Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

Wir haben deshalb parallel und in enger Verknüpfung zu all den wirtschaftspolitischen Aktivitäten,über die ich bisher gesprochen habe, einen breiten gesellschaftlichen Dialog gestaltet, um eine Nachhaltigkeitsstrategie für unser Land auszuarbeiten. Die von der Nachhaltigkeitskonferenz beschlossenen Maßnahmen und Projekte werden zu bemerkenswerten Veränderungen etwa beim Energiemanagement, dem Landschaftsverbrauch und dem entsprechenden bürgerschaftlichen Engagement führen. Wir laden alle Bürgerinnen und Bürger Hessens ein, sich in diesen Prozess einzubringen und mit Anregungen und eigenen Initiativen daran zu beteiligen.

Hinsichtlich der konkreten Energiepolitik wird die Hessische Landesregierung mit dieser Legislaturperiode eine strategische Neuausrichtung vornehmen. Sämtliche energiepolitisch relevanten Bereiche sind nunmehr in einem einzigen Ministerium gebündelt, das nicht nur diese Zuständigkeit hat, sondern auch diesen Begriff im Namen hat. Die Nutzung moderner Technologien, ein schonender Umgang mit Ressourcen und ein ausgewogener Energiemix stehen im Mittelpunkt unserer Anstrengungen.

Das Programm „Energie 2020“, das sich damit beschäftigt, die Nutzung erneuerbarer Energien in Hessen deutlich auszubauen, wird ein wichtiger Baustein der Politik dieser Landesregierung der kommenden Jahre sein. Es hat zum Ziel, dass bis zum Jahr 2020 insgesamt 20 % des Endenergieverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Wir werden dabei konkrete Beiträge zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Nutzung erneuerbarer Energien realisieren. Dabei werden wir in dem Programm auch sehr konkrete Auskünfte über die Kosten der einzelnen Maßnahmen geben.

Eines bleibt dabei klar: In einem Mittelgebirgsland mit nur bedingt guten Voraussetzungen für viele regenerative Energien von der Wasserkraft bis zum Wind wird die Kombination der Schaffung wirtschaftlicher Voraussetzung für die Nutzung alternativer Energieformen und die Nutzung jedes Einsparpotenzials und Minimalisierungspotenzials beim Energieverbrauch eine entscheidende Rolle spielen.

Wer die 20 % erreichen will, darf nicht nur von der einen Seite rechnen, sondern der muss gleichzeitig von Energiebedarf und von neuen Formen der Energieproduktion ausgehen. Deshalb sind Wärmedämmung und der Ausbau dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung wichtige Beiträge zu dieser Energieeffizienz,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut!)

die durch „Modellregionen für erneuerbare Energien und Klimaschutz“ ergänzt werden, in denen wir unterschiedliche Konzepte zur Energieerzeugung und -einsparung in der Praxis erproben werden, z. B. im Bereich der Nahwärmenetze, aber eben auch mit der Möglichkeit, in solchen Modellregionen gemeinsam Solarparks oder Blockheizkraftwerke in Verbundsystemen für eine dauerhafte und kontinuierliche Energieversorgung zu schaffen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo steht es denn im Konjunkturprogramm?)

Meine Damen und Herren, im Rahmen unserer Forschungsförderung werden wir allerdings auch dazu beitragen wollen und müssen,dass sich das führende Know-how hessischer Wissenschaftseinrichtungen auf dem Gebiet der Solarenergie, der Brennstoffzellentechnologie oder der nachwachsenden Rohstoffe ständig erweitert.

Die konkreten Folgen des Klimawandels in Hessen müssen wir einschätzen und beschreiben können, um auch die Chance zu haben,abzuwägen,welche Kosten,über die wir offen miteinander sprechen, aufgewendet werden müssen, um welche konkreten Folgen abzuwenden. Deshalb wird das Fachzentrum für Klimawandel auf der Seite der Analyse ebenso ausgebaut wie das Kompetenzzentrum Hessen-Rohstoffe, das wir als eine zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle für die energetische und stoffliche Nutzung von Biomasse deutlich verstärken wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,wir halten auch am Ziel einer CO2-neutralen Landesverwaltung, wie es in der Nachhaltigkeitsstrategie vereinbart ist, fest. Wir wissen, dass der Einsatz von Ökostrom oder die Steigerung der Energieeffizienz in den Liegenschaften des Landes, wie es z. B. in das HEUREKA-Programm heute schon integriert ist, ein wesentlicher Baustein dafür ist. Wir werden damit das Unsrige für eine umweltschonende Politik beitragen.

