Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in vielen Bereichen kann die Polizei durch den verstärkten Einsatz von Technik effizienter arbeiten. Das ist aber nicht alles. Des

halb gehört auch in diese Haushaltsdebatte der Hinweis: Effiziente Polizeiarbeit verlangt ebenso wie der Schutz der Freiheitsrechte unserer Bürger ein modernes und liberales Polizeirecht.

In unserem neuen Polizeigesetz schaffen wir deshalb z. B. eine saubere und verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage für den Einsatz von Kennzeichenlesegeräten.

(Nancy Faeser (SPD): Eben nicht!)

Frau Kollegin Faeser, Sie können anderer Auffassung sein, aber wir haben das ordentlich geprüft und umgesetzt. Es ist wahrlich nicht erforderlich, dass ein Landesbediensteter der hessischen Polizei oder gleich mehrere an irgendwelchen Einfallsstraßen herumstehen, um die Arbeit zu machen, die genauso gut ein Computer machen kann, nämlich nach Kennzeichen Ausschau zu halten, die dringend gesucht und zur Fahndung ausgeschrieben sind. Darum geht es und um nichts anderes. Wir wollen die wertvolle Ressource Arbeitskraft für wichtige Einsätze bereithalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Sie jetzt nicht mit Details und der Aufzählung zahlreicher wichtiger Punkte des Innenhaushalts langweilen und fasse deshalb zusammen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Innenhaushalt ist spannend!)

Mit diesem Haushalt zeigen wir genauso wie mit dem neuen Polizeigesetz, dass Sicherheit und Freiheit keine Gegensätze sein müssen, sondern sich teilweise sogar bedingen. Wir wägen ab. Deshalb können wir Liberale dem Innenhaushalt wie der Polizeirechtsnovelle mit großem Stolz zustimmen. Das werden wir auch tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Greilich. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Frömmrich das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, das Ritualisierte in diesen Debatten ist etwas, worüber man sich einmal grundsätzlich Gedanken machen muss.Wenn man als Vertreter der CDU oder der FDP redet, dann sollte man Abstand davon nehmen, dass die einen für die Sicherheit zuständig sind und das Thema für die anderen nicht wichtig ist. Diese Art und Weise der Vorwürfe ist von vorgestern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir sollten uns auf das beschränken und über das diskutieren, was wirklich wichtig ist. Es ist doch unstreitig, dass sich alle in diesem Haus darüber freuen, wenn die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt, dass die Aufklärungsquote steigt und die Belastung der Bevölkerung durch Kriminalität sinkt. Es ist doch geradezu absurd, der anderen Seite des Hauses vorzuwerfen, wie Sie es teilweise tun, dass sie dies nicht begrüßen würde. Das ist eine Denkweise von vorgestern. Sie sollten aus Ihren Schützengräben herauskommen und über die Probleme diskutieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der nächsten Plenarrunde werden wir trefflich über die Polizeigesetzesnovelle diskutieren können. Herr Kollege Greilich behauptet, es sei das liberalste Polizeigesetz, das jemals verabschiedet worden sei.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): In Hessen!)

Herr Kollege Greilich, wenn das alte Liberale hören, die man wirklich als liberale Innenpolitiker bezeichnen kann – wie z.B.Herr Hirsch,Herr Baum oder Frau Hamm-Brücher –, dann drehen sie sich angewidert um, wenn Sie sagen, dass die Maßnahmen, die Sie beschließen wollen, liberal seien oder dies gar eines der liberalsten Polizeigesetze sei. Kommen Sie ein bisschen herunter, Herr Kollege Greilich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten der LINKEN)

Schauen Sie sich die Realität an.Auch bei den Stellenplänen – die Kollegin Faeser hat es schon angesprochen – sollte man sagen können, was gut ist, aber man sollte auch Kritik üben dürfen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Es ist doch vollkommen unstreitig, Herr Kollege Irmer, dass es gut und richtig ist, dass wir mittlerweile im Haushaltsplan wieder 550 Anwärterstellen haben. Aber wie war in der Vergangenheit die Realität? Das muss man sich doch auch einmal anschauen, wenn Sie sich hier feiern und loben lassen wollen. Frau Kollegin Faeser hat es schon gesagt: Im Haushaltsplan tragen 60 Polizeistellen immer noch den Vermerk „PVS“. Wenn Sie von den 550 Anwärtern die 10 % abrechnen, die ihre Ausbildung abbrechen, einen Strich darunter machen und bedenken, dass ca. 400 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte pro Jahr in den Ruhestand gehen, dann errechnet sich nur noch ein ganz kleines Plus.Wenn Sie dem das Minus in der Größenordnung von 1.000 Stellen aus den vergangenen Jahren gegenüberstellen, dann sehen Sie: Sie bräuchten über zehn Jahre, um das Minus, das Sie in den vergangenen Jahren angerichtet haben, auszugleichen. Auch das gehört zur Wahrheit. Das sollten Sie hier nicht verschweigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich will trotzdem positiv erwähnen, dass ich es gut finde, dass die Wachpolizisten im Stellenplan umsortiert worden sind, dass sie nicht mehr auf Vollzugsstellen geführt werden. Es war immer eine Forderung der Opposition, dass das gemacht wird. Deshalb muss man positiv erwähnen, dass es endlich so ist, dass Vollzugspolizeistellen wirklich mit Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten besetzt sind.

