Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Den Haupt- und Realschulen stellen wir frei, ob sie in der 5. Klasse gemeinsame oder getrennte Eingänge haben. Für uns ist entscheidend, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende in den einzelnen Schulformen einen Abschluss nach landesweit einheitlichen und vergleichbaren Kriterien erwerben können.

Die Hessische Landesregierung wird die Ganztagsbetreuung an Schulen flächendeckend ausbauen. Dabei erhalten alle Schulen von uns ein Angebot. Sie können dann selbst entscheiden, ob sie sich in gebundener, teilgebundener oder offener Form der Ganztagsbetreuung widmen möchten.

Aber wir wissen aus den Untersuchungen und Erfahrungen der letzten Jahre auch: Alle Diskussionen über den schulischen Verlauf können nur dann Wirkung entfalten, wenn wir sehr früh mit der Schaffung gleichmäßiger Ausgangsvoraussetzungen für die Nutzung der Chancen in der Schule beginnen.

Deshalb wollen wir uns bereits im Kindergarten ein Bild von den sprachlichen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten der Kinder verschaffen. Wenn Defizite festgestellt werden, wollen wir sie in Chancen wandeln, indem wir frühzeitig Angebote zur individuellen Förderung unterbreiten.

Den Bildungs- und Erziehungsplan, den das Bundesland Hessen und neben ihm Bayern als bisher einzige Länder in der Bundesrepublik entwickelt haben, werden wir flächendeckend umsetzen.Wir werden das letzte Kindergartenjahr zu einem speziellen Schulvorbereitungsjahr entwickeln, um so die Startchancen aller Kinder zu Beginn der Grundschulzeit deutlich zu verbessern. Dieses auch „Kinderschule“ genannte Modell hat zum Ziel, dass spätestens nach dem ersten Grundschuljahr alle Kinder über ein bestimmtes Maß an Fähigkeiten verfügen, um dem Unterricht sowohl vom Wissen als auch von ihren sozialen Bedingungen her wirklich folgen zu können.

Schon vor Eintritt in das letzte Kindergartenjahr werden wir eine erweiterte Schuleingangsprüfung schaffen, auf deren Basis individuelle Förderprogramme entwickelt und den Kindergärten angeboten werden. Standards und Ziele des Schulvorbereitungsjahrs wird die Hessische Landesregierung im Sinne des gemeinsamen Arbeitens nach dem Subsidiaritätsprinzip und auch dem Konnexitätsprinzip, was die Finanzen angeht, mit den Trägern der hessischen Kindergärten entwickeln. Vorlaufkurse und andere bestehende vorschulische Projekte werden wir hierbei in das zu entwickelnde Konzept integrieren.

Vor Eintritt in die Grundschule werden wir dann im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung überprüfen, ob die wesentlichen Förderziele erreicht werden. Diejenigen Kinder, die diese Ziele nicht erreichen, erhalten während des ersten Grundschuljahres weiteren Förderunterricht.

Damit werden Kinder, die am Schulvorbereitungsjahr nicht teilnehmen, weil sie keinen Kindergarten besuchen – das sind in Hessen über alles gerechnet etwa 6 % der Kinder –, ebenfalls in die Förderung einbezogen. Damit schaffen wir optimale Voraussetzungen, um beim Schulstart für alle Kinder gleiche Ausgangsbedingungen zu gewährleisten.

Das ist die zentrale Herausforderung der Veränderung der Politik, die wir im Bildungswesen in diesen fünf Jahren jetzt erreichen wollen. Danach muss der Beginn der Grundschule mit so vielen Maßnahmen der Förderung verbunden gewesen sein, dass beim Start alle die gleiche Ausgangsposition haben und sich dann nach ihren Fähigkeiten, Möglichkeiten, Begabungen – und vielleicht auch ihrem Fleiß – entwickeln, nicht zu einem gleichen Ergebnis, aber zu dem besten Ergebnis, das jeder Einzelne unter fairen Startbedingungen erreichen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

„Vertrauen, Freiheit, Fortschritt“ heißt allerdings auch, dass wir nicht nur über organisatorische Rahmenbedingungen dieser Art reden. Vielmehr wollen wir die Weichen stellen, damit Eltern und Kinder in unserer Gesellschaft Wertschätzung erfahren.

Unter dem Titel „Kinderlachen ist Zukunftsmusik“ wird es eine Bundesratsinitiative geben, die die rechtlichen Rahmenbedingungen absichern wird, damit Kinder in der Öffentlichkeit nicht als Belästigung empfunden werden und dagegen auch nicht geklagt werden kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich weiß, das kann im Einzelfall für Bürger auch eine Belastung sein.Aber wir wollen rechtliche Regeln haben, die ausschließen, dass Spielplätze an Lärmschutzauflagen scheitern. Das wollen wir nicht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Koch, gilt das auch für Tennisplätze?)

