Das, was uns heute von der Opposition vorgeführt wird, ist eine solche Wiederholung, nämlich die Wiederholung der Inszenierung vom 5. März 2009 in diesem Hause. Damals war der Anlass, dass sich der Ministerpräsident des Landes Hessen öffentlich zu Vorgängen beim Zweiten Deutschen Fernsehen geäußert hat. Heute ist der Anlass, dass er diese Ankündigung umgesetzt hat – und zwar nicht er alleine, sondern der Verwaltungsrat des Zweiten Deutschen Fernsehens hat, wie wir mittlerweile überall vernehmen konnten, mit 7 : 7 Stimmen eine Patt-Entscheidung getroffen. Außer dem Ministerpräsidenten müssen Sie also mindestens sechs weitere Personen in die Verantwortung nehmen.
Bei aller Verärgerung über die Vorgänge und über die Art und Weise, wie man entschieden hat und wie im Zusammenhang mit der Verlängerung des Vertrags des ZDF-Chefredakteurs kommuniziert worden ist, bleibt eine Feststellung völlig unverändert gegenüber dem, was im März gesagt worden ist: Das, was uns geboten wurde – vor allem von der SPD; aber wir haben es jetzt auch noch einmal von Herrn Al-Wazir gehört –, ist ein Musterbeispiel inszenierter Scheinheiligkeit, das seinesgleichen sucht.
Was das Bild betrifft, das Herr Schäfer-Gümbel heute genauso wie im März gestellt hat – ich habe das damals ebenfalls gesagt –: Er zeichnet das Bild von machtgeilen Politikern, die gegen tapfere Journalisten kämpfen. Diesen Politkern wirft sich ein mutiger Held von der SPD entgegen.Wir haben jetzt den Wettbewerb mitbekommen:Ist Herr Al-Wazir der eigentliche Held – wie wir gehört haben –, oder ist es Herr Schäfer-Gümbel? Das müssen Sie unter sich ausmachen. Ich weiß es nicht.
Unser heutiges Thema ist das ZDF, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, und damit geht es auch um die ARD. Bei allen Bildern, die man hier zu stellen versucht, sage ich eines: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist prinzipiell in Ordnung und funktioniert hervorragend.
Wenn Sie hier ein anderes Bild zeichnen, rufe ich Ihnen zu: Wir lassen unser im Grunde vorbildliches Rundfunksystem nicht kaputtreden.
Das gilt trotz aller Fehler und Mängel, die dieses System hat. Es ist eben kein Staatsfernsehen. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass Sie diesen Begriff auch heute wieder verwenden. In der Öffentlichkeit haben Sie diesen Vergleich oft genug gezogen. Herr Al-Wazir hat in dem Zusammenhang auch wieder den Namen Berlusconi verwendet. Das war auch der Versuch im März: Parallelen zu ziehen, die schlichtweg unzulässig sind.
In der Öffentlichkeit versuchen Sie immer wieder, unsere öffentlich-rechtlich kontrollierten und öffentlich-rechtlich strukturierten Sender mit staatlich beeinflusstem Fernsehen gleichzusetzen: wie in Frankreich bei Herrn Sarkozy, wie in Italien bei Herrn Berlusconi oder wie in Russland bei Herrn Putin. Wenn Sie so etwas tun, ist das eine Beleidigung für alle, die beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen arbeiten, ob in den Gremien oder als Journalisten.
Ich bleibe dabei: Ein Staatsfernsehen haben wir in Deutschland ganz und gar nicht. Das gilt nicht nur für das ZDF und – da Herr Al-Wazir so für die Bildersprache ist – für den Hessischen Rundfunk. Onkel Otto meine ich.
Ich habe noch ein anderes Bild: Das ist der Elch, der beim Südwestrundfunk – SWR – eine Rolle spielt. Sie lieben die Bildersprache; dann will ich es Ihnen auch zeigen.
Dies gilt für den Hessischen Rundfunk, und dies gilt auch für den Südwestrundfunk, selbst wenn wir in der Zeitung lesen durften, dass bei den Mitarbeitern des Südwestrundfunks der eigene Sender nur noch unter dem Namen „Beck-TV“ bekannt ist.
Das lässt tief blicken, was – sagen wir es vorsichtig – die Arbeitsbeziehung des SPD-Kurzzeitvorsitzenden und Kämpfers für die Rundfunkfreiheit Beck zu der Redaktionsleitung des SWR betrifft. Wie so oft bei den Sozialdemokraten scheint hier zu gelten: links blinken, rechts abbiegen.
Ich komme zu einem anderen Thema im Zusammenhang mit der Scheinheiligkeit der SPD, die hier dokumentiert wird – Stichwort: Medienbeteiligungen der SPD. Über ihre Mediengesellschaft, die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, hält die SPD direkte Beteiligungen an verschiedenen Verlagen. Letztlich hält sie Beteiligungen an rund 70 Zeitungen in Deutschland mit einer Gesamtauflage von über 6 Millionen Exemplaren und ca. 12 Millionen Lesern. Ich nenne nur eine kleine Auswahl: die „Süddeutsche Zeitung“, die „Westfälische Rundschau“ und die „Sächsische Zeitung“, nicht zu vergessen der 40-%-Anteil an der „Frankfurter Rundschau“.
