Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich finde es untragbar, dass gerade Herr Riesenhuber auf Platz 2 der CDU-Landesliste für die Bundestagswahl steht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Er trägt die Verantwortung für das, was in seinem Haus passiert ist. Wenn Gutachter beeinflusst werden, indem man ihnen sprichwörtlich Formulierungsvorschläge gibt, wie das Gutachten am Ende auszusehen hat,

(Axel Wintermeyer (CDU): Haben Sie denn Beweise?)

dann ist das nicht in Ordnung. Vom Bundesministerium wurde bestätigt, dass es diese Unterlagen gibt. Das ist Fakt, das können Sie nicht wegreden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben immer darauf gedrungen, dass nach weiteren Endlagerstandorten gesucht wird; denn es muss über einen undenkbar langen Zeitraum sicher gelagert werden. Nun haben wir das Problem, dass Gorleben eben nicht mehr als Endlager für Atommüll geeignet ist, und die Erkenntnis, dass mittlerweile 89 von 255 Salzstöcken abgesoffen sind.

(Zuruf von der CDU)

Asse ist zurzeit ebenfalls abgesoffen, inklusive 28 kg Plutonium, von denen sich niemand erklären kann, wie sie in Asse gelagert werden konnten. Meine Damen und Herren, allein die Sicherung dieses Standorts würde über 4 Milliarden c kosten.

Meine Damen und Herren, über viele Jahre und auch heute noch haben sich unter anderem Frau Bundeskanzlerin Merkel und Frau Schavan immer gegen weitere Standortsuchen ausgesprochen. Eine aktuelle Aussage in der „Financial Times“ lautet:Schavan hält Atomstudie zurück. – Es geht um riskante Energieversorgungsarten. Ich halte es für unerträglich, dass eine Forschungsministerin offensichtlich ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, nach dem Motto:Wie können auch in Deutschland wieder neue Atomkraftwerke gebaut werden? Das ist Fakt, das geht aus diesen Unterlagen hervor.

Was noch viel prekärer ist – in unserem Sinne allerdings –: Darin wird auch auf Untersuchungen von weiteren Standorten Bezug genommen.Man darf nicht an Gorleben festhalten, sondern muss weiter nach sicheren Lagerstätten suchen. Das ist in unserem Sinne, meine Damen und Herren.

Dieses Thema wollte man aber im Wahlkampf nicht haben. Das Gutachten gibt es schon seit Juni, es wird seit Monaten unter Verschluss gehalten. Erst jetzt kommen solche Aussagen heraus. Bei uns besteht der Verdacht,

dass die Atomenergie durch neue Gutachten wieder hoffähig gemacht werden sollte, ohne dass man weiß, wohin der hoch riskante atomare Abfall am Ende soll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, hören Sie endlich auf, den Bürgerinnen und Bürgern Unsinn zu erzählen. Sagen Sie nicht: „Wir brauchen die Atomenergie als Brücke zu den erneuerbaren Energien“, wie es auch Frau Merkel und Frau Lautenschläger in der letzten Zeit immer wieder betont haben. Jeder, der sich mit dieser Technik ein wenig auseinandersetzt,weiß,dass die erneuerbaren Energien in keiner Weise mit der Atomkraft zusammenzubringen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Hier haben sich auch die Atomenergieversorgungsunternehmen verraten. Sie wissen vielleicht, dass E.ON mit dem französischen EdF-Konzern die britische Regierung aufgefordert hat, eine Begrenzung der erneuerbaren Energien vorzunehmen, weil sonst neue Atomkraftwerke nicht wirtschaftlich seien. Das macht ganz klar, dass ein Zubau von erneuerbaren Energien nicht funktioniert, wenn Atomkraftwerke am Netz bleiben und neu geplant werden.

