Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Danke, Frau Sorge. – Frau Wissler, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte schön.

(Zuruf des Abg. Hugo Klein (Freigericht) (CDU) – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Klein wollte auch etwas sagen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau KühneHörmann, Sie sprachen von Verdächtigungen, die im Raum stünden, und davon, dass die Opposition daran stricken würde, diese Verdächtigungen in die Öffentlichkeit zu bringen. Es ist ganz allein an Ihnen, genau diese Verdächtigungen auszuräumen und zu sagen, wie es war, wie die Zeitabläufe waren, wer vorgeschlagen hat, Navid Kermani den Preis abzuerkennen. Es liegt an Ihnen, die Verdächtigungen, die ohnehin in der Presse und damit in der Öffentlichkeit sind, auszuräumen, zumindest soweit sie die Ministerin und die Landesregierung betreffen.

Von dieser Möglichkeit haben Sie heute nicht Gebrauch gemacht. Das haben Sie im Ausschuss nicht getan, das haben Sie bei der letzten Plenarsitzung, als wir das diskutiert haben, nicht getan. So können Sie die Verdächtigungen nicht ausräumen, sondern sie bleiben im Raume stehen, und das ist das Problem.

Das Problem ist, dass die Mitpreisträger unter dem Verdacht stehen, dass sie darauf hingewirkt hätten, Navid Kermani diesen Preis abzuerkennen. Kardinal Lehmann hat in Interviews erklärt, dass Menschen, die ihn erst für den Kulturpreis vorgeschlagen haben, dann erklärt hätten, er könne nicht einmal richtig lesen. Er habe sich völlig falsch verstanden gefühlt. Navid Kermani wurde beschädigt. Man darf nicht vergessen, er wurde als Christenhasser dargestellt. Er wurde, auch lanciert durch die Staatskanzlei, als Lügner dargestellt, was die Abläufe angeht und was die Informationspolitik der Staatskanzlei angeht.

Deshalb ist die Entschuldigung des Ministerpräsidenten bei Navid Kermani notwendig. Es ist auch notwendig, sie öffentlich zu machen, weil viele Musliminnen und Muslime in diesem Land diesen Eklat mitbekommen haben und sich dadurch beleidigt und zurückgesetzt gefühlt ha

ben. Deshalb ist die öffentliche Entschuldigung wichtig und notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind ja beim Thema interreligiöser Dialog. Ich bin der Meinung, da könnte der Ministerpräsident Buße tun, und wenn er schon beim Sich-Entschuldigen ist, könnte er sich gleich bei allen Migrantinnen und Migranten in diesem Land für die Wahlkämpfe 1999 und 2008 entschuldigen.

(Zurufe von der CDU)

Ich habe in der Presse gelesen, dass die Staatskanzlei erklärt hat, es habe einen „Kontakt“ zwischen Ministerpräsident Koch und Navid Kermani gegeben. Ich finde die Formulierung, es habe einen „Kontakt“ gegeben, etwas seltsam. Ich frage mich: Hat er ihm eine SMS geschrieben, gab es ein Treffen auf einer Raststätte? Was soll das, was ist das für eine Formulierung?

(Zurufe von der CDU)

Warum sagt man nicht klipp und klar, ob es ein Gespräch gab, ob es ein Telefongespräch gab, und was Inhalt dieses Gesprächs war? Das eigentlich Problematische ist doch der Zeitpunkt, dass man nach der Aberkennung des Preises das Gespräch mit Navid Kermani sucht – statt vor der Aberkennung des Preises das Gespräch mit Navid Kermani und natürlich auch mit den Mitpreisträgern zu suchen.

Ich denke, der Streit um die Preisverleihung macht klar, dass man so keinen Dialog führen kann.Man kann keinen Dialog führen nach einsamen Hinterzimmerentscheidungen, wo am Ende keiner bereit ist, zu erklären, wie es wirklich war. Ich befürchte, dass damit der Hessische Kulturpreis nachhaltig beschädigt wird. Ich bin gespannt, wie die Preisverleihung im November ablaufen wird und welche Rolle Roland Koch dann noch spielt – wenn er überhaupt noch eine Rolle in Hessen spielt. Man weiß ja nicht, was gerade in Berlin verhandelt wird.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das wäre ja ein Wortbruch!)

