Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Hinzu kommt noch die verdeckte Verschuldung durch Leasing und PPP-Projekte, die gar nicht bezifferbar und ausweisbar ist.

(Beifall bei der LINKEN)

An dieser Entwicklung tragen also alle Parteien mit Verantwortung.

(Zuruf:Außer der LINKEN!)

Das, was wir jetzt mit den hochgelobten Konjunkturprogrammen erleben, stellt nur die Reparatur vergangener Versäumnisse dar.Wir wissen zwar,dass rund 70 % der öffentlichen Investitionen durch die Kommunen erfolgen und dass eine Reduzierung kommunaler Investitionstätigkeiten erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Wirtschaft hat.Aber es wird mehr darüber geredet als gehandelt.

In dieser für viele Kommunen sehr schweren Situation wirkt nicht nur die Wirtschafts- und Finanzkrise wie ein Horrorszenario. Auch die politischen Entscheidungen zum Umgang mit finanziellen Belastungen sind oft völlig kontraproduktiv. Ich möchte noch einmal Christian Ude zitieren:

Was jetzt kommt, wird wohl schlimmer, als bislang erwartet.

An anderer Stelle heißt es:

In einer Reihe von Städten und Gemeinden brechen die Steuereinnahmen bereits jetzt drastisch ein.

Gemeint sind die prognostizierten Steuerausfälle in Höhe von bis zu einem Drittel der Einnahmen bis zum Jahr 2013. Damit ist der Anstieg der kommunalen Ausgaben, insbesondere bei den Sozialaufwendungen, gemeint. Damit ist der Anstieg der kommunalen Belastung durch Zinszahlungen gemeint, nämlich aufgrund langjähriger Kreditprogramme und der Anstieg der entsprechenden Zinsen.

Die politische Entscheidung der Hessischen Landesregierung, den Kommunalen Finanzausgleich um 400 Millionen c zu kürzen, ist falsch und darf nicht umgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind sehr wohl dafür,dass es einen Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kommunen gibt. Der darf aber nicht zugunsten der Landeskasse erfolgen.Vielmehr muss es sich um einen Ausgleich zwischen den Kommunen handeln.Das muss eine solidarische Tätigkeit sein.

Die LINKE hat umfassende Maßnahmen vorgeschlagen, um die kommunalen Steuereinnahmen zu stabilisieren, die Wirtschaftskraft der Kommunen zu stärken und die rechtliche Stellung der Kommunen gegenüber dem Bund und dem Land zu festigen. Hierzu hat nicht nur die hessische LINKE konkrete Vorschläge gemacht, sondern auch die Bundestagsfraktion DIE LINKE hat dazu einen umfassenden Antrag eingebracht. Die wichtigsten Punkte sind dabei die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer in eine echte kommunale Wirtschaftssteuer, die Auflage eines Notfonds für Kommunen, die in der Verschuldungsfalle stecken, und die Einführung eines grundgesetzlich verankerten Beteiligungsrechts der Kommunen am Gesetzgebungsverfahren des Bundes.

(Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Alle Fraktionen haben dies im Bundestag wieder einmal rundum abgelehnt, obwohl einige dieser Forderungen seit Jahren vom Deutschen Städtetag genauso erhoben werden.

Ein schnelles Handeln im Sinne und im Interesse der Kommunen wäre aber dringend notwendig, damit sich die Zockerei an den Weltfinanzmärkten nicht unmittelbar auf die Menschen in den Kommunen negativ auswirkt.

Lassen Sie mich zum Schluss meiner Rede Folgendes sagen. Die Umsetzung unserer Forderung nach Einführung einer Vermögensteuer in Höhe von 1 % brächte Hessen zusätzliche Einnahmen in Höhe von 1,2 Milliarden c.Davon würden den Kommunen 23,5 %, also 282 Millionen c, zufließen. Das wäre doch einmal eine echte Unterstützung der Kommunen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Schaus, schönen Dank. – Für die FDP-Fraktion erhält jetzt Herr Kollege Blum das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Schäfer-Gümbel, der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion ist mit Sicherheit kein vernünftiger Beitrag zur Versachlichung der Debatte um die künftige Strukturierung der Finanzverbundsysteme zwischen den Ländern und den Kommunen. Der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD ist mit Sicherheit kein Beitrag zum verantwortungsbewussten Umgang mit der strukturellen Frage, wie wir künftig die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen organisieren wollen. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion ist so dürr und so mager wie der Löwe, der jetzt vor der Tür Ihres Fraktionssitzungssaals im Hessischen Landtag steht.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, dass wir auch nichts anderes erwartet haben. Denn die Art, ob und wie Sie in verantwortungsbewusster Art und Weise Beiträge zur Bekämpfung der strukturellen Probleme des Haushaltes leisten, hat sich auch schon wie ein roter Faden durch die Haushaltsberatungen gezogen.Von der Oppositionsbank aus mit dem sicheren Wissen, dass man am Ende des Tages sowieso nicht die Verantwortung übernehmen muss, ist es einfach, in dieser Art und Weise polemische Anträge einzubringen, wie Sie es getan haben. In der Sache hilft es uns auf jeden Fall mit Sicherheit nicht weiter.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen?