Meine Damen und Herren, wir brauchen flexible Regelenergien.Atomkraftwerke sind nicht flexibel, dort gibt es nur ein An oder ein Aus. Ich erinnere an Lichtblick und VW, die vor Kurzem angekündigt haben, dass es ein „Zuhause-Kraftwerk“ geben wird, d. h. dass im Keller Strom und Wärme erzeugt werden. Es gibt die Biomasse- und Geothermiekraftwerke sowie intelligente Stromnetze mit entsprechenden Speichern und Ausgleichsmechanismen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dafür brauchen wir keine Atomenergie.Diese risikoreiche Energieversorgungsart ist damit absolut obsolet.

Wenn man das Wort Brückentechnologie betrachtet,dann erinnern Sie sich bitte an das Lied „Sur le pont d’Avignon“.Darin wird eine Brücke erwähnt,die mitten im Wasser endet. Wer darauf steht, kommt niemals an das rettende Ufer. Das ist bezeichnend für die Atomenergie, die nicht zukunftsfähig ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Hören Sie endlich damit auf, die Atomkraft als günstig zu bezeichnen, denn sie ist es nicht. Atomkraft kommt uns alle teuer zu stehen. Es gibt jetzt eine neue Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, die im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace erstellt wurde. Dabei wurden beeindruckende Zahlen auf den Tisch gelegt.

Seit den Fünfzigerjahren haben deutsche Regierungen die Atomwirtschaft mit 165 Milliarden c unterstützt, und mit weiteren 92,5 Milliarden c wird bis zum Jahr 2040 gerechnet. Die Bürgerinnen und Bürger zahlen für den vermeintlich günstigen Atomstrom gleich dreimal: über die Stromrechnung, über ihre Steuern und schlussendlich auch über ihre Sicherheit. Mit „günstig“ hat das alles nichts zu tun. Deshalb rate ich Ihnen: Stoppen Sie endlich die ständigen Wiederholungen dieser substanzlosen Behauptung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Erkenntnis, dass der Schutz des Klimas nicht von einem Weiterbetrieb

der risikoreichen Atomkraftwerke abhängt, haben doch immer mehr Menschen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle zusammenfassen. Es gibt keine Endlager für Atommüll, weltweit nicht. Die Pannen in den Atomkraftwerken häufen sich. Das Atomkraftwerk in Biblis zählt zu den ältesten, pannenanfälligsten deutschen Anlagen und ist nicht gegen Flugzeugabsturz gesichert. Die Struktur der atomaren Stromerzeugung verträgt sich nicht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien.

Meine Damen und Herren, nach zehn Jahren Regierungszeit von Roland Koch müssen wir feststellen, dass wir im Länderranking der erneuerbaren Energien ganz unten angekommen sind.Wir haben vieles aufzuholen.Wir werden Sie weiter fordern.

Frau Kollegin Hammann, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Sie kriegen noch eine Geburtstagsminute!)

Lassen Sie mich zum Schluss kommen.Es liegt mir auf der Zunge: Es gab eine Sonderbeilage in der „Welt am Sonntag“,und hier sieht man Frau Lautenschläger mit Inlinern. Frau Lautenschläger kennt das Bild. Man sieht, wie wenig sie die Sicherheitsphilosophie verankert hat. Sie hat nämlich keinen Kopfschutz auf, den trägt sie in den Händen, trotz laufender Fahrt.Wenn diese Sicherheitsphilosophiefür unsere Atomkraftwerke zutrifft, dann gute Nacht, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Eine Empfehlung für Frau Lautenschläger: Setzen Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit das nächste Mal den Helm auf. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann. – Das Wort hat Frau Abg. Hofmann, SPD-Fraktion.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das war für den nächsten Tagesordnungspunkt! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Präsident!)

Sie hat sich hier gemeldet.Von der SPD, die den Antrag gestellt hat, liegt keine Wortmeldung vor.

(Petra Fuhrmann (SPD): Er wollte noch nicht! – Abg. Norbert Schmitt (SPD) begibt sich zum Rednerpult.)

Herr Kollege, es tut mir leid. – Wenn Frau Kollegin Wissler das zulässt, dann lassen wir den Kollegen Schmitt jetzt dran. Ich habe den Antrag nicht gestellt, Sie haben ihn gestellt.