Meine Damen und Herren, mit der Einführung einer hessischen Familienkarte nach dem Vorbild der Ehrenamtskarte wollen wir in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Kommunen eine Vielzahl von Vergünstigungen speziell für Familien ermöglichen.

Wir werden darüber hinaus ein hessisches Kinderförderungsgesetz vorlegen,um sämtliche Maßnahmen und Fördermöglichkeiten für Kinder in Tagesstätten und in der Tagespflege zu bündeln.

Die Erfüllung des Kinderwunsches und die Ausübung des Berufs dürfen einander nicht im Wege stehen. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf baut die Hessische Landesregierung das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren weiter entschlossen aus. Wir haben dabei eine gute Ausgangsposition, denn in den letzten Jahren ist die Steigerungsrate der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren in keinem westlichen Bundesland so hoch wie in Hessen.

(Reinhard Kahl (SPD): Wir liegen noch weit zurück!)

Durch die Einführung eines Bonussystems werden wir deutlich vor Ablauf der Frist im Jahre 2013 – und damit früher als andere Ländern – den vom Bund vorgeschriebenen Betreuungsgrad von 35 % erreicht haben. Wir liegen im Augenblick vorne; und wir werden als Erste die 35 % erreichen.Das ist unser Ziel und Angebot für die Eltern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Bei der Erreichung dieses Ziels gilt auch hier:Die Freiheit der Bürger,sich selbst zu entscheiden,welchen Weg sie gehen wollen,steht an erster Stelle.Wir geben den Eltern die Wahlfreiheit. Dafür werden wir die Einführung von Betreuungsgutscheinen erproben, mit denen die Eltern selbst entscheiden können, in welcher Einrichtung und in welcher Form sie ihr Kind betreuen lassen. Wir glauben, dass wir damit für Kinder und junge Menschen in Schule, Ausbildung und Betreuung die guten Voraussetzungen schaffen, die unser Bundesland braucht, um am Ende auch den wirtschaftlichen Erfolg mit einer Generation von gut ausgebildeten jungen Menschen untermauern und entwickeln zu können. Hessen soll auch in Zukunft ein Land sein, auf das man achtet. Wir wollen niemanden in einen Wettbewerb drängen.Wir haben den großen Ehrgeiz, in diesem Land eine gute Kinder-, Jugend- und Bildungspolitik zu erreichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,CDU und FDP treten entschlossen für den Schutz individueller Freiheiten sowie der Privatsphäre ein. Der Eingriff in solche Rechte darf nur in besonderen Fällen und unter strengsten gesetzlichen Auflagen erfolgen. Dabei geht es permanent darum, die richtige Balance zwischen individuellen Freiheitsrechten auf der einen Seite und dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung auf der anderen Seite zu finden.

CDU und FDP treten für einen starken Rechtsstaat ein, der zum Schutz vor Kriminalität und Terrorismus über eine modern ausgestattete Polizei und eine leistungsfähige Justiz verfügt. Wir werden noch in diesem Jahr 550 neue Polizeianwärter einstellen und während der gesamten Legislaturperiode durch unsere Einstellungspolitik dafür sorgen, dass das hohe Stellenniveau bei der Polizei aufrechterhalten wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Ru- dolph (SPD): Das ist ja lächerlich!)

Noch im Jahre 2009 werden wir zusätzlich 150 Stellen für Wachpolizisten und 200 Angestelltenstellen schaffen. Die technische Ausstattung unserer Polizei wird weiterhin auf dem modernsten Stand in der Bundesrepublik Deutschland bleiben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zu diesem modernen Standard gehört dann eben auch, dass wir die hessische Polizei mit modernen Mitteln zur Verbrechensbekämpfung ausstatten. Dazu gehören das Register für Sexualstraftäter, die Nutzung von Mautdaten in Fällen besonders schwerer Straftaten, die Schleierfahndung sowie eine entschlossene Bekämpfung der Internetkriminalität.Wir werden sicherstellen, dass die bislang bereits unter ganz engen Voraussetzungen zulässigen Kommunikationsüberwachungen auch im Zeitalter des Internets gewährleistet bleiben. Soweit Kommunikationsmedien auch Informationen enthalten, die nicht der Kommunikation dienen, werden wir deren Überwachung oder Ausforschung auch in Zukunft ausschließen.

Wir haben in Hessen schon bisher enorme Anstrengungen unternommen, um Kriminalität und insbesondere Gewaltkriminalität zu verhindern. Wir setzen dabei auf den Dreiklang von Prävention, konsequenter Strafverfolgung und Opferschutz. Vorrang hat hierbei die Prävention. Es muss das Ziel aller Bemühungen sein, dass es erst gar nicht zu einer Straftat kommt. Im Bereich der Prävention sind wir im bundesweiten Vergleich hervorragend aufgestellt. Zahlreiche Präventionsprojekte in den Regionen und unter dem Dach des Netzwerks gegen Gewalt belegen dies.

