Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

13. Dezember 2002 sagte Jörg-Uwe Hahn vor dem Plenum des Hessischen Landtags:

Nein, meine Damen und Herren, es sind diese Regierungskoalition und der hessische Wirtschaftsminister Dieter Posch, die dafür sorgen, dass das Mediationsergebnis 1 : 1 umgesetzt wird.

(Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört!)

Für uns

Herr Hahn, ich zitiere Sie –

liegen zwei dieser fünf Punkte so eng beisammen, dass sie zu den zwei Seiten einer Medaille geworden sind. Auf der einen Seite der Medaille ist der Ausbau, während sich auf der anderen Seite das Nachtflugverbot befindet.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist alles nachzulesen in der Wortdokumentation!)

Herr Hahn, Sie haben am 13. Dezember 2002 weiter gesagt:

Andersherum formuliert: An dem Tag, an dem die erste Maschine auf der neuen Landebahn landet, gilt ab 23 Uhr ein Nachtflugverbot. Es wird so umgesetzt, wie wir das hier erörtert haben. Da gibt es kein Wenn und Aber.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört!)

Herr Hahn, es gibt noch mehr Zitate. Es gibt ein Plenarprotokoll vom 23. April 2003. Wörtliches Zitat von JörgUwe Hahn:

Für uns gibt es eine „Bibel“... Diese „Bibel“ sind die fünf Punkte des Mediationsergebnisses – und zwar, Herr Kollege Al-Wazir, Herr Kollege Kaufmann, alle fünf Punkte.

... Ich möchte ganz bescheiden anmerken, dass ich das Bild geprägt habe, dass es nur die Münze gibt, die auf der einen Seite den Ausbau des Flughafens und auf der anderen Seite das Nachtflugverbot zeigt. Münzen kann man bekanntlich nicht teilen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ah! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Bei Falschgeld geht das schon! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist jetzt passiert, Herr Hahn? Der Verwaltungsgerichtshof hat Ihnen gesagt: Wenn Sie den Ausbau wollen, müssen Sie für Nachtruhe sorgen. – Was ist Ihre Reaktion darauf? Sie sagen erstens: Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht. Letzte Woche sagten Sie zweitens:Wenn das mich auch noch dazu zwingen sollte, dass ich mein Versprechen einhalten muss, dann kämpfe ich vor dem Bundesverfassungsgericht dafür, dass mein Wort nichts gilt. – Wo sind wir denn, meine Damen und Herren?

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist wirklich einzigartig, dass ein hessischer Justizminister vor dem Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland dafür kämpfen will, dass er sein eigenes Versprechen nicht halten muss. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist einzigartig, dass eine Hessische Landesregierung erwägt, in Revision gegen etwas zu gehen, was sie selbst jahrelang versprochen hat. Es ist wirklich einzig

artig, dass Herr Posch hier sagt: Um Gottes willen, wir könnten selbst entscheiden.

Herr Posch, wenn Sie das umdrehen, heißt das im Umkehrschluss: Sie haben Ihr Versprechen niemals ernst gemeint und haben gehofft, dass es scheitert.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie einen Amtseid geschworen haben, das hessische Volk zu schützen. Sie haben keinen Amtseid geschworen, die Interessen von Lufthansa Cargo zu vertreten, meine sehr verehrten Damen und Herren in der Regierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Was mich so ärgert, ist: Hier sitzen 19 Herren und eine Dame von der FDP. Im Januar haben Sie Wahlkampf geführt und das ganze Land zugeklebt mit „Unser Wort gilt“.

(Zurufe von der SPD)

Herr Blum hat heute immer noch an seinem Porsche den Aufkleber kleben: „Kein Wortbruch in Hessen“. Haben Sie noch ein paar von diesen Aufklebern für uns, Herr Blum? Wir hätten gute Verwendung dafür, wenn wir uns Ihre Politik anschauen.

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Clemens Reif (CDU): Sie sind die „Inkarnation“ des Vertrauens!)

Wir haben einen Antrag eingebracht, und dieser Antrag ist sehr klar. Er sagt: Schluss mit den juristischen Spitzfindigkeiten. – Was wir damit meinen, hat Herr Posch gerade gesagt: Verzicht auf Revision, ergänzendes Planfeststellungsverfahren – so, wie es der Verwaltungsgerichtshof angeregt hat. Dazu können Sie jetzt Ja sagen und damit zeigen, dass Ihr Wort gilt, oder Sie können dazu Nein sagen. Dann ist aber völlig klar, dass das heißt: FDP, unser Wort gilt – nichts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus meiner Sicht ist es so, dass sich der Herr Ministerpräsident sehr intensiv überlegen sollte, ob er diese Linie seiner Landesregierung wirklich bis zum bitteren Ende weiter fahren will. Wir müssen uns überlegen, welche Wirkung das Schauspiel, das wir gerade vonseiten der Regierung erleben, auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik hat, und wir müssen uns auch einmal überlegen, welchen Wert Mediationsverfahren in Zukunft überhaupt noch haben sollen.

