Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Wenn ein Gericht entschieden hat, dann stellt sich die spannende Frage, was eine betroffene Partei mit dem Urteil macht.Was macht eine betroffene Partei insbesondere dann mit dem Urteil, wenn es exakt der Position entspricht, die sie vor dem Verfahren eingenommen hat? Wenn sie das Urteil nicht akzeptiert, dann geht es nicht um Juristerei, sondern es geht um politischen Willen. Dann geht es darum, dass eine Partei nicht will.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Insofern benötige ich nicht die vollständige Redezeit. Die 15-minütige Rede des Ministers war nur Nebel. Ich glaube, die Sache ist klar, und die namentliche Abstimmung wird dies verdeutlichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abg. Schaus für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Debatte ist klar geworden, dass das Wissen um die juristische Problematik der Nachtflüge schon vor der Entscheidung über den Planfeststellungsbeschlusses vorhanden war.

(Minister Dieter Posch: Nein!)

Herr Minister Posch,wenn Sie jetzt Nein sagen:Ich habe vorhin aus Unterlagen zitiert, die auch Ihnen nicht verborgen geblieben sein dürften. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, dass Herr Minister Hahn und Herr Minister Weimar Mitglieder des Aufsichtsrats von Fraport sind und auch ihnen daher solche internen strategischen Überlegungen nicht verborgen geblieben sein können. Ich glaube angesichts der intensiven Debatte, die der Bau der Nordwestlandebahn und der Flughafenausbau insgesamt ausgelöst haben, nicht, dass Sie behaupten

können, von den Überlegungen der Fluggesellschaften und der Vertreter von Fraport sowie der Einschätzung der Rechtslage – bis hin zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – nichts gewusst zu haben. Das nehme ich Ihnen nicht ab, Herr Posch.

Dennoch haben Sie im Dezember 2007 im Planfeststellungsbeschluss die Genehmigung von 17 Nachtflügen damit begründet, dass ein Nachtflugverbot juristisch wahrscheinlich nicht durchsetzbar sei – entgegen der Überzeugung aller Experten. Da frage ich mich, was das Wort Ihrer Experten an der Stelle wert ist, wenn ich nicht unterstellen will, dass Sie bewusst fahrlässig gehandelt und diese juristische Frage bewusst in den Vordergrund gestellt haben, um Ihrem Ziel, Nachtflüge durchzusetzen und die Interessen von Fraport und der Lufthansa zu bedienen, Rechnung zu tragen – in der Hoffnung, dass die Gerichte so entscheiden mögen, was der Verwaltungsgerichtshof bekannterweise nicht getan hat.

Herr Minister Posch, Herr Koch, ich verstehe Ihre Reaktion auf dieses Urteil überhaupt nicht. Da Sie immer die Position vertreten haben, dass es nur darum gehe, das Nachtflugverbot juristisch fest zu verankern, müssten Sie über dieses Urteil doch eigentlich jubeln. Da bräuchten Sie doch keine wochenlange Prüfung dieses Urteils. Da wäre es doch ehrlich, zu sagen: Jawohl, wir begrüßen dieses Urteil; das war immer unsere Position, und auf der Grundlage werden wir eine Planänderung vornehmen. – Das wäre die korrekte Vorgehensweise – gemessen an der Position, die Sie in den letzten Jahren nach außen immer vertreten haben. Das wäre eine ehrliche, eine überzeugende, eine geradlinige Position. Der Schlingerkurs, den Sie an genau dieser Stelle fahren, belegt aber aus meiner Sicht, dass Sie von Anfang an nicht vorhatten, ohne Nachtflüge aus dem Verfahren zu gehen. Damit wird all das bestätigt, was in dieser Debatte gesagt worden ist.

Um die Position unserer Fraktion noch einmal deutlich zu machen:Wenn wir von Nachtflügen reden,dann reden wir von einem Nachtflugverbot in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr.Da geht es um erheblich mehr Flüge.Da geht es nicht nur um 6.000 Flüge im Jahr – bei einem Nachtflugverbot zwischen 23 Uhr und 5 Uhr –, sondern um 55.000 Nachtflüge zwischen 22 Uhr und 6 Uhr. Das sind wir der Region und den dort lebenden Menschen mehr als schuldig, die schon über Jahre die Belastungen aushalten müssen.

Wenn ich mir den Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion anschaue, dann muss ich sagen: Der ist verräterisch. Wie argumentieren Sie? Sie argumentieren zunächst – wie üblich – mit den Arbeitsplätzen, die nach wie vor durch nichts bewiesen sind.

(Widerspruch bei der CDU und der FDP)

Da schwirren seit Jahren Zahlen durch den Raum – nach dem Motto: Wir schreiben eine Zahl hin, die wird dann schon richtig sein. – Sie haben keine Belege dafür. Sie haben auch keine Untersuchung darüber, welche Verlagerungen von Arbeitsplätzen von einer Region in eine andere stattfinden. Viel entscheidender ist aber doch die Aussage: Wir erlassen doch ein Nachtflugverbot, nämlich für die Nordwestlandebahn; wir „demokratisieren“ den Fluglärm. – Das ist eine der zynischsten Aussagen, die in diesem Zusammenhang überhaupt getroffen werden können. Diese Formulierung würde ich zum Unwort des Jahres vorschlagen. Sie sagen: Die einen tragen die zusätzliche Belastung durch die Nordwestlandebahn, dann sollen die anderen die Belastung durch zusätzliche Nachtflüge

tragen. – Wie gehen Sie denn mit der Region um? Das ist Ihre Position im Antrag von CDU und FDP.

