Das ist ein Paradigmenwechsel,den so,wie wir es machen, in Deutschland noch keiner vollzogen hat. Es handelt sich übrigens auch um einen, der nicht völlig unstreitig ist. Das ist kein Streit, der allein zwischen der SPD und der CDU oder anderen Parteien geführt wird, sondern da gibt es auch Streit zwischen dem Bund, den anderen Ländern, den Kommunen und über die Philosophien, die dahinterstecken.
Jenseits aller Debatten über die Schulden und die Schuldenhöhe und die gegenseitigen Vorwürfe müssen wir in den nächsten Jahren Strukturen schaffen, die es ermöglichen, über die wirklichen Auswirkungen auf Dauer zu diskutieren.
Wir haben nämlich nicht nur die Schulden. Vielmehr haben wir auch Verpflichtungen. Deshalb wird das negative Eigenkapital in der Bilanz entsprechend hoch sein.
Die Bilanz zeigt erstmals auf, wie hoch die Gesamtverbindlichkeiten sind. Das werden wir den Generationen nach uns offenlegen. Die Bilanz wird uns zwingen, hinsichtlich der Frage zu steuern, wie man mit dieser Gesamtverbindlichkeit umgeht. Das wird etwas völlig anderes sein als die Fragen hinsichtlich der Nettoneuverschuldung. Denn die Fragen sind andere.
Wir haben die gesamte Verwaltung umgestellt. Wir werden in Zukunft die Fragen, ob ich einen Raum miete, ob ich Personal einstelle oder ob ich ein Gebäude miete oder kaufe, nach kaufmännischen Kriterien beurteilen, nämlich danach, wie sich das hinsichtlich eines längeren oder kürzeren Zeitraums auswirkt. Wir werden das erstmals vernünftig darstellen.Wir werden die Menschen, auch unsere eigenen Mitarbeiter, erziehen müssen. Hinter der Klammer muss man fairerweise sagen, dass wir auch uns selbst, d. h. die Mitglieder der Parlamente, erziehen müssen, in diesen neuen Kriterien zu denken und es nach diesen Kriterien zu machen. Wir müssen aus der Kameralistik herauskommen.
Das ist ein Projekt gigantischer Größenordnung und übrigens auch beachtlicher Kosten. Ich kann das nicht allein für mich in Anspruch nehmen.Denn 1998 wurden von der damaligen Regierung von Hans Eichel in Übereinstimmung mit anderen die Grundlagen dafür geschaffen. Wir haben das über zehn Jahre Stück für Stück weiter bis zu dem Punkt getragen, dass wir jetzt eine testierfähige Bilanz für das ganze Land haben werden.
Das ist ein nicht zu unterschätzendes großes Projekt. Das ist ein sehr ehrliches Projekt. Das, was Sie hinsichtlich des Versteckens und Verdeckens vermuten, geht nicht, wenn man eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und den Rechnungshof seinen Jahresabschluss testieren lässt. Ich möchte das in Zukunft so haben. Damit werden wir uns manch heftige und harte Debatte zumuten. Denn dieses Bundesland ist Vorreiter dafür, den Menschen die Zahlen offen darzulegen, und zwar nicht nur die für diese Generation, sondern auch die für die nächste Generation.
Darauf kann man stolz sein. Daran haben wir lange gearbeitet. Das werden wir in dieser Art und Weise verwirklichen.
Ja, dazu gehört auch die Haushaltsstruktur. Dazu gehört eine für dieses Bundesland komplizierte Frage, nämlich die, an welchen Stellen wir möglicherweise für bestimmte Leistungen mehr als andere ausgeben.
Herr Schäfer-Gümbel, das ist auch sehr eine Fragestellung, die mit den Kommunen erörtert werden muss. Das Kabinett hat die Haushaltsstrukturkommission ausdrücklich so zusammengesetzt, dass die kommunalen Verbände mit hauptamtlichen Bürgermeistern und Landräten vertreten sind. Denn wir müssen schauen, woran es liegt, dass die hessischen Kommunen einen signifikant höheren prozentualen Anteil an den Steuereinnahmen als alle anderen deutschen Bundesländer haben und dass wir trotzdem eine Struktur haben, in der eine Menge Kommunen Schwierigkeiten haben.
