dieser Grundlage sehen kann, wie sich künftig die vertikale Verteilung ergeben wird.

(Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Daraus kann sich eine – nach den Prämissen des Landes zu gestaltende – wie auch immer geartete horizontale Verteilung ergeben. Grundlagen dazu haben wir in der Arbeitsgruppe behandelt.

Wir als Regierungsfraktionen sind der Auffassung, dass ein erster Schritt in eine Veränderung der horizontalen Verteilung eine Stärkung des ländlichen Raumes sein soll. Daher haben wir uns zu dieser Veränderung des Kommunalen Finanzausgleichs entschlossen. Sie beruht – und das ist unsere Sicht der Dinge; man ist ja in der Lage, durchaus auch andere Ansichten haben zu dürfen –

(Norbert Schmitt (SPD): Das schließe ich bei Ihnen aus!)

auf der Grundlage, dass der Staatsgerichtshof den Kommunalen Finanzausgleich ausdrücklich befristet für weiterhin anwendbar erklärt hat und durchaus auch für Veränderungen geöffnet hat, die im Rahmen dieses Urteils möglich sind. Deswegen legen wir diesen Gesetzentwurf vor.

(Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vor- sitz.)

Wir sind davon überzeugt, dass dies ein erster Schritt in eine künftige neue horizontale Verteilung des Kommunalen Finanzausgleichs sein wird. Deswegen bitten wir um Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Noll. – Als Nächste wird Frau Kollegin Erfurth von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu uns sprechen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute folgt also der Schlussakkord zu einer verunglückten KFA-Reform. Sie genügt selbst jenen Ansprüchen nicht, mit denen Sie, Herr Finanzminister Dr. Schäfer, und auch Ihr Vorgänger im Amt, Karlheinz Weimar, einmal angetreten waren. Sie haben es am langen Ende nicht vermocht, eine Reform durchzusetzen, die diesen Namen auch verdient. Diesen Misserfolg haben Sie sich vollumfänglich selbst zuzuschreiben.

Zu einem Zeitpunkt, als die Kommunalfinanzen am Boden lagen, haben Sie den Kommunen durch Ihren unsystematischen Eingriff in den KFA dringend nötige Mittel entzogen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD – Holger Bellino (CDU): 1,7 Milliarden zugeschossen!)

Sie haben die Kommunen damit in die Klage getrieben, in eine Klage vor dem Staatsgerichtshof. Der Staatsgerichtshof hat Ihnen dann ins Stammbuch geschrieben, dass Sie einen groben Fehler gemacht haben, indem Sie die Finanzbedarfe der Kommunen völlig außer Acht gelassen haben.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wie war das denn zu Ihrer Regierungszeit?)

Die Folge ist bekannt. Der Staatsgerichtshof hat das Finanzausgleichsgesetz für verfassungswidrig erklärt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wie war das zu Ihrer Regierungszeit? Haben Sie das zu Ihrer Regierungszeit gemacht? – Gegenruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich komme gleich zu Ihnen, Herr Irmer. – Dies ist jetzt nur noch mit einer Übergangszeit bis Ende des Jahres 2015 gültig.

Jetzt sagen Sie, das sei eine völlig neue Rechtslage. Die Forderung nach einer Bedarfsermittlung habe es noch nie gegeben, auch zu rot-grünen Zeiten nicht.

(Holger Bellino (CDU): Das gibt es auch heute nirgends!)

Stimmt, das hat es noch nie gegeben. Aber ich sage Ihnen, Herr Bellino: Ein Krug geht immer so lange zum Brunnen, bis er bricht. Sie haben dafür gesorgt, dass er bricht,

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es!)

weil Ihre Haushaltspolitik derart desaströs war, dass Sie Ihren Haushalt ohne diesen Eingriff in die Kommunalfinan

zen überhaupt nicht mehr in den Griff bekommen hätten. Deshalb haben Sie in die Kommunalfinanzen eingegriffen. Deshalb tragen Sie, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, mit Ihrer unsoliden Finanzpolitik die Verantwortung dafür, dass Ihnen der Staatsgerichtshof zum wiederholten Mal in dieser Legislaturperiode bescheinigt hat, dass Sie gegen die Hessische Verfassung verstoßen haben. Nur Sie tragen die Verantwortung dafür. Sonst hätten Sie nämlich nicht gewusst, wie Sie Ihren Haushalt ausgleichen sollten.

Wir haben die dritte Lesung dieses Gesetzentwurfs beantragt, weil wir nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 21. Mai 2013 für uns die Frage geklärt wissen wollten, ob es rechtssicher möglich ist, auf ein als verfassungswidrig erkanntes Gesetz ein zweites Gesetz draufzusatteln. Wir haben dazu einen Dringlichen Berichtsantrag im Haushaltsausschuss gestellt. Leider müssen wir feststellen, Herr Dr. Schäfer, dass die Fragen, die wir an Sie hatten, nicht zufriedenstellend beantwortet worden sind.

Wir können eben nicht rechtssicher davon ausgehen, dass der vorgelegte Gesetzentwurf sich innerhalb der zulässigen Änderungen bewegt. Sie haben uns nicht davon überzeugen können, dass das, was jetzt im Raum steht, auch rechtssicher umgesetzt werden kann, dass es eben keine Klagen geben wird und dass wir davon ausgehen können, dass es Bestand hat. Die Regelung, die im Raum steht, greift in die Verteilungsrechnung innerhalb der Kommunen ein und verändert sie teilweise zu deren Nachteil. Beispiele haben wir gehört.

Aus dieser Konstellation ergibt sich aus unserer Sicht keine Rechtssicherheit für den Gesetzentwurf. Deshalb werden wir ihn ablehnen. Bis zu dem Spruch des Staatsgerichtshofs – auch das will ich nicht verhehlen – haben wir uns enthalten, weil wir diese Reform als einen sehr kleinen Schritt in eine richtige Richtung betrachten. Unsere Einschätzung, dass die Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen grundsätzlich neu ausgerichtet werden muss, hat der Staatsgerichtshof mit erstaunlicher Deutlichkeit bestätigt.

Vor dem Urteil des Staatsgerichtshofs hätten wir unsere Bedenken ein Stück weit zurückgestellt, um einer solchen Reform im Sinne einer Veränderung in die richtige Richtung nicht im Wege zu stehen. Nun hat sich die Geschäftsgrundlage aber geändert. Wir sehen uns daher nicht mehr in der Lage, uns zu enthalten, und werden den Gesetzentwurf heute ablehnen. – Danke.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Bitte, Herr Staatsminister Schäfer. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dem Verlauf der dritten Lesung dieses Gesetzentwurfs eben genauso aufmerksam zugehört wie der zweiten Lesung. Kurioserweise ist in beiden Debatten nicht ein einziges kritisches Wort zu dem materiellen Inhalt dessen, was durch die Veränderung des Gesetzes geregelt wird, gesagt worden.