Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Deswegen ist es mehr als bedauerlich, mehr als schade, dass Sie die Möglichkeit der Evaluierung nicht genutzt haben, dass Sie unsere sinnvollen Vorschläge abgelehnt haben und dass der bedauernswerte Zustand in Hessen im Grunde so bleibt, wie er ist. Das können wir im Moment nicht ändern; wir weisen trotzdem darauf hin. Deswegen können wir natürlich auch der Verlängerung der Geltungsdauer des HPVG so nicht zustimmen.

Der zweite Teil des Gesetzentwurfs ist eher unspektakulär: Änderung des Reisekostengesetzes, Anhebung der Wegstreckenentschädigung von 30 auf 35 Cent/km. Das ist erstens nachvollziehbar und zweitens angesichts der steigenden Energiekosten gerechtfertigt. Die Mitarbeiter der Landesverwaltung haben einen Anspruch darauf,dass dem Rechnung getragen wird. Sie sind immerhin für den Dienstherrn unterwegs. Deswegen ist diese Erhöhung angemessen und nachvollziehbar. Diesem Vorschlag stimmen wir zu, auch wenn er in einem Artikelgesetz enthalten ist, dem wir unsere Zustimmung verweigern.

Es bleibt festzuhalten: Sie haben erneut die Chance vertan, einer modernen Personalpolitik das Wort zu reden. CDU und FDP hängen ihrer alten Doktrin nach,dass Mitbestimmung etwas Schlechtes sei.

(Holger Bellino (CDU): Das ist doch Quatsch!)

Herr Kollege Bellino, Sie kennen die Strukturen im öffentlichen Dienst vielleicht nicht so gut.

(Holger Bellino (CDU): Doch!)

Glauben Sie mir, der Sachverstand ist bei den Personalvertretungen manchmal weitaus ausgeprägter, als man in manchen Ministeriumsspitzen glaubt. Sie haben diese Chance nicht genutzt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Holger Bel- lino (CDU): Sagen Sie etwas zur Mitbestimmung in der SPD!)

Für die Landesregierung hat sich Herr Staatssekretär Rhein zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Rhein.

(Widerspruch des Staatssekretärs Boris Rhein)

Sie haben gesagt, Sie wollten jetzt reden.

(Staatssekretär Boris Rhein:Als Letzter!)

Okay, dann war das ein Missverständnis. – Herr Schaus hat für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier zwei Gesetzentwürfe zu behandeln, die teilweise gleiche, teilweise aber unterschiedliche Tatbestände regeln. Deswegen will ich nacheinander zu den verschiedenen Gesetzentwürfen und ihren Inhalten Stellung nehmen.

Zunächst zu dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion. Hier geht es um zwei Regelungen. Der Kollege Rudolph hat darauf schon hingewiesen. Zuerst und vordergründig geht es darum, die Bestimmung des § 106 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes so zu regeln, dass ständige freie Mitarbeiter – den Begriff muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – des Hessischen Rundfunks in das Mitbestimmungsrecht,in die Zuständigkeit des Personalrats beim Hessischen Rundfunk einbezogen werden.

Es sind immerhin 700 Beschäftigte, die zurzeit davon ausgeschlossen sind und die mit den Festangestellten und den nach altem Recht ständigen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Einheit im Betrieb bilden. Dort gibt es gemeinsame Arbeitsabläufe, eine Zusammenarbeit und ein Miteinander im Betrieb, das im Zuständigkeitsbereich des Personalrats auch personalvertretungsrechtlich geregelt werden muss.

Für uns ist das klar, logisch und notwendig, und wir können nicht verstehen,weshalb die Mehrheit in diesem Haus diese Veränderung der Zuständigkeit des Personalrats beim Hessischen Rundfunk ablehnt. Sie ist praxisorientiert,sachgerecht,und sie ist vor allen Dingen auch für den betroffenen Personenkreis angemessen und richtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Im zweiten Fall geht es im Gesetzentwurf der SPD um die Schaffung weiterer Tatbestände der wirtschaftlichen Mitbestimmung

(Günter Rudolph (SPD): Echter Mitbestimmung!)

ja, Günter, ich komme noch darauf – und damit um eine wichtige Verbesserung der Mitbestimmungsrechte schlechthin.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Genosse Günter!)

