Protokoll der Sitzung vom 08.07.2009

Herr Beuth hat sehr ausführlich über die Bildungspolitik diskutiert und deutlich gemacht, dass die CDU-Fraktion nichts verstanden hat. Herr Beuth, Sie haben hier erklärt: Wir haben doch so viel Gutes in der Bildungspolitik gemacht.

(Peter Beuth (CDU): So ist es!)

Sie haben bis heute nicht verstanden, dass Sie 2008 die Quittung für das bekommen haben, was Sie in der Schulpolitik gemacht haben.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehen Sie mal das Wahlergebnis 2009!)

Ich will einmal Herrn Irmer vom vergangenen Jahr zitieren. Ich kann es jetzt leider nicht wörtlich.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sinngemäß, ich verstehe das auch so!)

Er hat in der Diskussion über einen neuen Stil gesagt:Wir haben in der Bildungspolitik Fehler gemacht.Wir sind bereit, mit Ihnen gemeinsam an diesen Fehlern zu arbeiten.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Das haben wir auch gemacht!)

Das hat genau so lange gedauert, bis Sie wieder die Mehrheit im Landtag hatten. Herr Irmer, dann war es vorbei mit dem neuen Stil.

(Peter Beuth (CDU): Das stimmt doch gar nicht!)

Das zeigen die Beratungen über das Schulgesetz, das wir gestern verabschiedet haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben sich in unnachahmlicher Ignoranz über das hinweggesetzt, was in der Anhörung von allen Beteiligten gesagt worden ist. Wir hatten gestern noch eine Diskussion im Ausschuss. Ich musste mir von den Koalitionsfraktionen anhören, es sei albern – das meinte Herr Irmer –, dass

wir überhaupt noch darüber reden. Man wisse ohnehin, wie das Ergebnis der Abstimmungen sei. – Wenn das Ihre Auseinandersetzung mit Argumenten von Anzuhörenden und der Oppositionsfraktionen in diesem Hause ist,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Unfug, Sie wissen doch genau, was Sache war!)

dann sind wir wahrlich auf einem sehr schlechten Weg in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will als zweites Beispiel noch die Härtefallkommission aufgreifen. Auch zu der hat Herr Beuth zumindest versucht, etwas zu sagen. Sie haben in der Geschichte etwas spät angefangen.

(Günter Rudolph (SPD): So ist es nämlich!)

Sie haben dort angefangen, wo im vergangenen Jahr endlich eine Härtefallkommission zustande gekommen ist, die unabhängig von den parlamentarischen Mehrheiten in diesem Hause ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben vergessen, dazu zu sagen, dass damals bei der ursprünglichen Einrichtung der Härtefallkommission weder Argumente der Opposition noch die Argumente der Flüchtlingsverbände und der Kirchen gehört wurden.Alle haben Ihnen davon abgeraten, die Kommission in der Form zu besetzen, wie Sie es dann getan haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch damals war nichts davon zu spüren, dass man Argumente aufnimmt. Die hört man offensichtlich erst, wenn man in die Minderheit gerät. Das ist ein politisches Armutszeugnis, Herr Beuth.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann mich eigentlich nur dem Wunsch von Herrn AlWazir anschließen: Wir haben eine lange Sommerpause vor uns. Sie haben in den letzten vier Monaten eine ganze Menge angehäuft, was nicht dazu beiträgt, dass die Stimmung in diesem Land besser wird. Deswegen sollten Sie sich in den Sommerferien einmal damit auseinandersetzen,wie Sie hier auch gemeinsam mit der Opposition konstruktive Beiträge leisten können, die Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern aufgreifen können, zum Wohle dieses Landes und weniger zum Wohle Ihrer eigenen politischen Ideologie. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Habermann. – Als Nächste hat Frau Wissler das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Ich habe in der Vergangenheit gute Entscheidungen getroffen, und ich habe in der Zukunft gute Entscheidungen getroffen.“ Dieser bemerkenswerte Satz stammt von George W.