Die hessische Polizei setzt derzeit eine Präventionsoffensive um, bei der unter anderem das Netzwerk gegen Gewalt regionale Geschäftsstellen erhält und ein Präventionsatlas online zur Verfügung gestellt wird. Diese Netzwerker werden bei Kommunen und Landkreisen dafür werben, das Zivilcourage-Programm „Gewalt – Sehen – Helfen“ einzuführen.Wir wollen näher an den Menschen sein und ein Netz der Aktiven knüpfen, bei dem gerade in der Gewaltprävention das ehrenamtliche Engagement noch stärker in den Mittelpunkt geraten muss, als das in der Vergangenheit der Fall war.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, sicherlich wird in diesem Hause die Diskussion über die Jugendkriminalität einen besonderen Stellenwert behalten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da sind Sie Experten!)

Deshalb sage ich auch hier – es gibt doch ein paar Erwartungen, die ich erfüllen kann –: Die bereits begonnene Einrichtung von Häusern des Jugendrechts in FrankfurtHöchst und Wiesbaden werden wir mit den kommunal Verantwortlichen konsequent umsetzen. Beide Einrichtungen werden spätestens im Jahr 2010 ihre Arbeit aufnehmen können. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse werden wir im Jahr 2012 über die Einrichtung weiterer Häuser des Jugendrechts entscheiden.

Wir werden außerdem eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafsachen in Frankfurt einrichten, um Unregelmäßigkeiten bei Börsenhandel, Korruption und Geldwäsche zur Strafe zu bringen und Investoren besser zu schützen.

(Norbert Schmitt (SPD): Das wird auch Zeit!)

Der Verfassungsschutz stellt für die Hessische Landesregierung einen wesentlichen Baustein unserer Sicherheitsarchitektur dar. Er ist – auch das haben die Ereignisse gerade in den letzten Tagen immer wieder bewiesen – ein unverzichtbares Frühwarnsystem unserer Demokratie, der mit wachen Augen nach rechts und links schauen muss, um Feinde der Demokratie aufzuspüren, sie offen

zulegen und dafür zu sorgen, dass die demokratische Struktur unseres Landes unangefochten erhalten bleibt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dazu gehört auch, dass wir die operative Leistungsfähigkeit des Verfassungsschutzes weiter ausbauen und auch das organisatorische und personelle Konzept verstärken werden.

Grundsätzlich gilt:Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif.Die Freiheit ist immer verbunden mit der Übernahme von Verantwortung für sich und andere – einer moralischen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, künftigen Generationen, der Umwelt und – für gläubige Menschen – auch vor Gott.

Wir, die Koalitionspartner aus CDU und FDP, sind der Auffassung, dass eine solche Freiheit ihren vollen Wert erst dann entfaltet,wenn sie mit Verantwortung und in Solidarität gegenüber dem Gemeinwesen ausgeübt wird. Gerade in solchen Krisenzeiten ist diese Solidarität eine wichtige Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit unserer Gesellschaft.

Wir sind sehr stolz darauf, dass es in unserem Land eine sehr lebendige Kultur des Miteinanders gibt und dass es Millionen Menschen unter uns gibt, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagieren: in sozialen Einrichtungen und Verbänden, in den freiwilligen Feuerwehren, im Katastrophenschutz, in den Kirchengemeinden, im Musikverein oder in den zahlreichen Sportorganisationen unseres Landes. Hessen ist neben Baden-Württemberg das Land, in dem sich prozentual die meisten Menschen ehrenamtlich engagieren.

Die Hessische Landesregierung wird dieses bürgerschaftliche Engagement auch in Zukunft fördern. Gerade im Hinblick auf die Veränderung unserer Demografie ist es unausweichlich, dass Menschen einander aus Freundschaft, Solidarität und Nächstenliebe helfen – und nicht ausschließlich,weil sie dafür bezahlt werden.Diese Kultur des Miteinanders gilt in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Wir wollen sie weiter stärken: in der Jugend- und Seniorenpolitik, der Integration und im freundschaftlichen Umgang mit Menschen anderer Kulturen und Religionen.

Die Geschichte unseres Bundeslandes Hessen seit seiner Neugründung 1945 ist reich an Beispielen, in denen Menschen unterschiedlichster Herkunft dieses Land mitgestaltet und auf ihre Weise bereichert haben. Allein die großartige Aufbauleistung nach dem Krieg wäre ohne das Engagement und das Anpacken von Hunderttausenden Vertriebenen undenkbar gewesen, die in Hessen ihre neue Heimat gefunden haben, die wir nach wie vor sehr gern in unserem Lande haben und die wir auch mit ihrer kulturellen Identität in ihren Besonderheiten bewahren wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, die sehr enge Zusammenarbeit zwischen den Vertriebenenverbänden und der Hessischen Landesregierung wird auch in Zukunft dadurch organisiert werden, dass wir einen Landesbeauftragten oder eine Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler benennen werden.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))