Über diese Beteiligungen nehmen Sie in den Gesellschaftergremien der entsprechenden Verlage – berechtigt, solange Sie diese Beteiligungen halten – entscheidenden Einfluss auf die grundlegenden Personalentscheidungen. Wenn Sie diese Position hier weiterhin vertreten wollen, rufe ich Ihnen zu: Lösen Sie sich endlich von diesen Beteiligungen. Geben Sie Ihren Einfluss auf die Zeitungen auf. Dann kann man Sie auch in Diskussionen wie dieser wieder ernst nehmen.
In der Sache – damit komme ich zu dem Antrag, den wir heute hier vorgelegt haben – gilt für uns Liberale das Gebot der Staatsferne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Deshalb haben wir gemeinsam mit der CDU den Antrag Drucks. 18/1695 vorgelegt, dem Sie zustimmen sollten, wenn die Äußerungen, die Sie heute von sich gegeben haben, ernst gemeint sind.
Wir stellen in diesem Antrag – und später mit dem Beschluss – fest,„dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen Grundversorgungsauftrag sowie den gesetzlich definierten Programmauftrag“ wahrnimmt und dass dazu „die Wahrung der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit“ unabdingbar ist.Aus diesem Grund ist in den verantwortlichen Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne eines pluralen Meinungsbilds ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den verschiedenen Vertretern aus gesellschaftlichen, politischen und religiösen Gruppen sicherzustellen, so, wie es z. B. beim hr der Fall ist – meines Erachtens auch beim ZDF-Fernsehrat, dem Vertreter der verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen und eine kleine Anzahl parteigebundener Vertreter angehören. So hat es Herr Al-Wazir auch schon für den Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks beschrieben. Nur ein diesen von uns formulierten Grundsätzen verpflichteter öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist unabhängig im Sinne der Pressefreiheit nach Art. 5 des Grundgesetzes.
Wir bekennen uns zu Vielfalt und Wettbewerb; denn nur der Wettbewerb zwischen den Medien setzt Kreativität frei und sorgt für Pluralismus und Effizienz.
Für uns ist entscheidend, dass alle Gremienmitglieder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – in allen Rundfunkanstalten,vom ZDF bis zum SWR – diese Grundsätze bei ihrer Aufgabenerledigung beachten, damit eine darüber hinausgehende Einflussnahme vermieden wird.
Ich wiederhole zum Schluss, was ich Ihnen, den Oppositionsfraktionen, bereits am 5. März zugerufen habe: Tun Sie doch nicht so, als ob Sie die Fairness gegenüber dem Journalismus für sich gepachtet hätten. Wir alle kämpfen für einen freien Rundfunk, für ein freies Fernsehen, und dabei wird es bleiben.
Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Es gab in der Debatte zur letzten Aktuellen Stunde, die heute auf der Tagesordnung stand, eine Irritation über eine Äußerung des Kollegen Dr. Wilken. Wir haben uns den Redeauszug bringen lassen. Ich stelle hiermit fest, dass die Äußerungen nicht den parlamentarischen Gepflogenheiten ent
sprachen, sondern beleidigender Natur waren. Daher erteile ich Herrn Dr. Wilken für diese Äußerungen nachträglich einen Ordnungsruf.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei aller Freude an der Debatte und aller Emotionalität, die dabei zum Ausdruck kommt, stelle ich fest: Wir haben es eigentlich mit zwei sehr unterschiedlichen Vorgängen zu tun, und als Mitglieder dieses Parlaments sowie als Politiker insgesamt tun wir uns wahrscheinlich keinen Gefallen, wenn wir sie ständig vermischen.
Bei dem einen Vorgang geht es um die Entscheidung, die ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen in einer geheimen Abstimmung getroffen habe. Allerdings wissen Sie alle, was ich dort entschieden habe, sodass man nicht darüber zu reden und nicht zu betonen braucht, das sei eine geheime Abstimmung gewesen. Es ist aber bedeutend, dass das in diesen Gremien möglich ist. Das zeigt, nach welchen Kriterien dort entschieden werden kann: Eine Mehrheit des Verwaltungsrats ist dem Vorschlag des Intendanten, den Vertrag des Chefredakteurs des Zweiten Deutschen Fernsehen erneut zu verlängern, nicht gefolgt.
Niemand ist abberufen worden. Vielmehr bekommen die Menschen dort Fünfjahresverträge. Nach zehn Jahren ist es genauso legitim wie beim ersten Mal, die Frage zu stellen, ob man einen Fünfjahresvertrag abschließt. Es ist eben die Frage, ob Zeitverträge verlängert werden oder nicht. Da kann man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Sie können zu dem Schluss kommen, dass Herr Brender der Geeignetste für diese Tätigkeit ist. Das würde ich Ihnen nicht übel nehmen;das haben auch sieben Kollegen in diesem Gremium so gesehen. Das bewegt sich übrigens ein bisschen jenseits dessen,was man in der Öffentlichkeit als „Parteifärbung bei den Entscheidungen“ bezeichnet.