Bush, und er könnte auch das Motto der Hessischen Landesregierung sein.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fünf Monate ist Ihre Pleiten-Pech-und-Pannen-Regierung jetzt im Amt: von sich überzeugt, erhaben über jeden Selbstzweifel – und das völlig ohne Grund. Die Bilanz ist fatal. Eine Peinlichkeit folgt der nächsten, und das inmitten der tiefsten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren.

Sie regieren gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Ihre Regierung ist nicht nur unfähig, sie ist vor allem bösartig.

(Widerspruch bei der CDU – Gegenruf des Abg. René Rock (FDP): Das gehört zum politischen Spiel!)

Sie wollen die Kosten dieser Wirtschaftskrise auf die Mehrheit der Bevölkerung, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Erwerbslosen und Rentner, abwälzen, statt endlich die zur Kasse zu bitten,die in den letzten Jahren die Profiteure des Aufschwungs waren.

(Minister Michael Boddenberg: Jetzt kommt be- stimmt wieder die Reichensteuer!)

Die müssten Sie zur Kasse bitten, aber das wollen Sie nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Regierung legt im Umgang mit der Opposition einen Mangel an Souveränität an den Tag. Das ist aber verständlich; denn wenn Sie anfangen würden, sich mit den Inhalten zu beschäftigen, müssten Sie der Tatsache ins Auge sehen, dass Sie die Mehrheit der Bevölkerung inhaltlich nicht auf Ihrer Seite haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das zeigt sich in der Bildungspolitik, für die Sie im Jahr 2008 abgewählt wurden: Zwei neue Bildungsministerinnen machen dort weiter, wo ihre Vorgänger aufgehört haben. Neue Ideen – Fehlanzeige. Frischer Wind – Fehlanzeige. Stattdessen: alter Mief.

In Ihrer Schulpolitik kommt Ihre ideologische Verbohrtheit voll zur Geltung:der Kampf gegen die integrierte Gesamtschule, die Verhinderung der Ganztagsschule, das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem – das ist Politik von vorgestern.

In Ihrer Schulpolitik sind Sie nicht nur beratungsresistent, viel schlimmer noch:Sie sind erfahrungsresistent.Studien, wissenschaftliche Untersuchungen, Bildungsexperten – von alledem lassen Sie sich nicht beirren auf dem Weg zum Bildungsland Nr. 16.

Lehrer, Eltern und Schüler rebellieren gegen G 8 – die müssen da etwas nicht verstanden haben, so Ihre Meinung. Kaum wagt es die Ministerin, laut über den Schulbesuch der Kinder ohne geregelten Aufenthaltstatus oder die Einführung von islamischem Religionsunterricht nachzudenken – was wahrlich keine revolutionären Ideen sind, sondern in anderen Bundesländern Realität ist –, schon ist der Stahlhelmflügel alarmiert und bekämpft „die liberalen Umtriebe“, ohne nennenswerten Widerstand der Kollegen von der FDP.

(Beifall bei der LINKEN)

Massive Kritik gibt es auch am Herzensprojekt der Kultusministerin – sie ist leider nicht da –: der selbstständigen Schule. Juristische Bedenken, pädagogische Zweifel, Kri

tik von Schulleitern und Lehrern, all das wird weggewischt. Kritische Berichte werden von der liberalen Ministerin zensiert. Karin Wolff lässt grüßen.

Privatschulen werden gefördert, während das staatliche Schulsystem in Hessen chronisch unterfinanziert ist und der Durchschnittsschüler in maroden und überfüllten Klassenzimmern unterrichtet wird.

Sie wollen ein Zweiklassenbildungssystem: Exzellenz für wenige, Schmalspurausbildung für den Rest.

(Minister Michael Boddenberg: Wir wollen drei Klassen!)

„Auslesen statt fördern“ – so hat die GEW, wie ich finde, sehr treffend, Ihre Bildungspolitik bezeichnet.