Herr Präsident, die gestatte ich nicht. Herr Kollege Schäfer-Gümbel hatte zehn Minuten Redezeit. Wenn er mit dieser Redezeit nicht zurande gekommen ist, muss er sich vielleicht später noch einmal zu Wort melden.

An dieser Stelle sind wir uns doch alle hier einig: Es ist eine Tatsache, dass die Probleme der öffentlichen Haushalte tiefer gehen und dass das durch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise im Moment nur ausgelöst worden ist. Zumindest wenn wir sachlich im Ausschuss darüber diskutieren, sind wir uns eigentlich alle einig, dass es über die Mindereinnahmen aufgrund der Steuereinbrüche und der Rückgänge bei den Steuereinnahmen, wie es sie im Moment konjunkturbedingter Art gibt,hinaus in allen öffentlichen Haushalten strukturelle Probleme gibt, die nicht allein mit der Wirtschaftskrise zu erklären sind. Sie sind auch darauf zurückzuführen, können aber damit alleine nicht erklärt werden.

Aber jedes Mal, wenn wir hier in irgendeiner Form über strukturelle Veränderungen und über strukturelle Eingriffe reden wollen, reagiert die Opposition reflexartig in gleicher Art und Weise. Wenn im Werra-Meißner-Kreis unter Umständen einmal zwischen 12 und 2 Uhr nachts eine Polizeistation nicht besetzt ist, organisieren Sie uns hier am nächsten Tag die Aktuelle Stunde.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wenn in Hesseneck eine Grundschule mit 25 Schülern dann doch irgendwann einmal geschlossen werden muss, überziehen Sie uns im Kulturpolitischen Ausschuss mit Berichtsanträgen. Das wird uns nachher noch einholen: Wenn wir von dieser Stelle aus finanzpolitisch verantwortungsvoll über die Altersteilzeit in diesem Land reden wollen, sind Sie die Ersten, die Massenproteste auf dem Marktplatz organisieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Das ist die Art und Weise, wie Sie mit der Frage der strukturellen Defizite und mit der Frage umgehen, wie man diesen Haushalt strukturell in den Griff bekommen kann. Das ist aber sicherlich kein Beitrag, der uns in irgendeiner Form bei der Problemlösung weiterhelfen wird.

Zu dieser strukturellen Frage grundsätzlicher Art gehört eben auch, wie es um die Finanzierungsverbünde zwischen Bund, Ländern und Kommunen bestellt ist. Zu dieser strukturellen Frage gehört eben auch: Sind der Länderfinanzausgleich – auf den will ich gar nicht so stark fokussieren, denn er ist nicht Thema dieses Entschließungsantrags – und der Kommunale Finanzausgleich in ihren derzeitigen Ausgestaltungen überhaupt noch angemessen? Berücksichtigt der Kommunale Finanzausgleich noch in ausreichendem Maß nicht nur die unterschiedliche Leistungsfähigkeit und die unterschiedlichen Aufgaben der Kommunen, sondern auch die Frage, welche Ebene in Hessen im Moment welche Aufgabe erbringt?

Wir haben das beim Thema Mindestverordnung hier schon hinreichend diskutiert:Allein durch die Konnexität sind wir doch schon lange in eine Systematik geraten, dass das, was ursprünglich einmal kommunale Aufgabe war, aufgrund von Regelungen durch das Land von diesem auch ein Stück weit zu finanzieren ist.Auch das muss Berücksichtigung und Eingang in die Beantwortung der Frage finden, wie der Kommunale Finanzausgleich zukünftig organisiert wird.

