Protokoll der Sitzung vom 03.03.2010

Von Ihnen hier dann so abqualifiziert zu werden, das haben sie wirklich nicht verdient.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

„Es gibt ein neues Angebot für die Schulen in Hessen. Eine Tür hat sich geöffnet.“ Mit diesem Begriff können die GRÜNEN natürlich gar nichts anfangen – anders kann ich mir ihren Antrag nicht erklären, denn sie sagen darin:

Der Landtag sieht in der Ankündigung der Landesregierung, das Konzept der neuen Mittelstufenschule auch auf die vorhandenen kooperativen und integrierten Gesamtschulen übertragen zu wollen, die geplante Zerschlagung dieser Schulformen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es! – Gegenruf des Abg. HansJürgen Irmer (CDU): Unfug!)

Herr Wagner, Sie hätten selbst zur Pressekonferenz kommen sollen: Das Wort „Übertragung“ ist dort nicht ein einziges Mal gefallen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Richtig!)

Das gibt es in diesem Konzept nicht.Das gibt es auch nicht in der Absicht der Landesregierung. Das neue Konzept der Mittelstufenschule ist ein Angebot,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ist es!)

zunächst einmal an 58 verbundene Haupt- und Realschulen.Wenn sich das bewährt und andere Schulen mitgehen wollen, dann können sie das.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die Zitate aus der Presse zeigen: Dieses neue Konzept ist weder Schnee von gestern noch aus dem 19. Jahrhundert.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE):Welche Zeitungen lesen Sie denn?)

Ich zitiere ein paar Überschriften: „Attraktives Modell“, „Neue Schulen bekommt das Land“, „Schüler unter einem Dach“, „Ein Einstieg mit zwei Abschlüssen“.

Ich sage Ihnen eines: Die Reaktionen der Schulen seit Freitagmittag lassen bei uns die Telefondrähte glühen und zeigen, dass dieses Angebot wirklich nachgefragt wird. Viele Schulen würden am liebsten damit schon morgen beginnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist sehr bedauerlich, dass jede politische Veränderung in der Bildungspolitik in Hessen immer die gleichen Reflexe auslöst.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Beißreflexe!)

Die Regierenden sind logischerweise dafür, und die Opposition ist vom Grundsatz her immer dagegen. Dabei gibt es keinerlei sachliche Beurteilung, ob das neue Konzept eigentlich eine Chance hat und ob das irgendwie angenommen werden kann. Nein, es wird erst einmal in Grund und Boden verdammt,und man setzt seine eigenen Ideologien daneben.

Für mich als liberale Kultusministerin und auch als sehr pragmatische Kultusministerin gibt es nur einen einfachen Satz, der die Grundlage meiner Arbeit bildet: Jede Schülerin und jeder Schüler in Hessen haben ein Anrecht auf die bestmögliche Förderung ihrer persönlichen Fähigkeiten und Talente.Wir dürfen kein Kind zurücklassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die neue Mittelstufenschule leistet dazu ihren Beitrag: die Aufbaustufe mit individueller Förderung, der Berufswahlpass, die Kompetenzfeststellung in der 7. Klasse und die Entscheidung, nach der 7. Klasse in den praxisorientierten oder in den mittleren Bildungsgang zu wechseln. Wenn Sie das als Einschränkung des Elternwillens betrachten, dass nach der 7. Klasse die Schule über den Schulweg entscheidet, dann haben Sie überhaupt Ihre ganzen Förderstufenkonzepte vergessen. Da entscheiden nämlich hinterher auch die Lehrer.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn Sie heute Morgen Nachrichten gehört haben, dann wissen Sie,dass bundesweit zwei von drei Auszubildenden nicht ausbildungsreif sind. Diese neue Mittelstufenschule wirkt genau dem entgegen, mit ihrer Praxisorientierung und der Einbindung der beruflichen Schule, um eben vor allen Dingen auch die Ausbildungsreife der Kinder und Jugendlichen zu fördern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Das ist auch richtig und wichtig so. Aber leider sehen sie es häufig nur im Gymnasium, vielleicht auch in Unkenntnis dessen, wie viele andere Wege es in Hessen zur Erlangung der Hochschulreife gibt. Daran ist natürlich auch die Politik nicht

ganz unschuldig. Die Rede von Frau Habermann hat es wieder gezeigt.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Schublade und Sackgasse Hauptschule: Es gibt in Hessen keine Sackgassen. Es gibt in Hessen auch keine Sackgassen, wenn man mit einem Hauptschulabschluss beginnt. Dieses Schaubild zeigt sehr deutlich, dass man über alle Eingänge hinterher immer zur Hochschulreife kommt – wenn denn die Hochschulreife das einzig erstrebenswerte Ziel im Leben ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieser Meinung bin ich nicht unbedingt. Ich denke, auch mit anderen Abschlüssen und Berufsbildern kann man ein sehr zufriedener Mensch werden.