Ich persönlich bin nicht dieser Auffassung. Das habe ich vorher gesagt; dabei bleibe ich auch. Solange ich Mitglied eines Gremiums bin, das Personalentscheidungen trifft, werde ich, wie jeder andere, meine Verantwortung wahrnehmen und so entscheiden, wie ich es im Interesse der Institution, für die ich dort Verantwortung trage, für richtig halte.
Das ist, wenn Sie so wollen, auch nicht diskutierbar. Deshalb ist es eine geheime Abstimmung. Das gilt, auch wenn wir jetzt hier die Chance haben, in einer politischen Debatte öffentlich darüber zu reden.
Das ist die höchstpersönliche Verantwortung der Gremienmitglieder, die dafür gewählt worden sind, diese Verantwortung wahrzunehmen.
Personalverantwortung im Verwaltungsrat des Zweiten Deutschen Fernsehens wahrzunehmen, das ist, bei aller Freundschaft, nichts Atypisches. Vielmehr handelt es sich um ein Gremium, das für die Aufgabe, Personalverantwortung zu tragen, gewählt und vom Staatsvertrag geschaffen worden ist.
Ich bin und bleibe der Auffassung, dass es für das Zweite Deutsche Fernsehen wesentlich besser ist, einen Personalwechsel herbeizuführen. Sie werden bis zum Ende al
ler Tage behaupten – so ist das politische Geschäft, ich werde gleich etwas zu der Frage des Einflusses der Politik sagen –, das hätte parteipolitische Motive.
Ich will nur in Klammern anfügen, ich habe nicht den geringsten Anlass für den Verdacht, dass der neue Chefredakteur der Christlich Demokratischen Union,der ich angehöre,näher stehen wird,als der alte es tat.Unter diesem Gesichtspunkt ist die Inkaufnahme des Ärgers, den ich dank Ihrer Debatte und anderem, was damit verbunden ist, natürlich habe – es ist nicht vergnüglich, eine solche Debatte zu führen –,völlig sinnlos.Deshalb wird durchaus auch bei meinen politischen Freunden die Frage gestellt: Sagt einmal, warum macht ihr so etwas überhaupt?
Ich bekenne mich dazu. Ich mache das deshalb, weil ich, solange ich in diesem Gremium bin, eine Verantwortung für die Entwicklung des Zweiten Deutschen Fernsehens empfinde. Ich glaube, dass die Dinge dort nicht so laufen, wie sie laufen müssten und laufen könnten. Solange ich in diesem Gremium sitze, lasse ich mir diese Entscheidung auch von niemandem abnehmen. Das ist meine Überzeugung. Dazu muss ich in einem solchen Gremium stehen.
Die Frage, die dahinter steht, ist natürlich die Frage: Wie sehen die Strukturen aus? Sollten Menschen, die gleichzeitig politische Verantwortung haben, in solchen Gremien Einfluss haben – oder nicht? Darüber diskutiert, wenn auch auf einem etwas ungewöhnlichen Wege,im Augenblick mein Kollege Kurt Beck. Ich kann nicht sagen, dass er eine klare Antwort auf die Frage hat, die er da formuliert hat.
Ich sehe z. B., dass sich nach seinem Vorschlag bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrates inklusive der Entsendung der fünf Ministerpräsidenten, die dort maximal sitzen können, wenn die Länder ihre Entsendungsrechte auf die Ministerpräsidenten konzentrieren, gar nichts ändern würde. Vielmehr soll die Sache dadurch legitimer werden, dass bei der Mehrheit umgewechselt werden soll. In Zukunft soll man dann mit Dreifünftelmehrheit gegen den Vorschlag des Intendanten stimmen müssen,während man im Augenblick mit einer Dreifünftelmehrheit für den Vorschlag des Intendanten stimmen muss.
Das ist eine interessante Frage.Aber mit der verfassungsrechtlichen Legitimation und mit Staatsferne oder Politikferne hat das,einmal vorsichtig formuliert,gar nichts zu tun.In diesem Zusammenhang ist das neutral.Das ist eine interessante Debatte in der Presse.
Ich hinterfrage das noch nicht einmal unter dem Gesichtspunkt, dass ich sage: Ich halte das für völlig ausgeschlossen. – Ich frage dann aber etwas hinsichtlich des Verwaltungsdirektors. Das Budget- und Personalrecht ist das Einzige, was der Verwaltungsrat hat. Es bleibt dann zu fragen, ob auch da der Vorschlag des Herrn Beck wie bei der Wahl des Chefredakteurs gelten soll, dass man da dann eine Dreifünftelmehrheit gegen den Vorschlag des Intendanten braucht.