Damit keine falschen Erwartungen geweckt werden und damit die Auseinandersetzung in den Punkten auch in der Klarheit weitergeführt wird,will ich allerdings auch sagen: Dies sind Beiträge in eine Entwicklung für eine längere Zeit der Veränderung unserer Wirtschaftsgesellschaft. 20 % des Energieverbrauchs im Jahre 2020 bereitzustellen ist ein erreichbares, aber kein unambitioniertes Ziel. Diese Möglichkeiten zu schaffen bedeutet zugleich, die übrigen Methoden der Energiegewinnung nicht zu verteufeln. Wir brauchen weiterhin ein Grundangebot an Energieversorgung aus Kohle, Gas und in einer Übergangszeit, die eine längere Zeit dauern wird, auch von Kernenergie.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir fordern auch die Opposition auf, aufzuhören, in einer Schwarz-Weiß-Diskussion immer wieder das eine gegen das andere zu rechnen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer macht denn das?)

Ja, wir reden darüber, wie wir alternative Energien besser einsetzen können.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das werden wir im Wettbewerb und im Dialog mit Ihnen tun. Das ist nicht der Streit. Ihr Streit ist an dieser Stelle derjenige, ob Sie erst einmal alles ausschalten. Wir haben in den letzten Jahren von Ihnen Diskussionsangebote bekommen, in den nächsten fünf oder zehn Jahren vollständig auf erneuerbare Energie umzusteigen. Sie wussten, als Sie das geschrieben haben, dass das nicht realistisch ist. Für eine Regierung ist es dann auch nicht verantwortlich, auf einer solchen Planung aufzubauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Gehen Sie davon aus, wir haben einen vergleichsweise großen Ehrgeiz, in der Öffentlichkeit zu beweisen, dass beides zu vereinbaren ist, nämlich die verantwortliche Fürsorge und den verantwortlichen Umgang mit unseren Umweltressourcen und gleichzeitig den Wohlstand durch zusätzliche Arbeitsplätze in einer Region, die als Verkehrsknotenpunkt auch besondere Herausforderungen an ihre Wirtschaftstätigkeiten erfüllen wird, zu kombinieren. Nur wenn wir beides schaffen, werden wir das Vertrauen der Menschen auf Dauer erreichen. Wir werden uns sehr um dieses Vertrauen bemühen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

„Vertrauen, Freiheit, Fortschritt“ – dieser Dreiklang nennt die Impulse, mit denen Hessen auch in Zukunft nach unserer Überzeugung ein modernes und wohlhabendes Land sein wird, ein Land, in dem die Bürgerinnen und Bürger große Freiheiten genießen, in dem die Menschen aber auch füreinander einstehen und gemeinsam Projekte anpacken.

„Vertrauen, Freiheit, Fortschritt“ – das kann für Hessen auch die Zukunft als ein Land bedeuten, das eine hohe Lebensqualität und eine saubere Umwelt hat. In diesem Land werden kommende Generationen nach unserer Überzeugung gerne wohnen und arbeiten. Es wird an der Spitze der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung stehen. Und es erhält eine Chance, diese Entwicklung auch in dem Tempo mitzubestimmen.

Dabei sind wir nicht angetreten, um eine Gesellschaft nach einem einmal vorgefassten und vorgemeißelten Ideal einfach zu gestalten.Wir sehen die Aufgabe der Politik nicht darin, jedes Detail von Gesellschaft zu planen und zu entwickeln und über den Menschen auszuschütten, sondern Aufgabe des Staates ist es, den Rahmen zu setzen, innerhalb dessen sich jeder frei entscheiden und entfalten kann.