Deshalb vermute ich es ja. – Ich bin gespannt, welche Rolle er dann spielt oder ob er wenigstens bei der Preisverleihung den Anstand hat, zuzugeben, dass da ein Fehler gemacht worden ist, und sich dafür entschuldigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Wissler. – Ich darf Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Sorge, Herr Grumbach und Frau Wissler haben echte Probleme, überhaupt darzustellen, für was sich der Ministerpräsident entschuldigen sollte. Sie sprachen von „symbolischer Entschuldigung“. Das zeigt ja schon, wie wenig dahinter ist.

Frau Kollegin Wissler, hier sind keine „Hinterzimmerentscheidungen“ getroffen worden. Sie haben keine Ahnung vom Thema. Es gibt vielmehr ein Kuratorium, das beschließt, wer den Kulturpreis erhält. Das Gremium ist entsprechend zusammengesetzt und entscheidet mit Mehrheit. So, wie Sie es darstellen, ist es nicht korrekt. Es han

delt sich nicht um eine „Hinterzimmerentscheidung“ und auch nicht um eine Einzelentscheidung des Herrn Ministerpräsidenten. Das mag in Bananenrepubliken und in sozialistischen Staaten der Fall sein, bei uns aber nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)

Ich will auf einen letzten Punkt hinweisen. Die Entscheidungen über die Vergabe des Kulturpreises werden im Kuratorium getroffen.Das habe ich hier x-mal ausgeführt. Das Kuratorium hat elf Mitglieder.Der Herr Ministerpräsident ist eines der Mitglieder.Auch ich gehöre dem Gremium an. Die elf Mitglieder treffen die Entscheidungen. Die elf Mitglieder haben entschieden, an wen der Preis vergeben werden soll und dass er für den Dialog unter den Religionen vergeben werden soll. Herr Kollege Grumbach, das war eine Entscheidung dieses Gremiums. Am Ende wurde auch die Entscheidung getroffen, den Weg zu gehen, dass die vier, die den Preis verliehen bekommen, sich zu einem Gespräch zusammenfinden. Es handelt sich also nicht um eine alleinige Entscheidung des Ministerpräsidenten, sondern das Kuratorium hat entschieden.

Ich sage es noch einmal: Sie versuchen, hier etwas zu konstruieren nach dem Motto: „Irgendetwas wird schon hängen bleiben“, und lassen den Sachverhalt vollkommen außer Betracht. Ich finde es gut, dass sich die vier künftigen Preisträger auf dieses Verfahren verständigt haben, und ich finde es gut, dass das Kuratorium so entschieden hat. Alle Interna der Arbeit des Kuratoriums sind hier nicht darzulegen. Die Selbstständigkeit des Kuratoriums besteht auch darin, dass seine Sitzungen intern stattfinden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.Wir sind damit am Ende der Aussprache zum Antrag der Fraktion der SPD betreffend fehlende Entschuldigung des Ministerpräsidenten zum Eklat um die Verleihung des Hessischen Kulturpreises.

Der Antrag soll zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst überwiesen werden. – So verfahren wir.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Hessen vorn im Kampf gegen Lebensmittelimitate – Drucks. 18/1064 –

Außerdem werden Tagesordnungspunkt 39 und Tagesordnungspunkt 48 aufgerufen:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend besserer Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Betrügereien im Lebensmittelbereich – Drucks. 18/1158 –

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend gefälschte Lebensmittel kenntlich machen – Drucks. 18/ 1168 –

Das Wort hat Frau Abg. Lannert für die CDU-Fraktion. Redezeit: fünf Minuten.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Pünktlich zur Mittagspause kümmern wir uns um Lebensmittelimitate.

(Heiterkeit)

Mit unserem Entschließungsantrag mit dem Titel „Hessen vorn im Kampf gegen Lebensmittelimitate“ senden wir ein wichtiges Signal an die Verbraucherinnen und Verbraucher; denn wir machen mit dieser Debatte mehr als deutlich, dass wir den Verbraucherschutz in Hessen fest im Griff haben. Wir sind froh und dankbar, dass unsere Verbraucherschutzministerin Silke Lautenschläger und Staatssekretär Mark Weinmeister den Kampf gegen die Verschleierung bei Lebensmittelimitaten aufgenommen haben.

