Es ist in diesem Land genug Geld da, um Krankenschwestern, Polizisten und auch Pflegepersonal ordentlich zu bezahlen. Im Übrigen ist in diesem Land auch genug Geld da, um Straßen und Schienen, aber auch Städte und Gemeinden hinreichend zu finanzieren, wenn wir etwas durchsetzen. Genau darum geht es am heutigen Morgen: null Toleranz gegenüber Steuerflucht und Steuerhinterziehung.
Ihr dringlich nachgezogener Antrag am heutigen Morgen zeigt sehr deutlich, dass wir Sie getroffen haben.
Wer schützt hier eigentlich wen? – Genau um diese Richtungsentscheidung wird es am 22. September gehen.
(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten – Petra Fuhrmann (SPD): Die FDP schützt die Hoteliers!)
Dieser Teil des Hauses schützt den ehrlichen Steuerzahler. Darüber, wen Sie schützen, werden wir in den nächsten acht Minuten noch zu reden haben.
Nach Recherchen des Hessischen Rundfunks ist im ersten Halbjahr 2013 die Anzahl der Selbstanzeigen auf 1.000 gestiegen. Das ist doppelt so viel wie im gesamten letzten Jahr. Seit 2010 sind nach Angaben des Hessischen Rundfunks 460 Millionen € zusätzlich in die Landeskasse gekommen. Offensichtlich gibt es ein Thema. Und was ist Ihre Antwort angesichts dieser Zahl? – Daran will ich Sie erinnern:
29. Mai 2012: Dringlicher Antrag betreffend Schwarzgeldsünder und Steuerhinterzieher schaden dem Bundesland Hessen – von Schwarz-Gelb abgelehnt; 21.08.2012: geplantes Steuerabkommen mit der Schweiz im Bundesrat ablehnen – von Schwarz-Gelb abgelehnt; 15. Januar 2013: Fahndungsdruck auf Steuerhinterzieher erhöhen, Aktionsprogramm Steuerehrlichkeit schaffen – von Schwarz-Gelb abgelehnt;
7. Juni 2013, Bundesratsdrucksache 462/13: Bekämpfung von Steuerstraftaten im Bankenbereich – vom Bundesland Hessen abgelehnt.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Krönung war allerdings die programmatische Aussage des Ministerpräsidenten aus dem Jahr 2010, die bis heute Gültigkeit hat. Mit Blick auf den Ankauf von SteuerCDs, was bisher den höchsten Fahndungsdruck erzeugt hat, erklärt der Ministerpräsident in einem Interview:
Der Staat soll hier Millionen ausgeben, um Diebesgut zu kaufen. Der Rechtsstaat wird hier mit Füßen getreten.
Ich sage Ihnen: Der Einzige, der hier mit Füßen getreten wird, aufgrund der Weigerung, der Steuerfahndung die nötigen Instrumente in die Hand zu geben, ist der ehrliche Steuerzahler in Deutschland.
Es ist nicht hinnehmbar, dass einige glauben, sie könnten ihre Millionen ins Ausland schaffen – das gilt sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen –, die Zeche dafür aber von Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, aber auch von Unternehmen in Deutschland zahlen lassen.
Um den Druck zu erhöhen, haben wir die Kampagne „Null Toleranz für Steuerhinterziehung“ ins Leben gerufen. Dass wir Sie getroffen haben, zeigt Ihr Antrag.
Ich will Ihnen das noch einmal sagen, damit die Zahlen präsent sind; ich will die Zahlen noch einmal wiederholen, da Sie sagen, Sie hätten alles gemacht; und das dokumentieren Sie. Nach seriösen Schätzungen der Europäischen Union, auch aller anderen Institute, haben wir durch Steuerhinterziehung und Steuerflucht jährlich mindestens 30 Milliarden € Verlust für den öffentlichen Haushalt; allein in Hessen sind es 800 Millionen € jährlich. Wer angesichts dieser Zahlen sagt, er habe alles gemacht, dem kann ich nur sagen: Er hat nichts, aber auch überhaupt nichts verstanden.
Ich freue mich, dass Sie versuchen, auf den Druck der SPD zu reagieren, mit Ihren Ankündigungen, jetzt mehr Steuerfahnder und Betriebsprüfer einzustellen. Wie gesagt, im Januar haben Sie das noch abgelehnt, und zwar mit teilweise abenteuerlichsten Begründungen. Aber eine Landesregierung, die darauf setzt, Steuerfahnder mit falschen Gutachten zu zwangspensionieren, setzt beim Thema Steuerfahndung eindeutig die falschen Zeichen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Michael Boddenberg: Das ist unterste Schublade!)
Damit das völlig klar ist: Die Amtsverfügung, die dem gesamten Vorgang zugrunde liegt – das will ich noch einmal sagen, damit das zwischen uns klar ist, damit jeder weiß, wo die Unterschiede sind –, halten wir nach wie vor für falsch. Wir gewinnen den Eindruck, dass Sie es zumindest mit der Bekämpfung von Steuerflucht und -hinterziehung nicht so ganz ernst meinen. Anders ist nicht erklärbar, warum Sie bereit sind, solche Zahlen zu akzeptieren und entsprechende Gesetze abzulehnen. Die Steigerung dessen ist dann der gesamte Vorgang um das Schweizer Steuerabkommen.