Wir haben bereits vor einigen Monaten in einem Gesetzentwurf aufgezeigt, dass in den letzten zehn Jahren im Hessischen Personalvertretungsgesetz ein Abbau von Mitbestimmungsrechten vorgenommen wurde.Von daher begrüßen und unterstützen wir jeden Ansatz, der zu echten Mitbestimmungsrechten führt – nicht zu Mitwirkungsrechten –, und deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf der SPD auch zu.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Gesetzentwurf der Landesregierung beinhaltet ebenfalls zwei Regelungsbereiche: zunächst das Reisekostenrecht im öffentlichen Dienst und die damit im Zusammenhang stehenden gesetzlichen Regelungen. Hier geht es im Wesentlichen um den Inhalt der technischen und organisatorischen Regelung der Erhöhung der Wegstreckenentschädigung, der Modernisierung des Gesetzes und einer entsprechende Anpassung an die Realitäten. Auch das ist zu begrüßen und zu unterstützen.

Wir haben im Rahmen des Anhörungsverfahrens aber auch erfahren müssen – durchaus mit Betroffenheit, sage ich –, dass es bei der bestehenden Reisekostenregelung Probleme gibt. Die hat z. B. die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft angesprochen. Dort werde zumindest

der Versuch unternommen – so wird es dargestellt –, bei Klassenfahrten auf Klassenlehrer dahin gehend Einfluss auszuüben, dass sie auf die Erstattung der Reisekosten, die ihnen zustehen, verzichten, weil möglicherweise die gesamte Klassenfahrt gefährdet wäre, falls diese Gelder ausgezahlt werden würden.

Nach Auffassung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist das kein Einzelfall. Deshalb ist es unserer Meinung nach notwendig – selbst wenn es nur wenige Fälle wären, wäre jeder Fall einer zu viel –, eine Regelung zu streichen, die den Verzicht auf die Auszahlung der Reisekosten vorsieht.

(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den Verzicht auf den Verzicht!)

Genau, Herr Frömmrich, den Verzicht auf den Verzicht. – Aufgrund dieser Anhörung und der überzeugend vorgetragenen Argumente der Vertreter der Gewerkschaft haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der vorsieht, § 4 Abs. 6 in Art. 1 zu streichen und damit sicherzustellen, dass ein Verzicht auf die Auszahlung der Reisekosten nicht erfolgen kann. Wenn der Verzicht nicht mehr möglich ist,gibt es auch nicht mehr die Möglichkeit,auf die betreffenden Lehrerinnen und Lehrer dementsprechend einzuwirken.

Die pauschale Verlängerung der Geltungsdauer des Hessischen Personalvertretungsgesetzes macht den zweiten inhaltlichen Teil des Gesetzentwurfs der Landesregierung aus. Ohne inhaltliche Änderung soll eine Verlängerung der Geltungsdauer bis 2014 erfolgen.

Wir hingegen denken, dass es notwendig ist, einen Ausbau der Mitbestimmung und der Rechte der Personalräte vorzunehmen, und dass es keinen Abbau geben darf. Deswegen muss man im Hinblick auf die Mitbestimmungsrechte einen Abbau konkurrierender Regelungen der Mitwirkung vornehmen. Das wäre sachgerecht und notwendig, und darüber wäre jetzt zu diskutieren, damit eine Teilhabe und die berechtigte Einbeziehung der Beschäftigten über ihre Personalräte – auf Augenhöhe mit der Dienststellenleitung – tatsächlich möglich sind. Das ist im Moment nicht möglich. Davon kann in den Dienststellen überhaupt nicht die Rede sein.