(Beifall bei der CDU)

Mit über einem Drittel der bundesweiten Betriebskontrollen, die dieses Jahr in Hessen stattfinden, und durch die hervorragende Arbeit unseres Landesbetriebs Hessisches Landeslabor wurde überhaupt erst die öffentliche Debatte, und zwar deutschlandweit, um die Verwendung von Schinkenimitaten und Schummelkäse zum Thema. Wir sagen heute und hier ganz klar und deutlich, dass wir wollen, dass gegen die Hersteller von falsch gekennzeichneten Lebensmitteln hart durchgegriffen wird, weil wir diese Art der Verbrauchertäuschung nicht weiter hinnehmen werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Oftmals schaut wie Käse oder Schinken aus, was nicht Käse oder Schinken ist. Deshalb sagen wird, dass Lebensmittel ein Reinheitsgebot brauchen.Wir brauchen außerdem eine deutliche Kennzeichnung – das ist überhaupt das Wichtigste – der Echtheit aller Nahrungsmittel.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Wo Käse draufsteht, muss auch Käse drin sein. Das Wort Käse sollte überhaupt nur dann verwendet werden, wenn das Produkt auch mit Milch hergestellt ist. Damit sind wir auch bei dem Problem unserer deutschen Milchbauern. Wo Schinken draufsteht, muss auch Schinken drin sein und nicht ein Sammelsurium aus schnittfestem Stärkegel, Wasser und kleinsten Fleischstückchen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Der Verbraucher muss also klar informiert sein, was sich z. B. auf seiner Pizza befindet. Wir werden es auch nicht weiter hinnehmen, dass den Verbrauchern billige und minderwertige Fälschungen als echte Markenprodukte aufgetischt werden.Die Rechtslage ist hier sehr eindeutig. Verstöße von Herstellern oder Gastronomen können als Ordnungswidrigkeiten mit einem Bußgeld oder vorsätzliche Verbrauchertäuschungen können sogar als Straftaten geahndet werden. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ganz eindeutig erkennen können, was sie essen, und sie sollten sehr kritisch die Zutatenlisten unter die Lupe nehmen oder gezielt nachfragen, welche Zutaten verwendet werden bei den Lebensmitteln, die sie kaufen. Ich will es an die Adresse der Hersteller und Gastronomen noch einmal sehr deutlich sagen: Es ist zwar nicht verboten, Imitate herzustellen, und es geht von Imitaten auch keine direkte Gesundheitsbelastung für die Menschen einher, aber es ist verboten, Lebensmittel unter ir

reführenden Bezeichnungen und ohne ausreichende Kenntlichmachung in den Verkehr zu bringen. Das werden wir nicht weiter hinnehmen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Die CDU-Fraktion begrüßt es daher, dass, um Missverständnissen vorzubeugen, das Bundesministerium für Verbraucherschutz auf europäischer Ebene an einer Verbesserung der Rechtsvorschriften zur Kennzeichnung solcher Imitate arbeitet und dass Frau Aigner die Europäische Kommission aufgefordert hat, im Rahmen der Aktualisierung der geltenden europäischen Kennzeichnungsrechte die Vorgaben einer speziellen Verkehrskennzeichnung für derartige Imitate vorzusehen. Deshalb können wir ja auch heute, was mich sehr freut, dem Antrag der SPD-Fraktion zustimmen, da Sie inhaltlich unsere Meinung teilen. Allerdings sollten Sie, wenn möglich, eine kleine redaktionelle Änderung vornehmen.

Den polemischen, nicht an der Sache orientierten Antrag der GRÜNEN, der aus irgendeiner Mottenkiste geholt wurde, lehnen wir ab. Finanzierungsvorschläge bleiben Sie uns auch in diesem Falle wieder schuldig – wie immer. Ihrer Forderung nach Veröffentlichung bei einem Vergehen kommen wir nach. Sie ist sozusagen obsolet. Aber vielleicht sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen, dass – auch bei nachträglichen Kontrollen nicht feststellbar – in Hessen kein Wiederholungsfall aufgetreten ist.

Also kann ich abschließend feststellen: Der Verbraucherschutz in Hessen ist gut aufgestellt und mit allen notwendigen Mitteln für seine Arbeit ausgestattet. Die Kontrolldichte ist in Hessen deutlich höher als in den übrigen Bundesländern.