Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Noch einmal: In knapp 3 % der Fälle wurde das ALG II wegen Pflichtverletzung gekürzt. In 4 % dieser Fälle ist das nicht zu Recht geschehen – um das einordnen zu können.All diese Zahlen sind dem Antragsteller bekannt. Sie sind in der Antwort des Bundessozialministers auf eine Anfrage der LINKEN im Deutschen Bundestag enthalten.

(Zurufe von der CDU:Aha!)

Aus der Beantwortung dieser Anfrage geht auch hervor, aus welchen Gründen und zu welchen Anteilen die Sanktionen verhängt wurden. Bei den 789.000 Sanktionen – 256.000 betrafen unter 25-Jährige, 533.000 über 25-Jährige – wurden in 61 bzw. in 52 % der Fälle die Arbeitslosengelder gekürzt, weil die Betreffenden einen Ge

sprächstermin beim Arbeitsvermittler nicht wahrgenommen hatten.

(Zurufe von der CDU:Aha!)

Die zweithäufigste Ursache dafür – in 13,7 respektive 18,5 % der Fälle, das ist deutlich weniger – war die Weigerung, eine Arbeitsgelegenheit gemäß § 31 aufzunehmen. Wer Sanktionen beim Nichterscheinen des Beziehers grundsätzlich ablehnt,weicht eine erfolgreiche Förderung auf. Förderung und Forderung – sich fördern zu lassen – sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

(Beifall bei der CDU)

Das Nichterscheinen hat für alle Beteiligten negative Folgen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Der Fallmanager wird demotiviert. Einem anderen Arbeitslosen kann die Stelle nur verzögert angeboten werden, und der Arbeitgeber verliert das Vertrauen in das Jobcenter. Das Nichterscheinen führt zu Leistungskürzungen in Höhe von zunächst 10 % des Regelsatzes.

(Zuruf des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wir meinen, das ist angemessen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Genau! Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!)

Sie schreiben, Sanktionen berührten die Unantastbarkeit der Menschenwürde. Wir finden, es berührt die Menschenwürde des Arbeitsuchenden, wenn Sie die persönlichen Fördermaßnahmen auf diese Weise zerstören. Der Antrag ist wirklich kein ernsthafter Beitrag zur Hilfe für Arbeitsuchende, sondern der Versuch, mit Zahlenspielereien und Tricksereien soziale Unruhen auszulösen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, genau! – Willi van Ooyen (DIE LINKE):Wir wären froh, wenn es ein bisschen Bewegung gäbe!)

Das hat die Spitzenkandidatin der hessischen LINKEN vor wenigen Tagen ganz offen als politisch wünschenswert bezeichnet. Parlamentarische Initiativen haben bei Ihnen offensichtlich den Sinn, außerparlamentarische Aktionen PR-mäßig zu initiieren oder zumindest zu begleiten.

(Beifall bei der CDU)

Die Thematisierung sozialer Unruhen erinnert auch stark an die Äußerung von Gesine Schwan, die – wir erinnern uns – vor einigen Monaten für die SPD für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte und so etwas sagte, um Ihre Stimmen, die der LINKEN, zu sichern. Es ist ganz klar: In dieser Denkweise ist überhaupt kein Platz für das Ziel, Arbeitsuchende wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu führen.

Wir sehen dagegen in dem Prinzip „Fordern und Fördern“ einen erfolgreichen Weg, den Menschen nachhaltig zu helfen.

(Beifall bei der CDU)

Besuche und Gespräche in den Jobcentern,ob sie sich nun in Optionskommunen oder in Argen befinden, zeigen, dass Fallmanager und Arbeitsuchende hoch motiviert nach Lösungen suchen.Die Arbeitgeber sehen in den Jobcentern jetzt auch wieder einen Partner, wenn es darum geht, einen geeigneten Bewerber für ihre Stelle zu finden. Das war lange Zeit nicht der Fall. Die Jobcenter sehen in dem Arbeitsuchenden nun einen Kunden, den man zufriedenstellen muss.

(Lachen des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

So fordert etwa das Jobcenter Main-Taunus seine Kunden über das Internet auf, die Arbeit des Fallmanagers nach relevanten Kriterien zu beurteilen, um dies anschließend auswerten zu können.

Es ist unser vordringliches Ziel, den Bestand von Optionskommunen und Argen rechtlich dauerhaft abzusichern. Die qualifizierten Mitarbeiter in den Jobcentern müssen gehalten werden; die Vorurteile des Bundessozialministers in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Optionskommunen müssen abgebaut werden. Das geht wohl nur durch einen Wechsel an der Spitze.

(Axel Wintermeyer (CDU): So ist es!)

Die Kommunen müssen als Partner gesehen werden. Der kleinliche Streit über die Finanzierung der Eingliederungsleistung gemäß § 16 SGB II muss ein Ende haben.

