Wir haben damals gesagt: Volker Hoff bei der Opel GmbH ist ein Gewinn für Hessen, weil er als Kontaktmann richtig gut ist. Er war ein hervorragender Europaminister, er kennt sich überall in Europa aus
und kann seine Erfahrungen dazu nutzen, Opel in Hessen zu halten, den Standort auszubauen und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu helfen.
Wenn Sie einmal Ihre Freunde in den Gewerkschaften gefragt hätten, hätten Sie erfahren, dass sie es gut fanden, dass er dorthin geht.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Was? – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Da haben Sie aber nicht viele Freunde!)
Sie sind zwar vom Vorstand vorher nicht informiert worden, aber nachträglich hat niemand aus den Reihen der Gewerkschaften gesagt, das sei eine falsche Entscheidung gewesen.
Aber, wie gesagt, der Anlass Ihres Antrags ist überholt. Deswegen will ich mich mit dieser Frage hier nicht auseinandersetzen. Die SPD hat konsequenterweise ihren Antrag betreffend das Abgeordnetenmandat des ehemaligen Kollegen Hoff zurückgezogen und gezeigt, dass sie, im Gegensatz zu den LINKEN, verstanden hat, wie man im Hessischen Landtag damit umzugehen hat.
Überholt ist der Antrag aber auch inhaltlich. Die Forderungen der Saubermänner und Sauberfrauen der Fraktion DIE LINKE in Bezug auf die Karenzzeit – wann kann ein Minister in die freie Wirtschaft wechseln? – und nach der Erstellung eines verpflichtenden Lobbyistenregisters wurden schlichtweg aus Anträgen abgekupfert, die schon im Juni 2009 Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages waren. Eine Anhörung im Hessischen Landtag zu diesem Thema ist nach unserer Meinung völlig überflüssig; denn die Inhalte der zu erwartenden Aussagen sind im Protokoll der Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages nachzulesen. Mit der Genehmigung des Präsidenten darf ich mich kurz vom Pult wegbewegen und Frau Wissler das Protokoll überreichen.
Wenn Sie das auswerten,wissen Sie,warum wir Ihrem Antrag auf Durchführung einer Anhörung nicht zustimmen.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Seit wann interessieren Sie sich denn für Anhörungen, Herr Wintermeyer?)
Der scheidende Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Prof.Dr.Papier,hat im Jahr 2006 zum Verhältnis von Lobbyismus und parlamentarischer Demokratie erklärt – ich zitiere –:
Die... Geltendmachung individueller und partikularer, auch egoistischer Interessen, die Bündelung solcher Interessen in möglichst durchsetzungsstarken Verbänden und das Herantragen dieser Interessen an die Abgeordneten... in vielfältiger Art und Weise gehören zu unserer parlamentarischen Demokratie ganz selbstverständlich dazu. Zu einer pauschalen Verteufelung von Lobbyisten, ganz gleich ob diese seitens der Wirtschaft, der Gewerkschaften oder anderer gesellschaftlicher Gruppen tätig werden,besteht deshalb ganz und gar kein Anlass.
So weit der Präsident unseres Bundesverfassungsgerichts. Ich hoffe nicht, dass Sie ihn angreifen werden – so, wie wir es heute Morgen in der ersten Aktuellen Stunde erlebt haben.
Lobbying ist also nichts Verwerfliches, oder? Was wäre sonst z. B. mit den Tätigkeiten von Exbundeskanzler Schröder, SPD, für Gazprom? Was ist mit den Tätigkeiten des grünen Ex-Außenministers Fischer, der Berater von RWE und OMV – für den Bau der Nabucco-Pipeline – sowie von BMW, die keine ganz kleinen Autos herstellen, und Siemens ist? Oder nehmen wir den ehemaligen Staatssekretär Berninger – den kennen die GRÜNEN besonders gut, er war einmal ihr Vorsitzender –, der jetzt offensichtlich bei Mars gegen die Fettsucht mobil macht. Was ist mit dem linken SPD-beinahe-Wirtschaftsminister und Bundestagsabgeordneten Scheer als Präsident von Eurosolar und seiner Frau als Geschäftsführerin dieses parteiunabhängigen Unternehmens?