Die kreative Vielfalt, dass wir gerade nicht jedem sagen, was er machen soll, dass wir nicht versuchen, alles im Detail zu regulieren, wie er gesellschaftlich wünschenswerte Ziele erreichen kann, trägt dazu bei, dass es schneller geht, dass es den Menschen mehr Spaß macht und dass es am Ende sogar volkswirtschaftlich sehr viel weniger Kosten auslöst. Wir wollen nicht durch Zwangsbeglückung und staatliche Vorgaben glänzen, sondern durch die Fähigkeit, den Menschen einen stabilen Rahmen zu geben, in dem sie selbst entscheiden, was sie für richtig halten und was sie gestalten wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das hat z. B. konkrete Auswirkung auf die Schulpolitik. CDU und FDP wollen mit dieser Landesregierung die selbstständige Schule schaffen. Bereits die Entscheidung darüber, ob eine Schule eine weitgehende Selbstständigkeit wünscht und dahin entlassen werden will, ist in dieser Wahlperiode ein Akt der freien Entscheidung von Schule und Schulträger.

Selbstständige Schulen werden ihr Gesicht verändern. Sie erhalten Personalverantwortung und Budgethoheit. Sie können von ihrem Budget nach eigenem Ermessen Lehrer, Vertretungspersonal, Schulpsychologen oder Sozialpädagogen in ihrer konkreten Bedarfssituation einstellen. Der Schulleiter erhält die Autorität, im Namen seiner Schule einen Scheck auszustellen, Rechnungen zu bezahlen, ohne zuvor den Genehmigungsstempel der Schulverwaltung einholen zu müssen. Mit der selbstständigen Schule gibt es eine neue Kultur der Eigenverantwortung und auch eine Chance, dass sich Schulen ihr eigenes Profil in Verantwortung gegenüber dem Land und den Kindern geben können.

Meine Damen und Herren, das hat sicherlich viel an Veränderungen zur Folge. Wir wissen aus den Diskussionen der letzten Jahre, dass die Möglichkeit, selbst entscheiden zu können, bei manchen auch das Risiko aufkommen lässt, diese Entscheidungen sehr viel direkter selbst verantworten zu müssen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Und das wollen wir. Wir wollen, dass die dezentrale Verantwortung auch mit den Chancen und Risiken gelebt wird, die dabei entstehen.

Vieles wird sich in Zukunft direkter zwischen Schulleitern, Lehrern, Eltern und Schülern regeln lassen. Vieles wird schneller und besser gehen, als wenn es in Staatlichen Schulämtern oder gar der Landeshauptstadt geregelt wird. Ich füge an: Es wird eine gewaltige Aufgabe sein, angesichts einer oft in Jahrhundertdimensionen tradierten Verwaltungsstruktur und aller Regeln, die wir vom Parlament im Land über Parlamente in den Kommunen dahin bringen müssen, alle bereit zu sein, ein Stück der Verantwortung, die sie bisher bei sich sehen, an diese Schulgemeinde abzugeben, die ihre eigene Verantwortung haben wird.

Es wird manche Debatte über Gesetzgebung und Rechtsverordnungen bis hin zum Rechnungshof geben, die hinter diesem Projekt der selbstständigen Schule stehen. Aber wir haben uns entschieden.Wir glauben, die Zeit ist

reif, eine solche Veränderung durchzusetzen. Wir haben auch die Kraft und die Entschlossenheit, das zu verwirklichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Zu diesem Gedanken der Freiheit gehört auch, die Wahlfreiheit der kooperativen Gesamtschulen – ob sie die verkürzte Gymnasialausbildungszeit nach G 8 einführen oder nicht – bestehen zu lassen.Wir versuchen, die im vergangenen Jahr eingeleiteten Überarbeitungen, die von einer breiten Mehrheit im Hessischen Landtag unterstützt worden sind, im Konsens mit allen Beteiligten fortzusetzen. Für G 8 wird es klare Bildungsstandards geben.

Für viele Eltern, Lehrer und Schüler sind die Personalausstattung und die daraus entstehenden Kennzahlen oft die entscheidende Frage der Bildungspolitik. Das sind sie allein nicht, aber sie sind wichtig.

