Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

Es freut mich auch sehr, zu lesen, dass die Hochschulbesetzungen offensichtlich erste Erfolge zeigen. Das Land Niedersachsen hat jetzt eine Reform der Studiengänge angekündigt, und die Bundesregierung erwägt jetzt, das BAföG zu erhöhen, was sie für die Legislaturperiode ausgeschlossen hatte. Das ist ein erster Erfolg des Bildungsstreiks. Das ist ein erster Erfolg der Besetzungen an den

Hochschulen. Das ist doch eine gute Nachricht für die Studierenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Bund und Länder haben sich auf die Fortsetzung des Hochschulpakts 2020 verständigt. Aber dieser ist nicht ausreichend. Wenn wir die im internationalen Vergleich niedrige Studienanfängerquote von derzeit unter 40 % deutlich steigern wollen,brauchen wir mindestens 370.000 Studienplätze und nicht nur 275.000, wie es der Hochschulpakt vorsieht. Zudem ist der Hochschulpakt völlig unterfinanziert und schreibt miserable Betreuungsverhältnisse an den Hochschulen fort. An den Hochschulen kommen mittlerweile auf eine Hochschullehrerstelle 60 Studierende. Es gibt Fachbereiche, da sind es 80, 100 oder sogar 140 Studierende. Wir brauchen nicht nur mehr Studienplätze, wir brauchen auch bessere Studienbedingungen. Das heißt, wir brauchen deutlich mehr Personal an den Hochschulen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Blum, Sie brauchen mir gar nicht die Uhr zu zeigen. Ich habe noch sechs Minuten und sechs Sekunden Zeit. Die werde ich auch ausschöpfen.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Leif Blum (FDP): Die müssen Sie nicht ausschöpfen!)

Es wird ein Sonderprogramm nach dem anderen aufgelegt. Das aber brauchen die Hochschulen nicht, weil zeitlich befristete Sonderprogramme immer nur dazu führen, dass die begrenzten Investitionshäppchen nur in Beton gesteckt werden. Daraus kann überhaupt keine neue Beschäftigung entstehen – oder wenn, dann nur befristete Beschäftigung. Deswegen kann nur ein höheres Grundbudget, eine höhere Grundfinanzierung Beschäftigung an den Hochschulen schaffen und so die Bedingungen für Forschung und Lehre dauerhaft verbessern.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE fordert eine an dem wachsenden Bedarf orientierte öffentliche Finanzierung von Hochschulen und Forschung. Statt eine Differenzierung in Elite- und Massenhochschulen voranzutreiben, muss eine regional ausgewogene Hochschulfinanzierung in der Fläche gewährleistet werden.

Es wurde schon angesprochen: Die European Business School, die EBS, bekommt in den nächsten Jahren eine Anschubfinanzierung für ihren Standort Wiesbaden in Höhe von 35 Millionen c. Das sind Steuergelder, die mehrheitlich von Menschen kommen, deren Kinder ganz sicher nicht an der EBS studieren werden. Das können sie gar nicht. Das kostet nämlich 12.000 c im Jahr. Dafür studieren an der EBS Kinder reicher Eltern in einem Schloss am Rhein mit einem eigenen Weingut mit einer netten Aula, die im Übrigen Walther-Leisler-Kiep-Saal heißt, während an anderen Hochschulen Kinder, deren Eltern die Steuern dafür zahlen, wenn sie es überhaupt an die Hochschule schaffen, in vergammelten und überfüllten Hörsälen sitzen. Dass für 800 Studierende solche Exklusivbedingungen geschaffen werden, ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Helmut Peuser (CDU))

Meine Kollegin hat es vorhin schon gesagt: EBS statt Obst. Das zeigt wieder sehr deutlich, wo die Prioritäten dieser Landesregierung liegen.

Im Grundgesetz ist festgelegt:Auch an Privatschulen darf es keine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern geben. Das ist ganz sicher an der EBS gegeben.

Hessen hat die Studiengebühren an den staatlichen Hochschulen abgeschafft und gibt jetzt jährlich eine halbe Million Euro an eine Hochschule, die Gebühren in einer derartigen Höhe erhebt. Das halte ich für völlig absurd.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei der Evangelischen Fachhochschule – das wurde schon angesprochen – hat der Druck der Studierenden und der Lehrenden gewirkt. Die Mittel im Haushalt werden aufgestockt. Die Evangelische Fachhochschule muss keine Studiengebühren erheben. Lieber Herr Büger, das begrüßen wir als Linksfraktion ausdrücklich. Das hatten wir auch gefordert.

(Leif Blum (FDP): Das haben wir gemacht! – Rafael Reißer (CDU): Ihr habt es damals vergessen!)

Es hat ein bisschen gedauert, bis ihr es gemacht habt. Unser Gesetz ist damals abgelehnt worden, leider.