Was hat das mit dem Länderfinanzausgleich zu tun? Der Hessische Landtag kann an einem Problem nicht vorbei. Solange Sie in der Opposition sind, werden Sie dazu Flugblätter drucken. Aber der Landtag kann daran nicht vorbei.
Irgendwann werden wir vielleicht erneut beim Bundesverfassungsgericht aufgrund einer neuen juristischen Fragestellung vorsprechen müssen, die da lautet, ob das Verschuldungsverbot, das uns nicht mehr den Handlungsspielraum gibt, den Bürgern Dinge über Kredit zur Verfügung zu stellen, in Kombination mit dem Länderfinanzausgleich möglicherweise eine Erdrosselung unseres Landes darstellt, die man nicht hinnehmen kann. Bevor man
diese Frage beantwortet – deshalb wurde die Haushaltsstrukturkommission jetzt eingerichtet –, muss man sicherstellen, dass wir keine Leistung, die gleichwertig ist, teurer als andere erbringen.
Das wird eine spannende Diskussion zwischen den Kommunen auf der einen Seite und dem Land auf der anderen Seite werden. Die wird auch jeder für sich führen. Vor allem wird es aber auch um die Schnittstelle zwischen uns beiden gehen. Das werden wir uns zumuten müssen.
Dabei verhält es sich genauso wie bei der Kommission,die ich letztes Jahr eingesetzt habe, die sich mit dem Kommunalen Finanzausgleich beschäftigt, nachdem das seit dem Jahr 1970 niemand mehr gemacht hat. Das nicht getan zu haben, können wir wiederum gemeinsam für uns in Anspruch nehmen. Denn ich glaube nicht, dass man Gemeinden, die kleiner werden und riesige Flächen haben, und Städte, die in anderer Weise von der Gewerbesteuer leben und deshalb schnell abundant werden, einfach so nebeneinanderher leben lassen kann.
Wir haben uns entschieden, diese Themen anzugehen. Ich sage Ihnen offen: Das ist für eine Regierung und für die Regierungsfraktionen ein Risiko, das sie schultern müssen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass es für solche Strukturreformen im Allgemeinen und gerade dann, wenn es um Geld geht, irgendeine Zustimmung aus der Opposition gibt, ist nahezu null. Die Hoffnung, dass unangenehme Dinge – Umverteilungen erzeugen immer Gewinner und Verlierer – von der Opposition mitgetragen werden, war nie groß. Nach einiger Ihrer Reden mag sie eventuell 3 % größer gewesen sein. Aber mit dem heutigen Tag ist diese Hoffnung wieder auf null gesunken. Das wird so bleiben, wie es in der Vergangenheit war.
Ich räume ein, dass es Bereiche gibt, bei denen meine Hoffnung unabhängig von diesem Streit nicht gesunken ist und bei denen ich Sie auch einladen will. Es gibt etwas, was uns in den nächsten Wochen und Monaten beschäftigen wird. Dabei geht es um die Schaffung eines neuen Beamtenrechts. Wir Länder haben uns das Recht erstritten, das selbst regeln zu können.Wir haben die Verpflichtung, im kommenden Jahr, über dessen Haushalt wir jetzt reden, die Entwicklung durch eine eigene Gesetzgebung zu gestalten.
Ich habe da sehr viel Hoffnung. Denn es ist eine Tatsache, dass diese Regierung gesagt hat: Wir machen zunächst einmal keinen Vorschlag, wir berufen eine unabhängige Kommission aus Menschen, die in der Politik Erfahrung haben, denen man vertrauen kann, die aus allen Bereichen kommen, die in den letzten Jahren am parlamentarischen Leben teilgenommen haben, die Regierungserfahrung oder die Erfahrung auf der kommunalen Ebene haben. Sie sollen einen Vorschlag machen.