Ich will noch zwei Punkte ansprechen. Nachdem Sie sich nun im Bereich der Polizei bewegt haben, möchte ich Sie auffordern, sich auch in der Frage der Gleichstellung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Arbeitszeit zu bewegen. Kommen Sie endlich aus Ihrem Schützengraben, und stellen Sie die Beamtinnen und Beamten hinsichtlich der Arbeitszeit den tariflich Beschäftigten gleich. Wir haben einen Vorschlag für eine stufenweise Anpassung der Arbeitszeit vorgelegt. Die Anpassung soll bei denen beginnen, die die höchsten Belastungen haben. Das sind die Beschäftigten, die im Schicht- und im Wechseldienst arbeiten. Danach sollen die Beamten in anderen Arbeitsbereichen in Tranchen an die 40-Stunden-Woche herangeführt werden. Gehen Sie endlich auf die Mitar

beiterinnen und Mitarbeiter zu. In Hessen war es eigentlich immer Usus, dass die im Tarifbereich Beschäftigten und die Beamten hinsichtlich der Arbeitszeit gleichgestellt waren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ein weiterer Punkt, den ich anführen möchte – der Kollege Bellino ist darauf schon eingegangen –, betrifft den Rechtsextremismus. Ich denke, wir alle wissen, dass wir uns gegen jede Form des Extremismus engagieren müssen. Der Herr Minister hat uns gestern über einen Vorgang unterrichtet und eine Gefahrenlage im SchwalmEder-Kreis geschildert.Wir alle wissen, dass wir dort Probleme haben.

Wir haben einen Änderungsantrag vorgelegt, der besagt, dass wir bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus eine Schippe drauflegen müssen.Wenn wir dieses Thema wirklich konsequenter anpacken wollen, dann brauchen wir zusätzliches Geld – insbesondere wenn Sie sich das vor Augen führen, was die Koalition in Berlin beschlossen hat. Sie hat beschlossen, die Fördertöpfe für den Kampf gegen den Rechtsextremismus auch für die Bekämpfung des Linksextremismus und des Islamismus zu öffnen. Das bedeutet, dass in Zukunft die für den Kampf gegen den Rechtsextremismus vorgesehene Haushaltssumme für wesentlich mehr Aufgaben zur Verfügung steht. Unsere Landesprogramme sind zum großen Teil durch den Bund finanziert.Wenn wir das Niveau in dem Bereich weiterhin halten oder sogar noch etwas drauflegen wollen, dann müssen wir Geld in die Hand nehmen. Deshalb fordere ich Sie auf, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon viel zum Thema Polizei gesagt worden, auch zu den Zahlen. Ich will einmal geraderücken, was Herr Bellino in die plakative Formel „Wir bilden über Bedarf aus“ gebracht hat. Herr Bellino, zur Redlichkeit gehört in der Tat – –

(Peter Beuth (CDU): Äußern Sie sich nicht zur Redlichkeit!)

Doch, ich rede zum Thema Redlichkeit. – Die Unredlichkeit des Beitrags von Herrn Bellino ist nämlich, dass er sagt: „Wir bilden bei der Polizei über den Bedarf aus“, obwohl er und alle anderen hier im Saal wissen, dass das nicht zutrifft.

(Peter Beuth (CDU):Das können Sie uns ersparen! Berufen Sie sich nicht auf Redlichkeit!)

Er hätte bestenfalls sagen können – da war der Herr Kollege Greilich ein bisschen korrekter –: Wir bilden über den Bedarf aus, den es in diesem Jahr gibt. – Es sind nämlich die ausscheidenden Polizeibeamtinnen und -beamten zu berücksichtigen, wobei deren Zahl erst am Jahresende festgestellt werden kann, weil wir jetzt noch nicht wissen, wie viele Beamtinnen und Beamten z. B. polizeidienstuntauglich werden oder wie viele Beamte aus anderen

Gründen vorzeitig aus dem Polizeidienst ausscheiden müssen und in Pension gehen. Sich damit zu schmücken, dass man jetzt bei der Polizei einen dringenden Nachholbedarf befriedigt, den man selbst über Jahre erzeugt hat, ist sozusagen eine Umkehrung der wahren Verhältnisse. Sie tragen ganz allein die Verantwortung für diese Situation. Deshalb ist es unredlich, so zu argumentieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie bilden nicht über Bedarf aus, sondern Sie vollziehen einen Bedarf nach, den Sie selbst verursacht haben und den Sie, wie der Herr Kollege Frömmrich gerade gesagt hat, erst nach einem Zeitraum von zehn Jahren ausgleichen können.