Deshalb sagen wir auch: Wir werden 2.500 zusätzliche Stellen in den Schulen schaffen.Die Schulen erhalten eine Zuweisung von Lehrerstellen im Umfang von durchschnittlich 105 %. 20 % davon werden als Geldmittel zur freien Verfügung stehen. Das ist die logische Konsequenz der selbstständigen Schule. Selbstverantwortung ist nur sinnvoll, wenn wir den Rahmen dafür schaffen. Schon bei dieser Regelung weiß in Zukunft jede Schulgemeinde, sie hat Entscheidungsfreiheit zur Gestaltung vor Ort, die sie bisher nicht hatte.Wir hoffen, dass diese Chancen genutzt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist eine Tatsache: Heute reden wir nicht mehr über geplanten regulären Unterrichtsausfall, wie das einmal zu früheren Zeiten der Fall war. Als ich hier zum ersten Mal eine Regierungserklärung abgegeben habe und im Jahr 1999 die Regierungsverantwortung von CDU und FDP begonnen hat, lautete die Regel: 90 % ist gleich 100 %. Unsere Regel lautet: 105 % ist gleich 100 %. Meine Damen und Herren, das bedeutet einen erheblichen Wechsel in den Strukturen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Bereits ab dem kommenden Schuljahresbeginn werden die Klassengrößen für alle Eingangsklassen an Grundschulen und weiterführenden Schulen reduziert. In ihrer Koalitionsvereinbarung haben CDU und FDP nachprüfbare genaue Zahlen für die künftigen Klassengrößen festgelegt.

Das heißt:Alle Eltern, deren Kinder mit diesem Schuljahresbeginn in die 1. Klasse oder in die 5. Klasse kommen, wissen, ihre Kinder werden durch das ganze Schulleben hindurch mit niedrigeren Klassengrößen beschult, als das in der Vergangenheit der Fall war.

Das beginnt am 1. August. Das ist nicht irgendeine Theorie, sondern das wird in hessischen Schulen schnell Realität werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Obwohl uns das im Zusammenhang mit allen finanzpolitischen Diskussionen nicht leicht fallen wird, so werden wir auch bei sinkenden Schülerzahlen infolge des demografischen Wandels sämtliche Lehrerstellen in vollem Umfang beibehalten. Das ist eine wesentliche Grundlage dafür, dass wir unser ambitioniertes Programm verwirklichen können.

Über die Personalausstattung hinaus ist ein häufiges Ärgernis in den Diskussionen mit Eltern und Lehrern die

Ausstattung mit den Materialien im Unterricht. Deshalb haben wir uns trotz aller finanziellen Probleme entschlossen, in jedem Jahr dieser Legislaturperiode die Ausgaben für Lernmittel um 40 % auf insgesamt 200 Millionen c zu erhöhen. Damit wollen wir erreichen, dass ein Schulbuch in diesem Land in aller Regel nicht mehr älter als fünf Jahre ist. Meine Damen und Herren, der Atlas aus dem Jahr 1985 gehört zur Geschichte, und dort soll er auch bleiben, aber nicht mehr im Schulunterricht. Das werden wir ändern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir wollen gemeinsam dafür sorgen, dass alle gleiche Chancen auf Bildung haben. Jeder, der hinreichend talentiert ist,soll die Möglichkeit zu einem Hochschulabschluss haben. Aber wir zwingen auch niemanden in ein einseitiges Klischee, wonach nur dies eine gute Ausbildung sei. Wer nicht nach einer Laufbahn als Akademiker strebt, sondern über andere Interessen und Befähigungen verfügt, der soll darin bestärkt werden. Wir haben ein vielgliedriges, durchlässiges Schulsystem. Daran werden wir festhalten.

Jeder in Hessen gemachte Schulabschluss soll junge Menschen dazu befähigen, eine Lehrstelle oder einen Arbeitsplatz zu finden. Die Vielfalt der Talente ist die Stärke unseres Landes. Deshalb wird es mit CDU und FDP gerade im Bildungswesen auch in Zukunft weder Einheitsschulen noch Gleichmacherei geben.