Protokoll der Sitzung vom 08.12.2009

Als Nächster hat Herr Kollege Schaus das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir waren es bisher als betroffene Fraktion gewohnt, dass im Ausschuss zu Gesetzentwürfen keine Anhörungen durchgeführt wurden, weil die Mehrheit das abgelehnt hat. Ich finde, dieser Antrag hat eine neue Qualität bekommen.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Dreimal sind wir mittlerweile davon betroffen gewesen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Sie können kein Gesetz mehr ändern, das es nicht mehr gibt! – Peter Beuth (CDU): Das ist wirklich unglaublich!)

Herr Präsident, ich hoffe, dass die Zwischenrufe nicht von meiner Redezeit abgehen. – Ich denke, was Sie hier beantragt haben, hat eine neue Qualität. Es hätte zumindest eines Hinweises bedurft. Der ist nicht gegeben worden. Ich finde auch, wenn heute hier unterschiedliche Positionen deutlich geworden sind

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

und von Unterlagen gesprochen wurde,Herr Minister,die einer Überprüfung zugrunde liegen, dann muss das im Ausschuss beraten werden. Das ist auch dann nicht zu beraten, wenn es am gleichen Abend passiert, um eine zweite Lesung am Donnerstag durchzuführen. Ich denke, wir sollten so viele parlamentarische Spielregeln einhalten, auch Sie, auch wenn Sie die Mehrheit haben, dass hier ein ordentlich eingebrachter Gesetzentwurf auch ordentlich beraten wird.

(Beifall bei der LINKEN – Axel Wintermeyer (CDU):Wie wollen Sie ein Gesetz ändern,das nicht mehr existent ist?)

Danke, Herr Schaus. – Noch einmal Herr Wagner. Ich habe eigentlich nur vorliegen, dass der Gesetzentwurf an den Innenausschuss überwiesen werden soll.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Wintermeyer will die eingesparte Zeit wieder verplempern! – Gegenruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU): Ihr hättet ein bisschen früher schalten müssen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn der Kollege Wintermeyer jetzt vorschlägt, zu einem geordneten Verfahren zurückzukehren und den Gesetzentwurf an den zuständigen Ausschuss zur Beratung zu überweisen, dann können wir das gerne machen. Der Ausschuss kann sich gerne auch schon heute Abend damit beschäftigen. Dann sollen die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker beraten, wie wir weiter mit dem Gesetzentwurf verfahren. Dann wird uns der Innenausschuss einen Vorschlag machen, wie es weitergeht. Ich hoffe sehr, dass es ein Vorschlag im Konsens sein wird. Wenn es kein Vorschlag im Konsens ist, werden wir uns hier morgen oder übermorgen zu einer Geschäftsordnungsdebatte wiedersehen. Aber das überlassen wir gerne den Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern. Gut, dass wir zu einem geordneten Verfahren zurückkehren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegt der Antrag vor, den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Sammlungsgesetzes dem Innenausschuss zur Vorbereitung der zweiten Lesung zu überweisen.– Kein Widerspruch.Dann wird so verfahren.

Dann komme ich verabredungsgemäß zu Tagesordnungspunkt 14:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und anderer Gesetze – Drucks. 18/1604 zu Drucks. 18/861 –

Ich darf um den Bericht bitten und erteile Frau Enslin das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und anderer Gesetze, Drucks. 18/861. Hierzu: Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 18/911, Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucks. 18/1248, und Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 18/1549.

Die Beschlussempfehlung lautet: Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD – –

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, Entschuldigung. Aber vielleicht könnten Sie ein wenig ruhiger werden. Dann können Sie die Beschlussempfehlung wenigstens ganz hören. Ich fange noch einmal von vorne an.

Frau Kollegin, es reicht, wenn Sie die Beschlussempfehlung unter A vorlesen.

(Axel Wintermeyer (CDU): Nur das fett Gedruckte!)

Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucks. 18/1248, sowie des folgenden mündlichen Änderungsantrags der Fraktionen der CDU und der FDP in zweiter Lesung anzunehmen:

In Artikel 1 Nr. 5 des Gesetzentwurfs wird § 14a Abs. 4 Satz 4, letzter Halbsatz wie folgt gefasst: „, soweit dies für Zwecke der Gefahrenabwehr erforderlich ist.“

In Nr. 3 des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucks. 18/1248, wird in Nr. 9 Buchst. d § 20 Abs. 9 letzter Satz wie folgt neu gefasst: „Die automatisiert verarbeiteten personenbezogenen Daten sind spätestens am Ende des der Speicherung folgenden Jahres zu löschen.“ – Danke schön.

(Beifall)

Herzlichen Dank für Berichterstattung. – Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat Herr Greilich für die FDPFraktion das Wort. Die Redezeit beträgt siebeneinhalb Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gesetz zur Änderung des HSOG,des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, um den vollständigen Namen des Gesetzes zu nennen, ist nicht nur deshalb eines der wichtigsten Gesetze für uns im Hessischen Landtag, weil es materiell viele weitreichende Änderungen beinhaltet. Das HSOG hat für uns auch deshalb einen so hohen Stellenwert, weil es einen entscheidenden Kernbereich staatlichen Handelns regelt.Wie der Name es schon verdeutlicht, geht es um die Gewährleistung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung.Dieses Gesetz regelt die entscheidende Schnittstelle zwischen den Grund- und Bürgerrechten auf der einen Seite sowie der Notwendigkeit der Gewährleistung von Sicherheit und öffentlichem und sozialem Frieden auf der anderen Seite.

