Meine Damen und Herren, ich sagte eingangs und wiederhole es: Den Schulen in Hessen geht es richtig gut. Mit FDP und CDU wird das auch in der nächsten Wahlperiode so bleiben. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Als Nächster spricht der namensgleiche parlamentarische Geschäftsführer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Wagner, bitte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin meinem Namensvetter, Herrn Dr. Wagner von der CDU, außerordentlich dankbar. Er hat noch einmal deutlich gemacht, wer in den Schützengräben des kalten Schulkampfs liegt.
Er hat deutlich gemacht, warum es in den letzten 15 Jahren bildungspolitisch nicht vorangegangen ist.
Und er hat deutlich gemacht, warum wir in Hessen unbedingt einen Schulfrieden brauchen, wie ihn meine Fraktion vorschlägt.
Herr Dr. Wagner, ich bin Ihnen auch deshalb dankbar, weil das ein gutes Omen ist. Sie waren von 1987 bis 1991 Kultusminister in diesem Land. Das Ergebnis war Ihre Abwahl und die der damaligen Landesregierung. Vielen Dank, dass Sie unser Maskottchen für den 22. September sind, Herr Dr. Wagner.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Ich habe die Wahrheit gesagt! Ich habe Sie nur zitiert!)
Aber wir sprechen über die Regierungserklärung der Kultusministerin. – Frau Kultusministerin, das war also die Bilanz aus 15 Jahren schwarz-gelber Bildungspolitik.
(Demonstrativer Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Super Bilanz!)
Ich will die Landesregierung an einer Stelle loben, weil sie, wie auch andere Landesregierungen nach dem PISASchock, gesagt hat: Lasst uns die Bildungspolitik und das, was wir bildungspolitisch tun, nicht an Glaubenssätzen messen, sondern an den Ergebnissen der Schülerinnen und Schüler. – Der Paradigmenwechsel war richtig. Nur, warum haben Sie uns dann nichts über die Ergebnisse des Bildungssystems in Hessen mitgeteilt, Frau Ministerin? Das ist doch die spannende Frage. Sie haben viel darüber geredet, was Sie in den vergangenen 15 Jahren in das Bildungssystem hineingesteckt haben. Aber der entscheidende Erkenntnisgewinn aus PISA ist, dass wir uns anschauen müssen: Was kommt aus dem Bildungssystem heraus? Was können die Schülerinnen und Schüler? Das ist die entscheidende Lehre aus PISA.
Da steht unser Bundesland leider nicht gut da, meine Damen und Herren. Es ist heute genauso wie vor 15 Jahren, dass der Bildungserfolg viel zu sehr vom sozialen Hintergrund des Elternhauses abhängig ist.
Es ist heute wie vor 15 Jahren so, dass das hessische Bildungssystem in allen Vergleichsstudien nur mittelmäßig abschneidet.
Es ist heute wie vor 15 Jahren so, dass ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler unsere Schulen verlässt und voraussichtlich größte Probleme auf dem Arbeitsmarkt und bei der eigenverantwortlichen Gestaltung ihres Lebens haben wird. Das ist die Bilanz von 15 Jahren schwarz-gelber Bildungspolitik.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Alles an der Realität vorbei!)
Ich finde, das ist mutig. Die größte Zwangsbeglückung im hessischen Schulwesen in den vergangenen zehn Jahren war die Einführung von G 8 – gegen den Rat aller Expertinnen und Experten.
Sie trauen sich, über Zwangsbeglückung zu reden, obwohl alle davon abgeraten haben, G 8 einzuführen. Sie trauen sich, über Zwangsbeglückung zu reden, obwohl im letzten Jahr der Ministerpräsident sagt, nachdem eine ganze Schülergeneration das vermurkste Modell G 8, das Sie organisiert haben, durchlaufen musste: „Das war nur mal so eine Idee von uns.“ – Sie reden von Zwangsbeglückung? Man sollte ruhig sein, wenn es um Bildungspolitik geht, wenn man solche Fehler zu verantworten hat.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Lachen bei der CDU und der FDP – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das hätten Sie gern!)