Wir werden hier immer wieder auf die Zeit nach der Dienstrechtsreform vertröstet.

(Günter Rudolph (SPD):Ach du lieber Gott!)

Wann das sein wird, steht in den Sternen. Und was die inhaltlichen Änderungen betrifft: Da habe ich die Befürchtung, dass eher die verbliebenen Reste der Mitbestimmungsrechte der Personalräte zur Debatte stehen als die tatsächliche Ausweitung dieser Mitbestimmungsrechte. Herr Dr. Blechschmidt, so habe ich die Debatte bisher wahrgenommen, da Sie sich an keiner Stelle auch nur um einen Millimeter in Richtung einer Ausweitung der Mitbestimmungsrechte bewegt haben und darüber hinaus nicht vorhaben, es zu tun.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Sie haben eine „hohe“ Meinung von den Mediatoren! Fragen Sie einmal die Mediatoren!)

Wie gesagt, wir stimmen der Reisekostenregelung in Art. 1 grundsätzlich zu. Wir werben, wie dargestellt, für unseren Änderungsantrag und lehnen eine pauschale Verlängerung der Geltungsdauer des Hessischen Personalvertretungsgesetzes grundsätzlich ab.

Bei Art. 2 werden wir uns der Stimme enthalten, weil wir nicht dazu beitragen können, dass es, wenn das Gesetz Ende dieses Jahres außer Kraft tritt, gar keine Mitbestimmungsrechte mehr gibt. Dies stünde auch im Widerspruch zur Hessischen Verfassung.

Herr Schaus, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Mein letzter Satz: Wir werden uns enthalten und beantragen deshalb eine getrennte Abstimmung zu Art. 2. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Schaus. – Herr Frömmrich, Sie haben sich als nächster Redner zu Wort gemeldet. Sie haben siebeneinhalb Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat zwei bemerkenswerte Vorkommnisse in dieser Debatte gegeben. Dass der Herr Staatssekretär hier einen Frühstart hingelegt hat, ist das eine.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Sehr bemerkenswert ist aber auch der Antrag der Fraktion DIE LINKE, dass man demnächst auf den Verzicht verzichtet. Es ist mir neu, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt auf etwas, auf das sie verzichten wollen, nicht mehr verzichten dürfen. Das ist eine Dialektik, die ich nicht ganz verstehe.Genauso wenig verstehe ich,wenn man auf dem einen Plakat Reichtum für alle verspricht und auf dem anderen fordert,den Reichtum zu besteuern. Diese Dialektik verstehe ich nicht. Herr Kollege Schaus, von daher werden wir diesem Änderungsantrag nicht zustimmen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das passt doch! Wir sind immer für mehr! Ein Verzicht auf den Verzicht ist ja weniger!)

Wie die Kollegen bereits gesagt haben, geht es im Prinzip um zwei Regelungsbereiche. Wir haben es zum einen im Gesetzentwurf der SPD mit der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte zu tun. Dort geht es insbesondere um eine Regelung für die festen freien Mitarbeiter und für die bestandsgeschützten Mitarbeiter beim Hessischen Rundfunk. Der andere Regelungsbereich betrifft die Reisekosten und, in Art. 2 damit verbunden, die Verlängerung der Geltungsdauer des Hessischen Personalvertretungsgesetzes.

Wir hatten das hier und auch im Ausschuss relativ schnell erledigt.Was das Reisekostenrecht angeht,sind wir uns im Haus insgesamt einig. Da gab es Regelungsbedarf. Das, was hier vorgelegt worden ist, findet unsere Zustimmung. Von daher kann man diesen Teil relativ schnell abhaken.

Aber den zweiten Teil, in dem es um die Verlängerung der Geltungsdauer des Hessischen Personalvertretungsgesetzes geht – Art.2 –,halte ich schlichtweg für eine Frechheit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Bellino,so kann man mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes nicht umgehen. Ich erinnere daran, dass das in diesem Haus eine Tradition hat, wobei ich nicht nur an die „Operation düstere Zukunft“