Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Danke, Herr Schäfer-Gümbel. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Herr Kaufmann zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Kaufmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Roland Koch hat versprochen – ich zitiere –:

Die Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens erwarten zu Recht einen wirksamen Ausgleich für zunehmende Flugbewegungen am Tage, und deshalb bin ich in dieser Frage auch zu keinerlei Kompromissen bereit.

Der Verwaltungsgerichtshof sagt ihm dazu – ich zitiere –:

Danach ist die Planfeststellungsbehörde auch bei der Entscheidung über die Regelung des Flugbetriebs in der Kernzeit der Nacht gehalten, gravierende Lärmbelastungen am Tag in die planerische Abwägung einzustellen.

Meine Damen und Herren, Koch und der VGH stimmen überein. Herr Koch, warum wollen Sie dann in die Revision gehen?

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das sind wir doch gar nicht!)

Meine Damen und Herren, Jörg-Uwe Hahn hat versprochen:

Die andere Seite heißt: Wenn es eine Erweiterung gibt, dann nur mit einem Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr. Eine halbe Münze wird es mit der FDP nicht geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat geurteilt – ich zitiere –:

Die Landesplanung geht daher zu Recht davon aus, dass das Verbot planmäßiger Flüge in der Mediationsnacht einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz des Projekts und damit letztlich auch zur Verträglichkeit der Fluglärmbelastung liefert.

Der VGH folgt also dem Versprechen von Hahn. Herr Hahn, warum wollen Sie dennoch in die Revision gehen?

Meine Damen und Herren, Roland Koch hat weiterhin versprochen – ich zitiere –:

Ein Nachtflugverbot wird in der Tat nicht von allen Beteiligten begrüßt, weshalb dessen Umsetzung auch auf Widerstände stoßen wird. In Anbetracht der geltenden Rechtslage sehe ich jedoch keine grundsätzlichen Hindernisse,die der Einführung eines Nachtflugverbots im Wege stehen.

Der Verwaltungsgerichtshof urteilt – ich zitiere –:

... all diese Umstände sind zwar von hohem Gewicht,aber nicht so gewichtig,dass sie einem Verbot planmäßiger Flüge von 23 bis 5 Uhr als im Wege der Abwägung unüberwindbares Hindernis entgegenstünden.

Meine Damen und Herren, der VGH gibt auch hierin Koch recht. Herr Koch, warum wollen Sie dann eigentlich die Revision?

Herr Ministerpräsident, wir GRÜNE fordern von Ihnen, dem VGH zu folgen und Ihren Wirtschaftsminister Posch aufzufordern, in einem ergänzenden Planfeststellungsverfahren das dringend notwendige und immer wieder versprochene Nachtflugverbot jetzt endlich durchzusetzen.

(Michael Boddenberg (CDU): Und den Ausbau!)

Meine Damen und Herren, da die rechtlichen Bedenken durch den Spruch des Verwaltungsgerichtshofs ausgeräumt sind, steht hier und heute eindeutig fest: Wer mit Revision liebäugelt und sich fortgesetzt mit fadenscheinigen Argumenten weigert, den Weg zur Umsetzung des Nachtflugverbots zu beschreiten, beweist damit nur eines: Er hat die Menschen, die rund um den Flughafen leben, von Anfang an täuschen wollen, um jetzt Seit’ an Seit’ mit Lufthansa dafür zu kämpfen, die Nachtflüge dauerhaft zu erlauben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wie lesen wir aktuell von Lufthansa im „Politikbrief“, November 2009? Ich zitiere:

Lufthansa kämpft für jeden Frachter... Die neue Bundesregierung muss... eine Rechtsgrundlage schaffen, die Nachtflüge... an zentralen Standorten wie Frankfurt erlaubt.

Herr Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ministerpräsident Koch?

Herr Präsident, in der Aktuellen Stunde wohl kaum.

Herr Koch, die Interessen von Lufthansa oder die Menschen in Hessen – für wen wollen Sie sich engagieren? Das sollten Sie uns hier und heute erklären. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kaufmann. – Ich darf Herrn Müller das Wort für die FDP-Fraktion erteilen.