Meine Damen und Herren, inhaltlich bringen wir mit diesem Gesetzentwurf wichtige Punkte auf den Weg, die die Polizeiarbeit erleichtern sollen, die sie verbessern, effektiver und effizienter machen sollen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Gleichzeitig – das ist uns ein wichtiges Anliegen – stärken wir die Bürgerrechte. Wir stärken die Grundrechte, wir stärken die Freiheitsrechte.

(Beifall bei der FDP)

Dabei nehmen wir nicht nur die Kritikpunkte des Bundesverfassungsgerichts auf, sondern wir beraten und beschließen hier einen Gesetzentwurf, der einerseits der technischen Entwicklung, der Raffinesse und der Vernetzung krimineller Straftäter Rechnung trägt und die Handlungsfähigkeit der hessischen Polizei nachhaltig verbessert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Schutz der Bürger meinen wir gleichzeitig auch den Schutz der Bürgerrechte, der Grundrechte und der Freiheitsrechte, die wir mit dem Gesetz stärken. Deshalb liegt auch der Schwerpunkt des neuen HSOG zweifellos auf dem verbesserten Schutz der Bürgerrechte.

(Beifall bei der FDP)

Ganz besonders gilt dies für den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Diese Verbesserungen ziehen sich durch alle betroffenen Bereiche des Polizeirechts,von der Telefon- bis zur Wohnraumüberwachung. Das Bundesverfassungsgericht hat uns hier zu detaillierte Ausführungen gemacht, nach welchen Maßstäben dieser Kernbereichsschutz zu erfolgen hat. Sie alle kennen diese Maßstäbe. Frau Kollegin Faeser, Sie werden es sicherlich

nachher tun:Da Sie immer ehrlich argumentieren,werden Sie nicht umhinkommen und mindestens stillschweigend anerkennen müssen, dass wir die uns aus Karlsruhe gestellte schwierige juristische Aufgabe sehr gut gelöst haben.

(Beifall bei der FDP – Nancy Faeser (SPD): Im Gegenteil, Herr Greilich!)

Frau Faeser, ich appelliere noch einmal an Ihre ordnungsgemäße,juristisch saubere Beurteilung des Sachverhalts. Dann werden Sie das nachher anders tun, als Sie es jetzt in den Zwischenrufen ausdrücken.

(Nancy Faeser (SPD): Wenn Sie es richtig subsumieren, kommt etwas anderes heraus!)

Der Kernbereichsschutz in Hessen wird gewährleistet wie noch nie. Die Grundrechte werden gesichert. Die Polizei ist trotzdem in der Lage, ihre Aufgaben zu lösen.

Meine Damen und Herren, eine zweite Neuerung ist, dass wir erstmals in der Geschichte des hessischen Polizeirechts überhaupt das Vertrauen der Bürger in den Bestand wichtiger Berufsgeheimnisse schützen. Weder das Beichtgeheimnis noch seine moderne Ausprägung, das Anwaltsgeheimnis,war bisher vor polizeilichem Zugriff in Hessen geschützt. Das ändern wir, und ich erwarte, meine sehr verehrten Damen und Herren von Rot-Grün, dass Sie das endlich einmal anerkennen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Zum anderen verbessern wir die Handlungsmöglichkeiten unserer Polizei. Das geschieht zunächst mit einer rechtssicheren Regelung für den Einsatz automatischer Kennzeichenlesegeräte. Damit haben wir bei den Damen und Herren der Oppositionsfraktionen eine unverständliche – man muss schon sagen: eine schier unglaubliche – Aufregung ausgelöst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nehmen Sie endlich zur Kenntnis, was Ihnen der Hessische Datenschutzbeauftragte ebenso deutlich erklärte wie schon das Bundesverfassungsgericht: Der ureigenste Zweck eines Kennzeichens ist die Identifizierung des Fahrzeugs und seines Halters. Das Ablesen von Kennzeichen, ob es individuell oder automatisch erfolgt, ist nicht einmal ein Grundrechtseingriff. Entscheidend ist alleine, was mit den gewonnenen Daten geschieht, ob und, wenn ja, für welchen Zweck sie gespeichert und verwertet werden.

Deswegen haben wir schon die Eingriffsschwelle für den Einsatz sehr hoch gelegt. Wir haben, wie Sie wissen, das noch im Ausschuss nachgebessert und durch unseren Änderungsantrag einige Formulierungen noch klarer gefasst und vor allem den präventiven Charakter der Maßnahme noch mehr hervorgehoben.Das sollte auch Ihnen deutlich werden. Darüber, dass mit dieser Maßnahme die Polizeiarbeit erheblich vereinfacht wird, weil wir den Gefahren sehr viel wirkungsvoller begegnen können, weil wir sie viel wirkungsvoller aufklären können, kann es nicht wirklich einen Dissens geben.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Judith Lannert (CDU))

Nicht zuletzt werden wir auch bei der Telekommunikation die Befugnisse der Polizei an die technischen Entwicklungen anpassen. Moderne Kommunikationswege dürfen für kriminelle Straftäter nicht in einen rechtsfreien Raum führen. Deshalb ist es für jeden vernünftig denkenden Menschen völlig klar, dass es keinen Unterschied machen

kann, ob ein Schwerverbrecher seine Taten per Wählscheibentelefon, per Handy oder per Internettelefonie vorbereitet. Wenn es wegen besonders großer Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zur Abwehr dieser Gefahren unerlässlich ist und deshalb aufgrund richterlicher Anordnung – immer nur mit richterlicher Anordnung – Telefongespräche abgehört werden dürfen, dann muss das auch für die Telefongespräche über das Internet gelten.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von RotGrün, Sie müssen mir eine zweite Feststellung gestatten. Sie gerieren sich hier sehr gerne als große Verfechter von Bürgerrechten. Sie werden sehr laut, wenn es in diesem Hause um notwendige zusätzliche Befugnisse für die Polizei geht.