Jetzt kommen wir zur LINKEN: zu Herrn Kollegen Schaus als Grundsatzreferent von ver.di und zu Herrn Fraktionsvorsitzenden Willi van Ooyen als bezahltem Einflussagenten der damaligen DDR.
Der Antrag der LINKEN zeigt deutlich, dass Sie wieder einmal die Grenze zum Pharisäertum überschritten haben. Wer den Lobbyismus anprangert, muss sich fragen lassen, wer denn der größte Lobbyist des DDR-Unrechtsregimes und der SED war und ist. Das sind Sie.
Noch immer warten wir auf eine Aussage von Herrn van Ooyen dazu, wie die Deutsche Friedensunion, deren Landes- und Bundesgeschäftsführer er war, durch die SED finanziert wurde und in welcher Form die SED über die nachweislich an die DFU geflossenen Millionenbeträge Einfluss – also Lobbying – auf die deutsche Bundespolitik genommen hat.
Nach wie vor bleibt für uns auch von Interesse, wie sich der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag, Gysi, im DDR-System arrangiert hat und welche Mandanten er heute vertritt. Insbesondere würde uns auch interessieren, von ihm zu erfahren – er war Parteichef zu dieser Zeit –, wohin die Gelder der SED nach der Wiedervereinigung geflossen sind.
Da ist unzweifelhaft ein dreistelliger Millionenbetrag verschwunden. Ich stelle zumindest die rhetorischen Fragen an Sie:Welches Nummernkonto ist es denn? Sind die Beträge bisher auch kapitalertragsversteuert worden?
Meine Damen und Herren, das zeigt, welche Moralapostel die LINKEN im Hessischen Landtag sind. Es wäre sicherlich auch darüber nachzudenken, inwiefern sich Herr Schaus als Grundsatzreferent von ver.di sowie Frau Wissler, Herr van Ooyen und Dr. Wilken als Mitglieder Papiere und Positionen aus dem Gewerkschaftshaus für ihre Politik zu eigen gemacht haben. Hierzu bedarf es jedoch keiner Anhörung und keiner Regelung; denn es steht Ihnen frei, diese Verflechtungen auf eigene Verantwortung offenzulegen.
Wünschenswert wäre es auch, wenn die LINKEN ihren Forderungen dort Taten folgen ließen, wo sie selbst Gefahr laufen,diese in die Tat umsetzen zu müssen.So haben unsere Nachfragen in Brandenburg ergeben – dort besteht ein jetzt wieder stark sichtbarer Zusammenhang von Verflechtungen zwischen dem alten Stasiapparat und Politikern der Linkspartei –, dass dort weder ein verpflichtendes Lobbyistenregister existiert noch Karenzzeiten für ehemalige Mitglieder der Landesregierung festgelegt wurden.
Hören Sie sich einmal genau an, was Ihre Brüder und Schwestern von der Linkspartei dort machen. – Übrigens erfolgte das unseres Wissens mit dem Argument,dass eine überlange Alimentation von Staatsministern auf Staatskosten verhindert werden sollte.
Wir,Union und FDP – ich beziehe die SPD und die GRÜNEN sogar ein wenig mit ein –, sind Lobbyisten der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und nicht wie Sie Lobbyisten eines überkommenen Systems.
Herzlichen Dank, Herr Wintermeyer. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr May das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde, das Thema Lobbyismus ist zu wichtig, als dass man ihm mit einer Art Schwarz-Weiß-Malerei beikommen könnte. Die einen sagen, der Lobbyismus sei hervorragend für unser Land und bedürfe keiner kritischen Betrachtung, während die anderen meinen, der Lobbyismus sei per se schlecht. Ich finde, dass beide Wahrnehmungen eingeschränkt sind und man etwas differenzierter darüber sprechen sollte.
Anlässe gibt es in der Tat genug. Nicht die Causa Hoff ist der Punkt,sondern es gibt noch genug andere Anlässe,um über Lobbyismus zu sprechen. Gerade die neu gewählte CDU/FDP-Bundesregierung bietet genug Anlass,um darüber zu diskutieren. Das ist eigentlich Lobbyismus – Lobbyismus, der schlecht verstanden wird, den die Leute als eine für die Demokratie schädliche Sache empfinden.