Ich halte es für ganz wichtig, dass auf dem Weg dahin auch andere Abschlüsse gemacht werden können. Kein Abschluss ohne Anschluss, aber jeder Abschluss ist auch ein Erfolgserlebnis, und jede bestandene Prüfung gibt einer Schülerin und einem Schüler Mut, weiterzumachen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Jedes Kind hat einen Anspruch auf den Schulweg, der ihm und seinen Talenten gerecht wird.Wenn wir auch nur 3 % Anmeldungen in die Hauptschule haben, so haben wir doch fast 20 % Hauptschulabgänger, die hinterher die Prüfung machen. 50 % der Auszubildenden im Handwerk haben einen Hauptschulabschluss; und die Handwerkskammern fordern eindringlich:Lasst uns den Hauptschulabschluss. Wir brauchen diese Hauptschüler in den Betrieben als Auszubildende. – Auch diesem Prinzip wird die Mittelstufenschule gerecht. In der Aufbaustufe wird fächerübergreifend, projektorientiert und an Berufen ausgerichtet gelernt.

Die FDP-Fraktion hatte vor einigen Jahren einen sehr gut besuchten Hauptschultag, wo Herr Prof. Duncker von der Universität Gießen eindeutig gefordert hat:Wir brauchen für den Hauptschüler eine andere Pädagogik, eine andere Art des Unterrichtens. Er muss sehr viel mehr an Projekten orientiert unterrichtet werden. – Genau dem kommt die Mittelstufenschule nach.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich denke, man muss einmal ein paar Begriffe eindeutig klären. Sie reden immer von der Dreigliedrigkeit des Systems, von der Dreigeteiltheit. – Dieser Begriff trifft auf Hessen nun überhaupt nicht zu. Hessen ist das Land mit einer Vielfalt an Schulformen wie kein anderes Bundesland. Herr Kollege Wagner, wir haben in Hessen 114 plus 90,also über 200 Schulen,die einen Eingang und drei Ausgänge haben. Deshalb muss man nicht alle Schulen über einen Kamm scheren, sondern kann diese Schulen in einen Wettbewerb mit anderen setzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Entscheidend für uns waren nicht die Schulformen – deswegen finde ich diese Diskussion nun wirklich aus dem vorigen Jahrhundert –, entscheidend für uns sind immer die drei verschiedenen Bildungsgänge mit ihren drei verschiedenen, landesweit einheitlichen Abschlussprüfungen.Jede dieser Abschlussprüfungen öffnet eine Tür zu einem weiteren Bildungsgang oder zu einer Ausbildung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich abschließend festhalten: Hessen hat sich mit der Einführung der Mittelstufenschule auf den Weg zu

einer neuen, modernen Schulstruktur gemacht. Sie wird mit der Zeit übersichtlicher werden. Wir wollen diesen Weg mit den Schulen gehen. Wir verstehen dieses Konzept als ein Angebot, das ab jetzt im Dialog mit den Schulen weiterentwickelt wird. Diesen Dialog werden wir mit den Haupt- und Realschulen, den beruflichen Schulen, der Wirtschaft, den Eltern, den Schülern, den Schulträgern und allen, die an Schule beteiligt sind, führen. Diesen Dialog werden wir sehr offen führen. Ich bin mir sicher, dass dieser Weg dem einzigen Ziel dient, das wir alle haben sollten: dem Wohl der Schülerinnen und Schüler in diesem Land. Ich lade Sie ein, auf diesem Weg mitzugehen.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Henzler. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Es ist beabsichtigt, die vier Anträge – ich rufe dazu die Tagesordnungspunkte der Einfachheit halber auf: 32, 59, 61 und 67 – alle an den Kulturpolitischen Ausschuss zur weiteren Beratung zu überweisen. – Es gibt keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich auf der Besuchertribüne besondere Gäste begrüßen. Ich hatte eingangs erwähnt, dass in der Mittagspause eine Fotoausstellung zu den Ereignissen von 1989 auf dem Baltikum eröffnet wird. Dazu ist eine Schulklasse des Litauischen Gymnasiums aus Lampertheim heute zu Gast. Herzlich willkommen.

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Daten über Steuerstraftäter für mehr Steuergerechtigkeit nutzen – Drucks. 18/1877 –

mit Tagesordnungspunkt 25:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend endlich Gerechtigkeit im Vollzug der Steuergesetze herstellen – auch in Hessen – Drucks. 18/1898 –