Frau Ministerin, ich weiß nicht, was ich an Ihrer Regierungserklärung schlimmer finden soll: Soll ich es schlimmer finden, dass Sie bei den für unser Bildungssystem entscheidenden Indikatoren in den letzten 15 Jahren zu wenig erreicht haben, oder soll ich es schlimmer finden, dass Sie für unser Bildungssystem gar nichts mehr vorhaben? Ich kann mich da wirklich nicht entscheiden.
Sie haben mit viel Pathos und mit vielen Worten angesprochen, dass man in der Grundschule etwas tun müsse. Was wollen Sie denn tun? Wie lautet Ihr konkreter Vorschlag? Wie wollen Sie die Grundschulen weiterentwickeln?
Sie haben mit viel Pathos und vielen Worten über das Ganztagsschulprogramm des Landes geredet. Wie lautet Ihre Antwort an die Eltern, die auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit auf ganztägige Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind?
Sie haben mit viel Pathos und leeren Worten über die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 gesprochen. Der Magistrat der Landeshauptstadt Wiesbaden hat dankenswerterweise eine Umfrage unter Eltern mit Grundschulkindern durchgeführt und gefragt, welches schulische Angebot sie sich beim Thema „G 8 oder G 9?“ für ihre Kinder wünschen. Zwei Drittel der Eltern hier in Wiesbaden – wie in anderen Städten und Landkreisen – sagen, sie wollen für ihre Kinder ein G-9-Gymnasium. Wir haben in Wiesbaden unter Ihrer Verantwortung in diesem Schuljahr kein einziges Gymnasium mit G 9 – und da reden Sie über Wahlfreiheit, Frau Ministerin.
Sie reden über Wahlfreiheit, aber es ist nicht nur in Wiesbaden, sondern auch in vielen Städten und Landkreisen so, dass es diese Wahlfreiheit nur auf dem Papier gibt.
Sie reden mit viel Pathos und leeren Worten über Inklusion. Frau Ministerin, wo ist Ihr Zeitplan? Bis wann wollen Sie ein inklusives Schulsystem verwirklicht haben? Bis wann wollen Sie die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen? – Sie haben gar nichts mehr vorzuweisen.
Ich möchte das an einigen Passagen aus Ihrer Rede verdeutlichen. Sie haben über das Ganztagsangebot in Hessen gesprochen. Sie geben sich der Illusion der großen Zahl
hin, dass wir 917 Schulen im Ganztagsschulprogramm haben. Sie sagen auch noch – ich zitiere Sie –: „Mit unserem Ansatz bilden wir die Lebenswirklichkeit von Familien ab, die selbst entscheiden wollen, in welchem Umfang ihr Kind … an einem Ganztagsangebot teilnimmt.“ Wie sehen die Ganztagsangebote in Hessen in aller Regel und an den allermeisten dieser 917 Schulen aus? An drei Tagen der Woche Betreuung bis 14:30 Uhr. Was hat das mit der Lebenswirklichkeit der Eltern in unserem Land zu tun?
Welche Mutter, welcher Vater arbeitet an nur drei Tagen in der Woche – und auch nur bis 14:30 Uhr? Welche Schule soll in diesem zeitlichen Rahmen das pädagogische Konzept einer Ganztagsschule tatsächlich verwirklichen können? Sie behaupten, das bilde die Lebenswirklichkeit der Menschen in Hessen ab. Wo leben Sie eigentlich, Frau Kultusministerin? Das hat mit dem Bedarf der Mütter und Väter nichts zu tun.
Sie haben über inklusive Bildung gesprochen. Vor vier Jahren hat das Land Hessen die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben – wie alle anderen Bundesländer.
Jetzt sagen Sie, das bedeute nicht, die Förderschulen abzuschaffen. Da stimmen wir Ihnen ausdrücklich zu. Es heißt aber auch nicht, dass man die Rahmenbedingungen für Inklusion verschlechtert. So war die UN-Behindertenrechtskonvention nicht gemeint. Sie haben den Begriff Inklusion genommen und haben alles, aber auch alles in Hessen abgeschafft, was für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen wichtig ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)