Das Land Hessen wird die erfolgreiche Arbeit der Jobcenter durch Arbeitsmarktprogramme weiter begleiten und unterstützen. Die Hilfen zur Vorbereitung auf eine Ausbildung und zur Förderung der Ausbildung sowie die Arbeitsplatzprogramme werden bedarfsorientiert weiterentwickelt. Wir werden das in den Haushaltsdebatten im Einzelnen erörtern. Betroffene mit mangelnder Sprachkompetenz, Menschen ohne Schulabschluss, Langzeitarbeitslose und Alleinerziehende müssen unsere besondere Aufmerksamkeit bekommen.

Meine Damen und Herren, ich bin gespannt, wie sich die Mitglieder der anderen Fraktionen, insbesondere die der SPD, hier äußern werden: ob sie sich zu den Sanktionen klar bekennen oder ob sie sich dem Bündnis für ein Moratorium anschließen, angeführt von Politikern der LINKEN und unterstützt von der Vorsitzenden der Jugendorganisation der SPD, der Jungsozialisten.

Angesichts des historischen Hintergrunds der Entwicklung der LINKEN als ein Produkt der Abspaltung von der SPD und der Vereinigung mit der PDS sind wir sehr gespannt,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ach, jetzt sind wir gar nicht mehr von der SED!)

ob sie sich hier zu einer eindeutigen Haltung bekennen können. Unsere Haltung ist klar: Die politischen Ebenen – Kommune, Land und Bund – müssen in der Arbeitsmarktpolitik partnerschaftlich zusammenarbeiten. Wir werden wirtschaftlich die Rahmenbedingungen setzen, damit wir, auch an der Zahl der Arbeitsplätze gemessen, nach der Krise am Arbeitsmarkt besser dastehen als vorher.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Nach der Krise ist vor der Krise!)

Ich komme zu den heute eingegangenen Zusatzanträgen der GRÜNEN und der SPD. Sie haben sie bewusst als Dringliche Entschließungsanträge eingereicht. Das heißt, Sie wünschen eine sofortige Entscheidung. Der Antrag der SPD besteht aus einem Fließtext, der zusammenfassend bewertet werden muss. Wir müssen ihn aus den genannten Erwägungen ablehnen.

Auch in dem Antrag der GRÜNEN wird ein Sanktionsmoratorium gefordert. Ich sage:Wenn die Möglichkeiten, Sanktionen zu verhängen, erst einmal unterbrochen werden, ist das ganze System zerstört.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Genau! Das wollen wir nämlich!)

Es ist sehr schwierig, diese Möglichkeiten dann wieder einzuführen.

Der Antrag der Sozialdemokraten hat einen einzigen Sinn: Im letzten Satz soll davon abgelenkt werden, dass Bundessozialminister Scholz ein tiefes Misstrauen gegen ein partnerschaftliches Zusammenarbeiten mit den Kommunen hegt. Alle anderen Punkte sollen dies nur bemänteln.

(Petra Fuhrmann (SPD):Was für ein Unsinn!)

Sicherlich können einige Formulierungen sowohl in dem Antrag der SPD als auch in dem Antrag der GRÜNEN für sich genommen unsere Zustimmung finden.Wir raten Ihnen, Ihre Anträge als normale Anträge in die Ausschussberatung einzubringen. Dann werden wir im Sinne der Betroffenen über jeden einzelnen Punkt beraten und entscheiden.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen nur: Die FDP und wir sind derzeit offensichtlich die einzigen Parteien, die das Fordern und Fördern ohne Wenn und Aber als erfolgreiche Maßnahme zur Lösung der Probleme auf dem Arbeitsmarkt ansehen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Schönen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Rock das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegen heute zu dem Thema Sanktionen drei Anträge vor. Ich möchte kurz etwas zu dem Antrag der SPD sagen. Dieser Antrag ist aus unserer Sicht in vielen Punkten richtig. Er enthält zu vielen Bereichen vernünftige Aussagen.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das ist aber mutig! Die SPD-Anträge sind immer richtig!)

Leider gibt es aber in jedem Abschnitt dieses Antrags einen kleinen Pferdefuß, über den man noch einmal hätte diskutieren müssen. Darum ist es uns heute leider nicht möglich, diesem Antrag in Gänze zuzustimmen.

Aber im Gegensatz zu den beiden anderen Anträgen, die uns heute vorliegen, ist hier kein Aussetzen der Sanktionen gefordert. Man bekennt sich hier immer noch zu Hartz IV und zu den Reformen, die eingeführt worden sind. Das ist für uns schon ein Lob wert, dass die SPD den Mut hat, im Hessischen Landtag doch nicht alles, was einmal auf den Weg gebracht worden ist, negativ hinzustellen.Von daher tut uns das an der Stelle fast leid.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Aber jetzt möchte ich auf die zwei anderen Anträge eingehen, deren Ziel ist: keine Sanktionen mehr für HartzIV-Empfänger. Beide Anträge, der GRÜNEN und der LINKEN, sind sich in diesem zentralen Satz einig. Das verwundert mich ein wenig, gerade wenn man Herrn Bocklet hier schon öfter hat reden hören. Dass er diesen Weg geht, hat mich doch sehr überrascht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Vielleicht am Ende. Ich möchte erst ein bisschen in Fahrt kommen, und dann kann man die Frage noch stellen.