Hessen hat im letzten Jahr einen großen Schritt zu mehr Chancengerechtigkeit getan. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie haben dazu leider nichts beigetragen. Denn wir haben als erstes Land die Studiengebühren wieder abgeschafft. Aber – da hat die Kollegin Sarah Sorge vollkommen recht –: Wir haben nicht alle Studiengebühren abgeschafft. Es gibt nämlich immer noch einen Verwaltungskostenbeitrag. Das ist nichts anders als eine Studiengebühr. Es gibt weiterhin Gebühren für Gasthörerinnen und Gasthörer und auch für die Weiterbildung. Wir sind der Meinung, gebührenfreie Bildung muss heißen, dass auch Menschen, die nicht an den Hochschulen eingeschrieben sind, an Vorlesungen teilnehmen können, als Gasthörer Vorlesungen besuchen können und dass Bildung nicht vom Status und vom Geldbeutel abhängen darf.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Tochter eines Bankdirektors darf aufgrund ihrer Herkunft keine besseren Bildungschancen haben als das Kind einer alleinerziehenden Teilzeitangestellten. Da die Landesregierung aber vor allem Politik für die Tochter des Bankdirektors macht, die weder auf ein Studentenwohnheim noch auf die Benutzung der Mensa angewiesen ist, kommen die sozialen Belange der Studierenden im Haushalt vollkommen zu kurz. Die Studentenwerke sind seit Langem unterfinanziert. Der Anteil der Landeszuschüsse an den Etats liegt bei nur noch 10 %. Das heißt, faktisch fördern sich die Studierenden selbst. Liebe Kolleginnen und Kollegen,so werden die Studentenwerke völlig ad absurdum geführt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Erfüllung der Kernaufgaben ist in Gefahr. Das zeigt sich bei Kultur, bei Sport und bei Gesundheit. Das zeigt sich aber vor allem bei den Studentenwohnheimen, die nicht renoviert werden können.Wir wollen die Zuschüsse für die Studentenwerke um ein Sechstel auf 12 Millionen c erhöhen. Analog zum HEUREKA, also zum staatlichen Hochschulbauprogramm, mit dem sich die Landesregierung immer sehr rühmt, fordern wir ein STEUREKA zur Sanierung der Studentenwohnheime. Das ist ein kleines Konjunkturprogramm. Davon kann das Handwerk profitieren. Wir können Energie sparen, und zudem entlasten attraktive Studentenwohnheime die Wohnungsmärkte in

den Hochschulstädten und ermöglichen den Studierenden ein hochschulnahes Wohnen, ohne lange pendeln zu müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme jetzt doch langsam zum Schluss und erfülle damit Ihren Wunsch, gleich heimzukommen.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Ich habe, ehrlich gesagt, auch keine Wahl.

Bildung ist mehr als Ausbildung. Bildung darf keine Ware werden,

(Zurufe der Abg. Axel Wintermeyer und Clemens Reif (CDU))

die man kaufen kann,wenn man sie sich leisten kann,oder eben nicht.Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft, weder bei der Bildung noch beim Zugang zur Kultur. Die Landesregierung hat in der „Operation düstere Zukunft“ massive Kürzungen im Kulturbereich eingeleitet. Diese Kürzungen müssen dringend zurückgenommen werden, damit die kleinen Theater und die Musikförderung mehr Geld haben, damit Kultur die Rolle im Land spielt, wie das eben von dem Kollegen der FDP angemahnt wurde. Lassen Sie den Worten Taten folgen: durch mehr Geld für die Kulturförderung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. Das war eine Punktlandung, auf die Sekunde genau. – Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle fest, dass alle Fraktionen die erhöhten Ansätze in den Programmen für den Hochschulbereich gelobt haben, auch die Oppositionsfraktionen. Frau Sorge hat das HEUREKA-Programm gelobt, Herr Grumbach hat gesagt, auch diese Ansätze sind richtig. Selbst Frau Wissler findet die Erhöhung für die Evangelische Fachhochschule gut.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist verdächtig!)

Das ist verdächtig. – Aber das zeigt, dass der Wissenschafts- und Kunstbereich dort gut aufgestellt ist.Die Kollegen Büger und Reißer haben schon auf die Details in diesem Bereich hingewiesen.

Ich will nur noch hinzufügen, dass ich die Kritik der Studierenden sehr ernst nehme

(Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

und dass ich darauf hingewiesen habe, dass die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge nicht in allen Teilen so erfolgt ist, dass die Studierenden und wir damit zufrieden sein können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es ist so, dass die Hochschulen selbst die Umstellung zu Bachelor- und Masterstudiengängen durchführen müssen. Sie müssen es auch so tun, dass die Studierenden in dem modularisierten System zurechtkommen. Das Minis

terium und die Politik haben mit diesen Dingen nichts zu tun. Aber wir begleiten diesen Prozess mit mehreren Millionen Euro. Das werden wir auch weiter tun.

Mit dem Haushalt 2010 ist es trotz der Krise gelungen, die Finanzierung der Hochschulen auf hohem Niveau fortzuführen und zu stabilisieren. Bei Kunst und Kultur bewahren wir die vorhandenen Schätze, erhalten erfolgreiche Strukturen und setzen neue Impulse. Der Haushalt 2010 ist für Wissenschaft und Kunst gut aufgestellt.

Angesichts der fortgeschrittenen Zeit möchte ich jetzt meine Rede zu Protokoll geben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – siehe Anlage 3)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Damen und Herren, damit ist die Lesung des Einzelplans 15 abgeschlossen.

Wir haben vereinbart, dass wir morgen in die Abstimmung eintreten. Herr Minister der Finanzen, deine Stimme wird heute nicht verlangt. Du musst noch eine Nacht darüber schlafen, ob wir das morgen machen, den Haushaltsentwurf an den Haushaltsausschuss zu überweisen. Aber das machen wir morgen nach den Aktuellen Stunden – für alle Kollegen, die das noch nicht mitbekommen haben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 60 auf:

Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zu Petitionen – Drucks. 18/1217 –

Es liegt kein Sonderwunsch vor. Daher kommen wir zur Abstimmung.