Herr Präsident, wir haben etwas anderes verabredet, aber ich begründe gern unseren Antrag.

Vorab:Wir werden dem Antrag der GRÜNEN selbstverständlich zustimmen. Er trifft in den wesentlichen Inhalten auch unsere Position.

Meine Damen und Herren, ich will unseren Antrag begründen. Dass Biblis A und B derzeit stillliegen und an den Sumpfsieben nachgerüstet werden müssen, ist nur dem energischen Eintreten des Bundesumweltministers Gabriel zu verdanken. Wenn es nach der hessischen Umweltministerin Lautenschläger gegangen wäre, wären beide Atomkraftwerke ohne Nachrüstung längst wieder in Betrieb – und dies trotz des Fehlens von akzeptablen Sicherheitsnachweisen hinsichtlich der Sumpfsiebe. Es war schon einmal Gegenstand der Debatte, dass es dort Probleme gibt, weil es ein sicherheitsrelevanter Bereich ist.Dort wird Kühlmittel angesaugt,und wenn es zu Rohrbrüchen kommt, kann es durchaus sein, dass die Isolation solcher Rohrleitungen die Sumpfsiebe verstopft. Das muss verhindert werden, weil es sonst zu erheblichen Sicherheitsproblemen kommt.

Die Umweltministerin hat gesagt, es sei kein Problem, als RWE den Block B wieder anfahren wollte. Es ist hochinteressant, dass sie sich dann um die Zustimmung des Bundesumweltministers für dieses Wiederanfahren von Block B bemüht hat, obwohl Sie, Frau Ministerin, doch immer darauf gepocht haben, dass das Länderzuständigkeit ist, und obwohl Sie noch vor Kurzem in einer Pressemitteilung gesagt haben, als die Diskussion losging, ob die Atomaufsicht besser bundeseinheitlich oder in den Ländern zu leisten sei – ich zitiere –: „Das könnten wir auf Länderebene schneller, gründlicher und schlicht besser.“

(Ministerin Silke Lautenschläger: Das ist auch rich- tig!)

Ich stelle fest, zumindest Frau Lautenschläger und die hessische Atomaufsicht können es weder schneller noch besser, noch sicherheitsrelevanter, sondern genau das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind froh, dass der Bundesumweltminister dieser Atomaufsicht in Hessen in den Arm gefallen ist und gesagt hat, so geht es nicht. Denn es kann nicht sein, dass in Hessen das gemacht wird, was RWE beantragt, und man zu willfährigen Erfüllungsgehilfen der Atomindustrie und der Atomlobby wird. Da ist Gott sei Dank Bundesumweltminister Gabriel Frau Lautenschläger in die Parade gefahren.

Die Notwendigkeit, dass an den Sumpfsieben etwas getan werden muss, ist doch völlig unbestritten. Bei Biblis B wird etwas getan, und jetzt ist erklärt worden, dass auch bei Biblis A nachgerüstet wird. Frau Ministerin, Sie glauben doch nicht etwa – wenn das nachher als Argument der Koalitionsfraktionen kommen sollte; ich weiß es nicht –, das sei alles nur gemacht worden, um die Sicherheit ein bisschen zu verbessern; eigentlich sei es gar nicht notwendig gewesen. So, wie ich RWE in den letzten Jahren kennengelernt habe, die mehrmals gegen Auflagen geklagt und juristisch dagegen vorgegangen sind, wären sie doch auch dagegen vorgegangen, wenn das eine überflüssige Anordnung gewesen wäre, und sie hätten nicht Millionen dafür aufgewendet, um an dieser Stelle nachzurüsten.

Ich stelle fest, dieses Nachrüsten ist bitter notwendig, aber die hessische Umweltministerin wollte nicht handeln. Das ist der zentrale Skandal,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nicht ob sie mit oder ohne Helm herumläuft. Der zentrale Skandal ist, dass sie bereit war, dieses Ding wieder anfahren zu lassen, obwohl es Sicherheitsprobleme in Biblis gab.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Ursula Ham- mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))