(Zurufe von der CDU)

Die SPD nimmt richtigerweise Bezug auf die bisherige Beschlussfassung über den Flughafenausbau, an der sie beteiligt ist, und sie steht auch dazu. Jetzt geriert sich die SPD als Speerspitze und Vorkämpfer für ein Nachtflugverbot. Ich will an dieser Stelle sagen: Wir werden in der namentlichen Abstimmung dem Antrag der GRÜNEN zustimmen, weil er sich ausschließlich um die hier zu diskutierende und zu entscheidende Frage dreht, wie wir mit dem VGH-Urteil umgehen. Das VGH-Urteil ist nach unserer Auffassung nicht ausreichend. Von uns – insofern können Sie sich darauf verlassen, dass unser Wort gilt – wird es in diesem Hause niemals eine Zustimmung zu einem Ausbau des Flughafens Frankfurt geben. Darauf können Sie sich verlassen. Dennoch sehen wir das VGHUrteil und das Nachtflugverbot von 23 Uhr bis 5 Uhr als einen ersten Schritt zur Verhinderung des Baus der Nordwestlandebahn an.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Dr.Wagner für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst Herrn Minister Posch sehr herzlich danken. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mit großer Gründlichkeit und mit großer Differenziertheit heute ein Thema vorgetragen haben, das sich nicht für Polemik und für Kampagnen eignet,

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

sondern Verantwortlichkeit, ein gründliches Nachdenken und ein gründliches Entscheiden erfordert. Herr Minister Posch, Ihr Vortrag war von großer Sachlichkeit und von großem Verantwortungsbewusstsein geprägt. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Die GRÜNEN und die LINKEN, die beide den Ausbau des Flughafens verhindern wollen, im Rahmen der Gesamtthematik aber auch die SPD unterstellen der FDP und der CDU, dass sie zu der schwierigen Frage des Flughafenausbaus und der Regelung des Nachtflugbetriebs Böses im Schilde führen.

(Günter Rudolph (SPD): Genau so ist es! – Demonstrativer Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich bedanke mich für Ihren Beifall und frage Sie:Welche Motivation unterstellen Sie uns? Das würde ich gerne wissen.Zu einer ordentlichen argumentativen Diskussion gehört auch, dass man den anderen nicht nur beschimpft, sondern auch nachfragt,warum er sich so verhält,wie man es kritisiert.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Weil Ihnen die Menschen egal sind! – Wei tere Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich will Ihnen ganz klar und deutlich sagen: Die Motivation von FDP und CDU bei der gesamten Thematik ist eine ganz eindeutige.

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Lassen Sie mich das doch erst einmal erklären,bevor Sie schon im Vorhinein Nein sagen.

Meine Damen und Herren, wir haben in Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Planfeststellungsbeschluss vom 17. Dezember 2007 feststellen müssen, dass eine totale Nullregelung rechtlich zweifelhaft wäre. Ich wiederhole es: Das geschah in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

(Nancy Faeser (SPD): Das ist schlicht falsch!)

Unsere Motivation ist nicht etwa, privaten Großkapitalisten in die Hände zu spielen. Die gibt es beim Flughafen nämlich nicht, wie Sie wissen. Unsere einzige Motivation ist, einen rechtssicheren Betrieb des Frankfurter Flughafens auch unter Ansehung des internationalen Wettbewerbs sicherzustellen. Das ist unsere Motivation; wir haben keine andere.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lebhafte Zu- rufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich will das nur am Rand hinzufügen: Wenn man mit diesem sehr komplexen Thema verantwortungsbewusst umgehen will, muss man permanent die Tatsache im Hinterkopf haben, dass es hier um Zehntausende von Arbeitsplätzen – vorhandene und künftig zu schaffende – geht.

(Beifall bei der CDU)

Ich will aber noch Folgendes sagen. Herr Al-Wazir, Sie werden seit Monaten nicht müde – Sie machen das geradezu gebetsmühlenartig –, uns, auch in diesem Plenum, vorzuwerfen, wir würden nach der Wahl etwas anderes sagen als vor der Wahl.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch so!)

Lassen Sie mich wenigstens darauf antworten.Wenn Sie zuhören, können Sie auch Ihre Gegenargumente schärfen. Den Verstand auszuschalten, statt zuzuhören, führt aber überhaupt nicht zu einer qualitätsvollen Debatte.

(Beifall bei der CDU)

Ich werbe permanent dafür, dass wir uns die unterschiedlichsten Argumente wenigstens anhören, sie austauschen, bewerten und dann einander widersprechen. Das gehört zum Parlament dazu.

Herr Al-Wazir hat gesagt, vor der Wahl hätten wir anders gesprochen als nach der Wahl. Meine Damen und Herren, darf ich Sie daran erinnern, dass die Landtagswahl im Januar 2008 stattgefunden hat?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Eine!)

Darf ich Sie daran erinnern, dass der Planfeststellungsbeschluss, der pro Nacht 17 Ausnahmeflüge vorsieht, am 18. Dezember 2007 gefasst und veröffentlicht worden ist, also kurz vor der Landtagswahl?

(Axel Wintermeyer (CDU): Genau so ist es!)

Jetzt frage ich Sie:Wo befindet sich der Widerspruch zwischen dem, was vorher gesagt worden ist, und dem, was hinterher gemacht worden ist?

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Al-Wazir, wenn ich mich damit beschäftige, wo Ihre Motive liegen, muss ich leider feststellen, dass Sie ein Interesse an einer politischen Kampagne haben, die mit der Sache nichts mehr zu tun hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Was Ihre Motive betrifft, sage ich Ihnen: Sie von den GRÜNEN und von der SPD meinen eigentlich nicht das Nachtflugverbot, sondern Sie wollen den Flughafenausbau heute genauso verhindern, wie Sie damals dagegen gekämpft haben.