(Peter Beuth (CDU): Sie sind der Allerletzte, der sich auf Redlichkeit beziehen dürfte!)

Wir haben zu diesem Punkt einen Antrag gestellt, weil wir denken, das muss schneller gehen. Das ist auch möglich. Insofern werbe ich nach wie vor dafür, die Zahl der Beamtenanwärterinnen und Beamtenanwärter bei der Polizei auf 600 zu erhöhen. Das ist kapazitätsmäßig möglich, und das ist notwendig, um den Nachholbedarf kurzfristiger zu erfüllen.

(Peter Beuth (CDU): Was für eine Heuchelei! Sie lösten durch Ihr Verhalten Polizeieinsätze im Kelsterbacher Wald aus! Das ist eine unerträgliche Heuchelei!)

Herr Beuth, wollen Sie zum Ausdruck bringen, dass der Bedarf an Polizeikräften allein dadurch gestiegen ist, dass es eine Räumung im Kelsterbacher Wald gegeben hat? Das können Sie doch nicht ernsthaft behaupten. Da machen Sie uns größer, als wir sind, und Sie kriminalisieren, wie Sie das immer wieder tun, die Bürgerinitiativen und die Bewegung gegen den Ausbau der Landebahn Nord. Das sollten Sie unterlassen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Peter Beuth (CDU))

Ich möchte zum Einzelplan 03 in der gebotenen Kürze exemplarisch drei Änderungsvorschläge unserer Fraktion herausgreifen.

Erstens. In den Änderungsanträgen, die wir zu den Themen Ausbildung und Beschäftigung im Landesdienst eingebracht haben, wird aus unserer Sicht deutlich, dass die Hessische Landesregierung in den zurückliegenden Jahren massive Einsparungen auf dem Rücken der Beschäftigten vorgenommen hat, die zu einer ganzen Reihe von gravierenden Nachteilen für Auszubildende und Beschäftigte im Landesdienst geführt haben. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger. In Stichworten: die mit 42 Stunden pro Woche bundesweit längste Arbeitszeit für Beamtinnen und Beamte, ein inzwischen chronischer Personalmangel an Schulen, an Gerichten, in Polizeistationen und in der Verwaltung sowie Gehaltskürzungen und die Beschneidung der Mitbestimmungsrechte im öffentlichen Dienst.

Nebenbei sei bemerkt, dass die Landesregierung ihr damit angeblich verbundenes Ziel, den Haushalt zu konsolidieren, weiter verfehlt hat als jede Landesregierung zuvor. Die neoliberale Logik, nach der die öffentliche Tätigkeit und die Beschäftigung zugunsten von Deregulierung und Privatisierung zurückgefahren werden müssen, damit die freien Märkte – die wir gerade erleben – ihre „selbst heilenden“ Kräfte für die ganze Gesellschaft entfalten können, erscheint vor den Auswirkungen der Finanz- und

Wirtschaftskrise zunehmend grotesk. Sie ist aber nicht grotesk genug, als dass die Hessische Landesregierung und auch die schwarz-gelbe Bundesregierung diese Politik hinterfragen würden.

Wir hingegen fordern die Landesregierung mit unseren Änderungsanträgen auf: Investieren Sie endlich so, dass es bei den Beschäftigten und bei den Menschen in diesem Land wirklich ankommt. Investieren Sie in mehr Beschäftigung im Landesdienst, auch durch Arbeitszeitverkürzungen, durch die Erhöhung der Ausbildungsquote und durch die Neueinstellung qualifizierten Personals insbesondere in Schulen, Hochschulen, Kindertagesstätten, bei der Polizei und bei Gerichten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir treten weiterhin für einen Ausbau des öffentlichen Dienstes nach skandinavischem Vorbild ein sowie für mehr Staatstätigkeit, für bessere Bildung und Gesundheit und für die Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge in Hessen.

Zweitens schlägt die LINKE vor, die Förderung von Privatisierungen sowie die Privatisierung im Landesdienst endlich einzustellen und die Kommunen dort zu beraten, wo sie auf der Grundlage der Rekommunalisierung selbst in sinnvolle Wirtschaftstätigkeiten einsteigen können und wollen.Es kann nicht sein,dass das Land Hessen den Ausverkauf öffentlichen Eigentums auch noch mit über 5 Millionen c pro Jahr fördert.