Denn das ist so etwas wie das Grundgesetz des Dienstrechtes. Wenn die Gestaltung und die Entwicklung der Laufbahnen und die Art, wie die Leistungsorientierung verankert wird, bei jeder Landtagwahl wieder unter dem Risiko stehen, dass der Nächste das prinzipiell anders macht, dient das keinem. Da gibt es meine Hoffnung, meine Bestrebung und das Bestreben der Landesregie
rung, Wege zu finden, dass wir auf diesem Gebiet in den kommenden zwölf Monaten auf sehr fortschrittliche Weise zu etwas kommen.
Gerade wenn man heute die Zeitung gelesen hat, hat man wieder gesehen, dass es einen Wettbewerb darum gibt, wer das modernste Dienstrecht haben wird, was dazu gehört, welche Schwerpunkte man braucht und was man dafür investieren muss. Dort sollten wir für das Bundesland Hessen trotz aller sonstigen Auseinandersetzungen eine gemeinsame Basis finden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, daran können Sie etwas erkennen. Deswegen habe ich auch versucht, diese Projekte einmal zu schildern. Die Regierung hat in diesem Land ihre Arbeit aufgenommen.Sie hat klare Projekte und Ziele. Sie ist durchaus stolz auf das, was in den letzten Jahren geleistet wurde. Von dem, was wir in den letzten Jahren geleistet haben, werden wir noch eine ganze Reihe an Jahren zehren. Dabei brauchen Sie nur an den Ausbau des Frankfurter Flughafens zu denken.
Aber wir sind nicht einfach mit dem zufrieden,was wir haben. Vielmehr setzen wir auf die nächste Stufe. Die nächste Stufe bedeutet,dass die Menschen in diesem Land gut, friedlich und zufrieden zusammenleben sollen. Gleichzeitig wollen wir aber dafür sorgen, dass wir die ökonomischen Voraussetzungen dafür haben und dass wir die Grundauseinandersetzungen beherrschen können, die hier bestehen. Denn wir werden für einige Jahre gezwungen sein, den Anstieg der staatlichen Ausgaben minimal zu halten. Wir wollen damit sicherstellen, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes es uns ermöglicht, das Defizit, das zurzeit besteht, ein Stück weit wegzunehmen.
Die Alternative dazu ist aus meiner Überzeugung nicht, permanent die Abgaben zu erhöhen, neuen Erfindungsreichtum für neue Steuern und Abgaben zu haben,wie Sie das in der Opposition haben, sondern die Aufgabe ist, mit einem geringeren Anstieg des Haushaltsvolumens Jahr für Jahr und mit einem erheblichen Anstieg des wirtschaftlichen Wachstums dafür zu sorgen, dass wir bis zum Jahr 2020 die Voraussetzungen dafür geschaffen haben.
Die Herausforderung liegt darin, ein geringeres Wachstum des Haushalts zu verkraften,weil jedenfalls die Haushälter wissen, geringeres Wachstum von Haushalt bedeutet nicht, dass alles so bleibt, wie es ist.
Aber das ist die Dimension. Das ist die Leitentwicklung über die nächsten Jahre. Wir wissen, dass es die Möglichkeit gibt, bis zum Jahre 2019 die Voraussetzungen der Verfassung, die wir nicht nur akzeptieren, sondern die wir wollten, zu schaffen. Aber wir wissen auch, dass das ein anstrengender Weg wird. Wir brauchen hier nicht zu diskutieren, ob eine Regierung, in der die CDU Verantwortung trägt oder in der CDU und FDP Verantwortung tragen, in der Lage ist, auch schwierige Entscheidungen des Sparens zu treffen. Das haben wir, Sie haben sich lange damit beschäftigt, oft genug bewiesen. Das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist, ob wir eine Entwicklung schaffen können, indem wir die wichtigen Ziele in der Infrastruktur, in der Investition, in den Hochschulen, in der Bildung im Kon
takt mit den Kommunen so erreichen können,dass wir die Anforderungen der Bürger wirklich noch schaffen, aber die Bürger gleichzeitig keine Überbeanspruchung – weder der Bürger heute als Steuerzahler, noch die Bürger morgen als die Kinder und Enkel – zu tragen haben.