Nun habe ich noch einmal die Abgeordnetenbriefe von Herrn Dr. Schäfer gelesen, die er diesem Teil des Hauses
sozusagen zur Verfügung gestellt hat. Ich bin einmal gespannt, ob Herr Dr. Schäfer heute dazu etwas Neues zu sagen hat oder ob es eine neue Form des Abgeordnetenbriefs gibt.
Ich sage Ihnen, wie man ein Steuerabkommen mit der Schweiz richtig macht. Das haben die Vereinigten Staaten in der letzten Woche gezeigt.
Sie wollten im Bundestag und im Bundesrat ein Steuerabkommen mit der Schweiz durchpeitschen, das am Ende eine Strafverfolgung und die Nachforderung von Steuern unmöglich gemacht hätte, weil Sie Persilscheine für Leute ausgestellt hätten, wobei wir nicht einmal gewusst hätten, woher diese Vermögen kommen. Ich will das noch einmal sagen: Wir wissen nicht, woher diese Vermögen kommen. Sie hätten jedes Vermögen gleich behandelt. Vermögen aus Drogenhandel, Menschen- und Waffenschmuggel hätten Sie sozusagen behandelt wie das von Leuten, die glauben, dass sie sich irgendwo verspekuliert haben, weil sie irgendwo Geld gefunden haben. Ich sage Ihnen: Es war ein Segen, dass Rot-Grün das Steuerabkommen mit der Schweiz abgelehnt hat.
Das Instrument, das uns in den letzten Monaten und Jahren viel Wirkung in die Hand gegeben hat, waren die SteuerCDs. Zum Ministerpräsidenten habe ich schon etwas gesagt; die Steigerung war allerdings dann, dass im Frühjahr eine Debatte losbrach, nach dem Motto: Den Ankauf von Steuer-CDs müsse man verbieten. – Der Ausgangspunkt war eine Erklärung von Frau Leutheusser-Schnarrenberger, unserer Justizministerin
Jetzt hat Frau Merkel am Wochenende bemerkenswerterweise versucht, die Debatte aufzugreifen mit dem Hinweis darauf, dass man jetzt auf dem G-20-Gipfel etwas tun wolle. Wir haben allerdings gleichzeitig zur Kenntnis genommen, dass die FDP die Bemühungen mit Blick auf die wachsweichen Verabredungen, die auf dem G-20-Gipfel getroffen werden sollen, bereits hintertreibt. Das ist es, was Sie bei dieser ganzen Debatte sozusagen fuchsig macht und Ihr Problem ist: Es nimmt Ihnen keiner ab, dass Sie es bei der Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerhinterziehung ernst meinen. Genau darum geht es.
Sie werden sich hier gleich hinstellen und alles Mögliche über Steuerpläne und Sonstiges erzählen, um zu diesem Thema möglichst nichts zu sagen. Ich sage Ihnen hier klipp und klar: Ja, wir wollen für einige in diesem Land die Steuern erhöhen, weil wir mit Blick auf die Schuldenbremse gar nicht anders können, und das wissen Sie selbst. Ich bin Frau Kramp-Karrenbauer, der CDU-Ministerpräsidentin aus dem Saarland, sehr dankbar dafür, dass sie das im Kern ähnlich sieht. Ich will ausdrücklich sagen: Ihre Steuerpläne sind nicht unsere, die halten wir für übertrieben. Ich habe aber zur Kenntnis genommen, dass ihre Vorschläge zum Spitzensteuersatz deutlich über denen liegen, die wir beschlossen haben.
Ich würde jetzt gern noch ein paar Bemerkungen zu Frau Hölscher machen, zu ihrer wirklich bemerkenswerten Einschätzung zum Thema Steuer- und Strafrecht, die offensichtlich Wesentliches nicht verstanden hat.
Das würde aber leider verhindern, dass ich eine letzte Bemerkung zur FDP mache. Die FDP plakatiert im Landkreis Gießen derzeit ein wunderbares Plakat mit Herrn Solms, ihrem finanzpolitischen Experten. Auf diesem steht: „Steuern runter, weniger Schulden, nur mit der FDP“.
Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Wer den Schlag der letzten Jahre noch nicht gehört hat, dass angesichts der Schuldenbremse kein Spielraum für weniger Steuern ist, hat wirklich noch nicht verstanden, was notwendig ist. Deswegen sage ich Ihnen: Am 22. September geht es in der Tat um eine Richtungsentscheidung zwischen denen, die null Toleranz gegenüber Steuerhinterziehung üben, und denen, die dazu noch immer keine glasklare Position haben. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Bevor wir in der Debatte weiterfahren, darf ich Ihnen auf die Geschäftsordnungsanfrage des Kollegen Rudolph Folgendes mitteilen: Wir haben eine Raumtemperatur von 22,5° C. Mir ist eben gesagt worden, es könnte höchstens sein, dass die Klimaanlage von unten ein bisschen bläst. Da muss man sich eben etwas anders hinsetzen. Die Raumtemperatur ist jedenfalls in Ordnung.
Meine Damen und Herren, keiner hat hier kalte Füße. Es bläst nur ein bisschen von unten. – Das Wort hat der Kollege Willi van Ooyen, Fraktion DIE LINKE.