Ein Beispiel:Alle, die den inzwischen verstorbenen Mediator Kurt Oeser kannten, wissen, dass er schwere Bedenken hatte, ob er sich auf die Rolle als Mediator einlassen sollte. Alle, die sich ein bisschen auskennen, wissen, dass er im Laufe dieses Verfahrens große Probleme bekommen hat, nicht nur in Mörfelden-Walldorf. Ich hielt seine Zustimmung für den Ausbau für falsch, aber ich weiß sehr genau, dass er damals immer gesagt hat:Wir kriegen dafür etwas, nämlich Ruhe in der Nacht. – Die Skepsis der Ausbaugegner gegenüber der Mediation bestätigt sich leider durch das, was CDU, FDP und Landesregierung hier gerade machen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident, wie wollen Sie eigentlich in Zukunft noch irgendjemanden finden, der vermittelnd tätig wird, wenn Sie nach einer solchen Mediation nichts, aber auch gar

nichts für richtig halten, was dabei herausgekommen ist, und einzig und allein die Interessen der Luftverkehrswirtschaft vertreten? Das darf nicht sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denken Sie bitte an die Zeit.

Ich bin am Schluss meiner Rede, Herr Präsident. – Wir haben hier sehr oft und sehr kontrovers über den Flughafenausbau gestritten. Aus unserer Sicht kann es aber gegenüber der Region, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern im Rhein-Main-Gebiet und mit Blick auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik nicht sein, das man am Ende von den Versprechen, die man Dutzende Male gegeben hat, nichts mehr wissen will. Sie haben heute und hier Gelegenheit, zu zeigen, was Ihre Versprechen wert sind. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Wagner für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Vernünftigen in diesem Lande waren und sind sich darin einig, dass ohne den Ausbau der Frankfurter Flughafen den internationalen Wettbewerb mit den Flughäfen in London, in Paris oder in Amsterdam dauerhaft verlieren wird. Die Folge wäre ein schwerer Schaden für unser Land und unsere Wirtschaft. Eine der wichtigsten Infrastruktureinrichtungen in Deutschland geriete in Gefahr. Nicht nur die Mobilität von Millionen von Menschen würde behindert, auch die Mobilität von Wirtschaftsunternehmen, des Warenverkehrs und des Postverkehrs würde Schaden nehmen. Tausende von Arbeitsplätzen, unmittelbar bei Fraport, und Zehntausende Arbeitsplätze im Umfeld würden verloren gehen. Meine Damen und Herren, ich denke, dass wir uns – mit Ausnahme der GRÜNEN und der LINKEN – bei diesen Feststellungen im Hause einig sind.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Deshalb bin ich sehr zufrieden, dass das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 21.August Rechtssicherheit für den Bau einer weiteren Landebahn geschaffen hat. Der Herr Wirtschaftsminister hat in diesem Zusammenhang sehr klar und deutlich die entscheidenden Passagen des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs zitiert.

Meine Damen und Herren, der Ausbau des Frankfurter Flughafens ist einer der größten wirtschaftspolitischen Erfolge in der Geschichte unseres Landes.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Es geht um private Investitionen in Höhe von 4 Milliarden c und um weitere Investitionen im Umfeld in Höhe

von rund 3 Milliarden c. Es geht um Zehntausende von Arbeitsplätzen. Durch den Ausbau wird die Stellung des Frankfurter Flughafens als internationales Drehkreuz im Luftverkehr zukunftssicher gemacht.

Die Entscheidung des VGH ist auch ein großer Erfolg der Hessischen Landesregierung, die ein riesiges und komplexes Genehmigungsverfahren bewältigt hat. Ich erinnere nur kurz daran: Große Schwierigkeiten und Widerstände mussten überwunden werden, die richtige Landebahnvariante musste gesucht werden, es gab jahrelang Diskussionen hierüber, zahlreiche juristische Hürden mussten genommen werden, es musste ein Anhörungsverfahren mit über 130.000 Einwendungen durchgeführt werden, es kam zu politischem Widerstand und zu sogenannten Waldbesetzungen – mit Unterstützung von Abgeordneten dieses Hauses –, und vieles mehr.

Der nun mögliche Flughafenausbau bedeutet – deshalb verstehe ich die Emotionen bei den GRÜNEN – eine schwere Niederlage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Die GRÜNEN haben den Ausbau des Flughafens von Anfang an verhindern wollen. Das hat sich bis zum heutigen Tage nicht geändert. Ich zitiere den verkehrspolitischen Sprecher der GRÜNEN, Herrn Kaufmann, der noch vor einem Jahr wörtlich Folgendes gesagt hat – wo ist er überhaupt bei dieser wichtigen Debatte? –:

Wir halten den Ausbau des Flughafens Frankfurt mehr denn je für einen schweren Fehler, der die Rhein-Main-Region deutlich mehr schädigt, als dass er irgendjemandem nützt, gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Meine Damen und Herren, so denken die GRÜNEN.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Schäfer-Gümbel, ich muss leider hinzufügen: Ihre SPD-Fraktion hätte ja im letzten Jahr mitgemacht. Ich erinnere nur an den Koalitionsvertrag von Rot und Grün im Jahr 2008.