Wir glauben,dass man diese Herausforderungen nicht mit einem großen Schlag angeht. Wir wollen unseren Beitrag im Land mit den Maßnahmen dazu leisten, die ich genannt habe. Aber wir wollen auf der nationalen Ebene auch in Zukunft daran mitwirken, dass eine Politik gemacht wird, die sich am Wachstum orientiert. Das ist mit einer bürgerlichen Regierung von CDU und FDP wahrlich besser als mit jeder anderen zu machen.
Insofern ist diese Frage, wer national regiert und Voraussetzungen dafür schafft, eine wichtige, die auch unsere Haushaltspolitik und unsere zukünftige Entwicklung angeht. Herr Schäfer-Gümbel, Sie haben gesagt: Der Koch versucht, über das Jahr 2010 hinwegzugehen. – Nein, wahrlich nicht.
Nein, ich habe das nicht gesagt. Er hat es falsch verstanden.Ich versuche gerade,ihm das zu erklären.Es soll ja einen geistigen Nährwert haben, was wir hier miteinander machen.
Diese Frage ist nicht, ob wir etwas tun. Denn wer nun wahrlich im nächsten Jahr 1 % des Bruttoinlandsprodukts allein an zusätzlicher Kaufkraft in das Land gibt, von dem kann man nicht den Eindruck haben, dass nichts getan wird. Wenn wir Steuern verändern, Abgaben verändern – ja, zu einem beträchtlichen Teil –,
und damit zu einem beträchtlichen Teil etwas tun, gerade auch in dem Bereich von Kindern, ist das eine strukturelle Entscheidung. Warum Sie an bestimmten Stellen immer sagen, dass das Kind sozusagen eigentlich das Gleiche wert ist wie ein Erwachsener, nur im Steuerrecht nicht, warum Sie sozusagen die Frage von Kindergeld und Kinderfreibetrag stellen – die kommunizieren ja miteinander und werden so, wie das Verfassungsrecht das gebietet, immer parallel zueinander entwickelt –,
warum an der einen Stelle aus Ihrer Sicht 8.000 c Freibetrag und auf der anderen Seite 6.000 c Freibetrag sind, und warum das ein Fehler ist, wenn wir Familien mit Kindern sagen, dass wir dafür sorgen, dass das Kindergeld oder alternativ der Freibetrag erhöht wird, das kann ich nicht erkennen.
Es ist Beitrag dafür, wie man es entwickelt. Es ist durchaus ein Beitrag zur Wirtschaft. Und viele andere im Rahmen des Konjunkturprogramms werden doch dann erst wirksam. Mit uns müssen Sie das gar nicht diskutieren. Wissen Sie, zur Debatte über das Jahr 2010, wir würden darauf warten: Wenn Sie sich mit dem Bund treffen, mag das sozusagen noch eine Übung als neues SPD-Bundesvorstandsmitglieds sein.Aber hier im Hessischen Landtag haben wir die Konjunkturprogramme beschlossen. Sie sehen doch Stück für Stück – und haben vom Kollegen Weimar in diesen Tagen noch einmal vorgetragen bekommen,
wie wir am Ende viele weitere Hundert Projekte haben, die im Bau sind,wie wir 1.300 haben,die in Ausschreibung sind, und sonst was. Herr Schäfer-Gümbel, um das Jahr 2010 hat sich keine Regierung in Deutschland mehr als diese Landesregierung gekümmert. Deshalb verschonen Sie mich von solchen Diskussionen.