Eines muss uns allen doch auch klar sein.Auch da besteht Einigkeit. Jeder Euro, den wir verteilen, jeder Euro aus Steuereinnahmen, der in die Finanzsysteme sowohl auf Bundes- als auch auf Länder- und kommunaler Ebene einfließt, kann nur einmal ausgegeben werden. Es ist immer derselbe Euro aus Steuereinnahmen, der in die Fi

nanzverbundsysteme gegeben wird. Es sind eben nicht drei Euro, also nicht auf jeder Ebene einer. Das wäre natürlich schöner. Dem Finanzminister würde das gefallen.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen brauchen wir in der Tat beim Kommunalen Finanzausgleich eine Veränderung insgesamt.

Alle in diesem Haus wissen das: Es gibt eine Arbeitsgruppe, die sich im Moment sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, welche neuen Lösungen es für diese Probleme gibt.

Welche Ansätze kann es geben, den stärkeren Fokus – die Kollegin von den GRÜNEN hat es schon gesagt – auf die zentralörtlichen Funktionen einzelner Kommunen zu legen, weil damit im Regelfall auch erhöhter Aufwand verbunden ist? All das soll und muss sicherlich mit den Kommunen diskutiert werden.Aber dass es zu einer Veränderung kommen muss und kommen wird, zu einer Veränderung, die den erhöhten Aufwendungen und Belastungen des Landes Rechnung trägt, ist in unser aller Gesamtverantwortung als denjenigen, so wie wir hier sitzen, die für den Landeshaushalt originär und nur für den Landeshaushalt Verantwortung tragen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist anders!)

Daran sollten wir tunlichst gemeinsam und nicht auf diese Art und Weise arbeiten. Wir wissen, ich bin mir sicher, dass der Finanzminister das entsprechende Angebot an die kommunale Familie aufrechterhält, diesen Dialog zu suchen.Wir werden aber schon heute – das gehört zur soliden Planung – in der Finanzplanung abbilden, was wir von der kommunalen Familie erwarten. Wir wollen deutlich zeigen: So, wie es bisher gegangen ist, kann es an dieser Stelle nicht weitergehen.

Wir brauchen eine Veränderung, die auch qualifizierbar ist. Wenn das Land in der Lage sein und bleiben soll, die Aufgabenerfüllung aufrechtzuerhalten, die sie alle von uns erwarten, nämlich in den Bereichen der inneren Sicherheit, Schule und Bildung, Hochschule, dann brauchen wir auch eine adäquate Finanzausstattung. Dann brauchen wir hinreichende finanzielle Ressourcen, die bei uns als Land verbleiben, damit wir sie für diese unsere originären Aufgaben ausgeben können.

Solange dies im Moment nicht mehr der Fall und nicht mehr gesichert ist,muss man nötigenfalls auch streitig den Diskurs und den Dialog mit den anderen Ebenen suchen – sowohl mit den anderen Bundesländern, was den Länderfinanzausgleich angeht, als auch mit der kommunalen Familie in Hessen über die Frage, wie neue Strukturen sinnvoll organisiert und aufgebaut werden können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Insoweit setzt der Antrag von CDU und FDP an dieser Stelle das richtige Zeichen. Insoweit hat auch der Staatsminister der Finanzen das richtige Zeichen gesetzt, indem er deutlich gemacht hat:Wir werden diese Verhandlungen führen. Wir werden sie hart und nötigenfalls auch streitig führen.

Trotzdem bin ich und sind wir als Fraktion davon überzeugt, dass es am Ende zu einer konsensualen Lösung kommen wird, die allen Interessen – sowohl der Kommunen als auch des Landes Hessen – gerecht werden wird. Wir setzen Vertrauen in die Verhandlungsfähigkeit von Finanzminister Karlheinz Weimar.

In diesem Sinne werden wir unserem Antrag zustimmen. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, aber Ihr Antrag, auch mit den in Teilen sicherlich sinnvollen Änderungen der GRÜNEN, Frau Kollegin, den Kommunalen Finanzausgleich in einem Satz reformieren zu wollen, ist doch etwas zu kurz gegriffen.

An der Stelle bin ich auf die Diskussion sehr gespannt, die wir gemeinsam führen müssen, wenn die KFA-Reform wirklich ansteht. Ich glaube, dass alle Fraktionen hier im Hause dazu wesentliche Beiträge einbringen können und werden. Zumindest bei den GRÜNEN bin ich mir sicher, dass das so sein wird.Die Diskussion sollten wir dann aber an dieser Stelle führen.

Frau Kollegin Enslin,deshalb heute keine Zustimmung zu diesem Antrag, aber das Angebot, offen und konstruktiv mit Ihnen gemeinsam über die Frage der Reformierung des KFA in Zukunft zu diskutieren. – Herzlichen Dank.