Dann fragen wir uns doch einmal, was die Leute an der Politik, wie sie gerade von der Bundesregierung betrieben wird, schlecht finden. Die Leute kritisieren, dass einzelne Gruppen Vorteile erhalten, Steuervorteile insbesondere. Sie verstehen nicht, dass kleine Gruppen solch große Vorteile bekommen, was zulasten der großen Masse geht, die dann nämlich wegen eines klammen Staates zu leiden hat.
Man hat dann da eine Erwartungshaltung.Wir haben zum Glück eine gefestigte Demokratie, die sehr kritisch mit der Politik umgeht. Man darf dann auch kritisch hinterfragen: Wieso bekommt denn so eine Partei, die da sehr entscheidend mitgewirkt hat, von jemandem, der einen sehr großen Benefit von so einer politischen Entscheidung hat, eine so große Spende? – Diese kritische Herangehensweise, die in den Begriff Mövenpick-Partei mündete, ist an und für sich das Zeichen einer lebendigen Demokratie und stellt den Lobbyismus infrage.
Man kann Spenden im Sinne klassischer Konditionierung verstehen. Spenden können zur klassischen Konditionierung eingesetzt werden, indem politische Handlungen belohnt werden. Das bedeutet noch nicht einmal, dass eine politische Handlung getan wird, um eine Spende zu erhalten. Das kann auch gegenteilig stattfinden.
Um diesen Verdacht überhaupt nicht aufkommen zu lassen, ist es wichtig, dass die Spenden auf ein Maximum begrenzt werden, beispielsweise auf 50.000 c, wie wir das vorschlagen. Da ist es ziemlich unerheblich, wer das Geld gibt, ob das also eine juristische oder eine natürliche Person ist. Darum geht es in dem Antrag der LINKEN. Vielmehr muss man da eine Höchstgrenze einführen. Man sollte aber nicht sagen: Spenden von juristischen Personen sind falsch. – Vielmehr wäre mir die Einführung einer Obergrenze lieber.
Ein weiterer Anlass, über Lobbying zu sprechen, sind bestimmte Berichte,denen zufolge sich Unternehmen gegen Spenden Zeit von Spitzenpolitikern erkaufen konnten. In diesem Fall betrifft das die Ministerpräsidenten der Union aus Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Es darf nicht sein, dass über finanzielle Zuwendungen zeitliche Zuwendungen erkauft werden können.
Trotz dieser Auswüchse der Einflussnahme auf die Politik heißt das nicht, dass Lobbying per se schlecht ist. Ich persönlich glaube – da bin ich mit den Mitgliedern meiner Fraktion einer Meinung –, dass der Austausch der außerparlamentarischen Gruppen – dazu gehört meines Erachtens auch die Wirtschaft – mit der Politik durchaus nützlich sein kann. Allerdings müssen unserer Meinung nach dabei klare Regeln gelten. Daher ist der Inhalt des Antrags der LINKEN überwiegend zu begrüßen. Sie haben viel fundamentaler gesprochen, als der Inhalt Ihres Antrags tatsächlich ist.
Der Antrag ist eigentlich ein Realoantrag, der mit Ihrer „Ich bin total dagegen“-Haltung nichts zu tun hat.
In Ordnung ist Lobbying, wenn es beispielsweise um Informationsveranstaltungen geht.Wir nehmen hier abends des Öfteren daran teil.
Nicht in Ordnung ist es aber,wenn sich in Ministerien Personen auf Referatsebene befinden, die eine Doppelfunktion haben und die Gesetzentwürfe direkt mit den Firmen oder mit den Verbänden absprechen. Das ist eine Doppelfunktion, die nicht zulässig sein kann und die begrenzt werden muss.
Wir schließen uns auch der Forderung des Antrags der LINKEN an, dass es eine Karenzzeit für Regierungsmitglieder geben muss, bevor sie als Berater in die freie Wirtschaft wechseln. Es ist mir relativ egal, dass Sie da Herrn Fischer anführen. Denn der hat nämlich relativ lange gewartet. Auch Herr Berninger hat nicht direkt aus der Regierung heraus zu Mars gewechselt.