Protokoll der Sitzung vom 22.12.2009

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in aller Ruhe klar und deutlich noch eines zu dem Entschließungsantrag der SPD-Fraktion sagen. Herr Schäfer-Gümbel, in Nr. 2 Ihres Dringlichen Entschließungsantrags schreiben Sie, wenn die Landesregierung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs keine Revision einlege, dann erhielten alle am Flughafenausbau Beteiligten Rechtssicherheit. In Nr. 5 des gleichen Antrags schreiben Sie aber:

Der Hessische Landtag erwartet, dass dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs durch Einleitung eines Planergänzungsverfahrens entsprochen wird.

Merken Sie den Widerspruch nicht? Auf der einen Seite behaupten Sie, dass durch den Verzicht, Rechtsmittel einzulegen, Rechtssicherheit entstehe, auf der anderen Seite plädieren Sie dafür, dass das Verfahren neu eröffnet wird. Dann haben Sie aber eben gerade keine Rechtssicherheit,

wie ich bereits mehrfach dargelegt habe. Dann haben Sie wiederum ein Risiko.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich habe das Gefühl, lieber Herr Kollege Schäfer-Gümbel,dass Sie im Hinblick auf juristische Fragen noch etwas Nachholbedarf haben. Ich bin gerne bereit – –

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer- Gümbel (SPD))

Sie widersprechen sich jedenfalls eindeutig, wenn Sie in Nr. 5 Ihres Entschließungsantrags die Einleitung eines Planergänzungsverfahrens verlangen.

(Lebhafte Zurufe von der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Tarek Al-Wazir (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Tiefflieger!)

Ich wehre mich dagegen, Herr Schäfer-Gümbel, dass Sie den Flughafenmitarbeitern Sand in die Augen streuen.Sie müssen schon klar und wahr sagen, was ist, sowohl rechtlich als auch politisch.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lebhafte Zu- rufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will am Schluss meiner Rede darauf hinweisen, dass die SPD noch vor 13 oder 14 Monaten im Hinblick auf die Frage der Flughafenerweiterung gerne bereit war, den GRÜNEN und der Linkspartei die Flughafenerweiterung zu opfern – wegen ihrer damaligen Machtoption.

(Beifall bei der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zu sagen ist notwendig, damit man weiß, mit welcher „Vehemenz“ Sie in Wirklichkeit gegen die Flughafenerweiterung politisch agieren. Das ist die Wahrheit. Sie kennen Ihren rot-grünen Koalitionsvertrag.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da steht genau das drin, was im Urteil steht, dass wir ein Ergänzungsverfahren brauchen! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen hier mehrfach gesagt – das hören Sie natürlich nicht gerne –, dass Ihnen der Flughafen völlig gleichgültig wäre, wenn Sie mit Rot-Rot-Grün eine Mehrheit hätten. Auch das gehört zur Glaubwürdigkeit Ihrer Argumentation in diesem Hause.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der frühere Präsident der Frankfurter Universität, Rudolf Steinberg, hat vor wenigen Tagen in der „Frankfurter Neuen Presse“ Folgendes gesagt:

Mir scheint fast so, als könnten die Kritiker einer Revision an die ihre Argumente stützenden Passagen des Urteils selbst nicht so recht glauben; sonst könnten sie dem Revisionsverfahren gelassener entgegensehen.

Herr Schäfer-Gümbel,meine Damen und Herren von den GRÜNEN, jetzt frage ich Sie:Warum fürchten Sie eigentlich eine Revision?

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das erkläre ich Ihnen gleich noch einmal, Herr Wagner!)

Sind Sie sich Ihrer Sache nicht sicher? Ich sage Ihnen, die gesamte Kampagne,die Sie hier seit Wochen veranstalten, steht auf tönernen Füßen. Sie betreiben hier eine Inszenierung und keine Debatte in der Sache. Auf diese Weise werden Sie weder die Erweiterung des Frankfurter Flughafens ausreichend unterstützen noch dem Lande Hessen helfen.

Genau deshalb sind wir anderer Auffassung als Sie. Wir wollen,dass möglichst schnell entschieden wird,dass möglichst schnell Klarheit darüber herrscht, dass hier Arbeitsplätze gesichert werden, und dass auf diese Art und Weise auch möglichst schnell für alle Betroffenen die Frage beantwortet wird, was aus ihrer Zukunft wird. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Wagner. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich Herrn Kaufmann das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der selbst ernannte Arbeiterführer Dr. Christean Wagner begründet die Forderung nach einem Flughafenausbau ohne Nachtflugverbot. Genau das haben wir eben erlebt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Da schreckt er auch nicht vor einer wahrheitswidrigen Behauptung nach der anderen zurück. Herr Kollege Dr. Wagner, das, was in dem Koalitionsvertrag stand, ist exakt das, was der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil geschrieben hat,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

nämlich ein ergänzendes Verfahren durchzuführen, um das Nachtflugverbot am Ende doch noch durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, aber ich will mich gar nicht weiter mit dem missglückten Satireversuch des Kollegen Dr.Wagner befassen, sondern eher mit der mehr wort- als inhaltsreichen Erklärung des Verkehrsministers.

Dazu lässt sich als Erstes feststellen,und da passt Herr Dr. Wagner wunderbar hinein: Es tut dem Land Hessen erkennbar überhaupt nicht gut, dass neben dem Ministerpräsidenten auch noch sieben von acht Fachressorts ebenfalls von Juristinnen und Juristen besetzt sind. Bei der überwältigenden Mehrheit glaubt die Landesregierung ganz offensichtlich, mit formalen Spitzfindigkeiten aus der Schatulle des Winkeladvokaten die politische Auseinandersetzung um den Flughafenausbau gewinnen zu können und ihren eklatanten Wortbruch rechtfertigen zu können. Da kann ich nur sagen: welch ein Irrtum.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, auch die am vergangen Wochenende über die Presse neuerlich gestarteten Versuche des Ministerpräsidenten, sich als Opfer der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darzustellen, verfangen nicht. Die juristische Exegese ist notwendigerweise immer subjektiv.Aber jenseits dessen kann man die

Ausführungen von Koch in seinem Interview als Ausflüchte identifizieren, weil hier nur Hilfsargumente vorgeschoben werden, die lediglich der Verschleierung dienen.

Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, alle Urteile, auf die Sie sich in Ihrer Argumentation stützen, sind vor dem Februar 2007 ergangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Der Februar 2007 ist deshalb wichtig, weil es der Zeitpunkt ist, als Fraport letztmals ihren Antrag auf Einschränkung des Nachtflugverkehrs unter der Überschrift „Betriebliche Regelung“ im Rahmen des Antrags auf Planfeststellung des Ausbaus wiederholte. Ich darf Ihnen sagen:Seite 39/40 der Antragsschrift A 1.Das war das Verbot der planmäßigen Flüge zwischen 23 und 5 Uhr, und das wird seit der Meditation Nachtflugverbot genannt. Wenn Fraport im Wissen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das beantragt,dann weiß sie – davon gehe ich aus; ich nehme an, Sie auch –, was sie tut, dass sie dennoch das Nachtflugverbot will.

Doch kommen wir zunächst auf die heutigen Äußerungen von Minister Posch zurück. Herr Posch, eine Argumentation wie die Ihre, die wenig von Lebenswirklichkeit und überhaupt nichts von Anstand widerspiegelt,

(Zuruf des Abg.Wolfgang Greilich (FDP)

erzeugt bei den Menschen, die seit Jahren zunehmenden Fluglärm ertragen müssen, zu Recht wachsende Empörung. Das sollte bei Ihnen auch so sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Viele Bürgerinnen und Bürger hatten nämlich – wie sie jetzt erkannt haben, leider irrtümlich – Ihnen, Herr Posch, und den Regierungen von Herrn Koch in der Auseinandersetzung um den Flughafenausbau geglaubt, dass endlich einmal nicht ausschließlich die Interessen der Luftverkehrsindustrie, sondern ihre eigenen Belange wenigstens auch ein bisschen berücksichtigt werden würden. Jetzt allerdings erfahren sie wieder einmal eine heftige Enttäuschung und erleben obendrein einen Verkehrsminister, sich aktuell als Kämpfer gegen ihre Nachtruhe profilierend. Auf nichts anderes läuft das hinaus, was Dieter Posch uns vorhin erzählt hat, teils mit ein bisschen vorgetäuschtem Bedauern.

Meine Damen und Herren, diese Art der Argumentation ist uns leider wohlbekannt. Sie ist nämlich eingebettet in eine Kette poschscher Äußerungen und Handlungen, die ihn in seinem Lieblingsfach des Planungsrechts gern als Verfechter von beschleunigten Genehmigungen, also von Hektik statt Sorgfalt, ausweisen. Er will stets die Belange von Mensch und Natur möglichst weit zurücksetzen,wenn nur rasch gebaut werden kann. In diesem Zusammenhang darf man auch an seine Aktivitäten als Vorsitzender der Kommission der Landesregierung erinnern, die einen Gesetzentwurf zur Vereinfachung und Beschleunigung von Zulassungsverfahren für Verkehrsprojekte vorgelegt hat. Damals wie heute ging und geht es Posch darum, möglichst rasch alle Hemmnisse für die Bulldozer beiseitezuräumen, egal wer dabei unter die Räder kommt. Wir haben es heute wieder gehört.

Meine Damen und Herren, es ist ein kaum noch zu überbietender Zynismus, den Menschen gegenüber, die unter dem wachsenden Fluglärm leiden müssen, zu erklären – ich zitiere –, dass „die Frage der Bindungswirkung eines

landesplanerischen Grundsatzes für die Planfeststellungsbehörde“ wichtiger sei, als endlich damit zu beginnen, ihnen wenigstens etwas Nachtruhe zu verschaffen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Und dies auch noch vor dem Hintergrund, dass Posch ebenso wie die Landesregierung und die schwarz-gelbe Koalition uns bis zu diesem Augenblick mit treuherzigem Augenaufschlag erklären – beim Kollegen Dr.Wagner haben wir es gerade erlebt –, sie wollten natürlich möglichst wenige Nachtflüge, am liebsten ein Nachtflugverbot.

Obwohl es nicht logisch zu verstehen ist, behauptet Posch immer noch, genau das zu wollen, was er und die anderen in der Regierung und der Koalition stets versprochen haben und was der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil auch für Recht erkannt hat.Aber genau deshalb – und da wird es irgendwie wahnwitzig – greift er dieses Urteil per Revisionsantrag an. Wir haben gehört, er wolle damit angeblich rasch rechtliche Klarheit erzeugen; denn wenn er es nicht täte, würden es andere sowieso tun, das würde aber länger dauern. – Das ist doch nichts weiter als ein kläglich gescheiterter Ausredeversuch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Wir haben schon öfter aus seinem Munde geradezu schwärmerisch vorgetragene Abstrusitäten über konkurrierende Vorgaben im Planungsrecht und ihre rechtliche Bewältigung gehört, sodass dieser Revisionsantrag, Herr Minister Posch, offensichtlich eine ausgesprochene Herzensangelegenheit von Ihnen ist: Alle Planungen überregionaler Dimension würden durch den sogenannten Paradigmenwechsel des VGH in die Willkür der Landesplanung gestellt, und das dürfe nicht sein, weil es die Planungsbehörde in ihrer Abwägungsfreiheit beschneide.