(Manfred Görig (SPD): Das können Sie aber nicht alles verlesen!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Opposition kann versuchen, hier Aufregung zu verbreiten – aber Sie können sicher sein,wir werden uns davon nicht anstecken lassen. Aufgeregte Entscheidungen sind nur selten gute Entscheidungen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich habe Ihnen hier über 400 Seiten juristische Begründung mitgebracht.

(Der Redner hält ein umfangreiches Schriftstück hoch.)

400 Seiten juristische Begründung bedeutet: Es gibt jede Menge Argumentationen, die analysiert, ausgewertet und begutachtet werden müssen, bevor wir eine verantwortliche Entscheidung treffen können.

Wir analysieren sie derzeit.Wir sind da dran.Wenn Sie das sachlich betrachten: Seit Freitagnachmittag haben wir diese Begründung im Wirtschaftsministerium. Das sind fünf Tage, inklusive das Wochenende. Wenn Sie glauben, in dieser Zeit könne man 400 Seiten diffizile juristische Begründung auswerten und darauf eine ordentliche, sichere Entscheidung basieren, dann weiß ich nicht, wie viel juristischen Sachverstand Sie in Ihren Fraktionen haben.

(Beifall bei der FDP)

Nicht umsonst hat der Gesetzgeber eine Vierwochenfrist vorgesehen, die insbesondere bei derart umfangreichen und wichtigen Entscheidungen ihre absolute Berechtigung hat.

Ich kann Ihnen eines sagen:Auch heute werden wir keine Entscheidung treffen, ob wir in Revision gehen oder nicht. Da wir in politischer Verantwortung stehen, müssen wir eine solche Entscheidung auf einer ordentlichen Grundlage treffen.Dies setzt die vollständige Auswertung des Urteils voraus. Das erzählen wir Ihnen schon seit Monaten, und genau das tun wir jetzt auch.

Meine Damen und Herren, darüber hinaus gilt es, festzuhalten: Der VGH hat jedenfalls keine Ermessensreduktion auf null festgesetzt. Er hat sich also in keiner Weise

auf ein vollständiges Nachtflugverbot festgelegt, wie Sie es im Moment darzustellen versuchen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD):Auf „annähernd null“! Lesen hilft!)

Dann nämlich hätte es ein Bescheidungsurteil geben müssen – und das liegt nicht vor.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Axel Winter- meyer (CDU))

Wir werden weiterhin dafür eintreten, die Nachtflüge möglichst zu begrenzen. Dafür brauchen wir eine rechtssichere Entscheidung.

Das heißt, die Begründung dieser Entscheidung muss rechtssicher und nachvollziehbar sein, wenn wir die Nachtflüge gegenüber dem Planfeststellungsbeschluss weiter reduzieren wollen. Genau das prüfen wir im Moment – ob wir mit diesem Urteil eine rechtssichere Entscheidung haben oder ob wir befürchten müssen, dass ein auf dieser Grundlage ergehender ergänzender Planfeststellungsbeschluss Gefahr läuft, seinerseits wiederum durch die Gerichte aufgehoben zu werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Damit wäre nämlich auch den Flughafenanrainern nicht gedient, denn dies würde das Verfahren weiter verlängern.

Meine Damen und Herren, insgesamt machen Sie es sich bei Ihren Betrachtungen etwas zu einfach.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Entschuldigung, ich beziehe mich auf das, was wir hier zehn Jahre lang diskutiert haben!)

Wir werden die Begründung dieses Urteils ausführlich und in allen Aspekten rechtlich würdigen. Dann werden wir eine Entscheidung treffen, ob wir Revision gegen das Urteil einlegen oder darauf verzichten.

Zweitens noch ein kleines formales Schmankerl – das Sie wahrscheinlich nicht interessiert, das aber durchaus relevant ist, zumindest für das weitere Verfahren –: Über die Einlegung der Revision entscheidet nicht die erste Gewalt, sondern die Landesregierung, konkret der Wirtschaftsminister als Plangenehmigungsbehörde,