Danke sehr, Frau Dorn. – Frau Schott, Sie haben jetzt Gelegenheit für die Fraktion DIE LINKE, Ihren Antrag einzubringen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zum Schutz der Menschen in der Rhein-Main-Region hat das hessische Parlament am 5. Juni 2008 die Erstellung einer Gesamtbelastungsstudie beschlossen. In diesem Beschluss heißt es:
Alle Projekte müssen unter dem Aspekt einer Gesamtbelastung (Emission von Schadstoffen, Fein- stäube,Versiegelung und Zerschneidung von Land- schaften, Lärmbelastungen) betrachtet werden.
Was die Umweltministerin unwissentlich, willfährig oder gar mit Kalkül den betroffenen Menschen nun als die Gesamtbelastungsstudie anbietet, ist eine Ausbreitungsberechnung mit genau zwei Parametern: PM10 – den meisten eher als Feinstaub bekannt – und Stickstoffdioxid. Die Ursachenanalyse im Auftrag des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie schreibt im Kern eine Untersuchung aus den Jahren 2003 und 2004 fort, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für die Festlegung von Maßnahmen in Luftreinhalteplänen erfolgen muss. Die vorliegende Ursachenanalyse ist gesetzlich vorgeschrieben, notwendig und richtig. Sie aber auch nur in die Nähe
der von uns im Jahr 2008 beschlossenen Gesamtbelastungsstudie zu rücken, wie Sie das getan haben, Frau Ministerin Lautenschläger, ist Etikettenschwindel, nichts anderes als Etikettenschwindel.
Mit Recht fühlen sich die im Netzwerk „Umwelt und Klima Rhein-Main“ zusammengeschlossenen Bürgerinitiativen und Umweltverbände mehr als verschaukelt. Als Ministerin müssen Sie klarstellen, dass es sich bei dieser Ursachenanalyse nicht um die Erfüllung des Beschlusses aus dem Jahr 2008 handelt. Die Untersuchung zur Gesamtbelastung steht noch aus.
Was aber hat die Landesregierung zur Ermittlung der Gesamtbelastung für die Menschen im Rhein-Main-Gebiet getan? Nichts, null Komma nichts.
Meine Damen und Herren, Umwelt scheint für die CDU/FDP-geführte Landesregierung nicht mehr als eine Verfügungsmasse für die Verwertungsinteressen von Industrie und Wirtschaft zu sein.
Dass ich hier keine Phrasen dresche, zeigt sich an dem vorauseilenden Gehorsam, den CDU und FDP bei dem beschleunigten Genehmigungsverfahren zur größten geplanten CO2-Schleuder Europas, dem Kohlekraftwerk Staudinger, an den Tag legen.
Es zeigt sich an der bedingungslosen Unterstützung der Wachstumspläne des Frankfurter Flughafens, ohne Rücksicht auf die Nachtruhe der Anrainer. – Ja, wir haben Atomkraft, auch das gehört dazu.Wir reden am Donnerstag darüber, was das für die Umwelt bedeutet. Es ist ja wunderbar, dass das so sauber ist – diesen Unsinn, den Sie da reden, glaubt doch kein Mensch mehr.
Es zeigt sich: Durch die Genehmigung von immer neuen Müllverbrennungsanlagen – schöngeredet als „Anlagen zur thermischen Endverwertung“ – sind mittlerweile gigantische Überkapazitäten aufgebaut worden. Der Müll muss jetzt mit Lkw quer durch die Landschaft gefahren werden. Das erzeugt Lärm, Feinstaub und Stickoxide und belastet die Menschen obendrein.
Das zeigt sich auch bei der Verkehrspolitik: Anstelle des Ausbaus von emissionsarmem ÖPNV wird der motorisierte Individualverkehr durch immer mehr Straßen- und Autobahnneu- und -ausbauten gefördert.
Alles das sind Beispiele aus der Rhein-Main-Region. Sie führen in der Summe zu immer mehr Landschaftsverbrauch und einer immer stärkeren Belastung von Menschen und Natur mit Schadstoffen.
Doch weder die Gesamtsumme interessiert die Landesregierung noch die Wechselwirkung aus diesem Schadstoffcocktail, dem die Menschen ausgesetzt sind. Die Behörden genehmigen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz – das den Ausstoß an Schadgasen für jeden Giftstoff und jedes Kraftwerk, für jede Müllverbrennungsanlage einzeln berechnet. Die Summe der Immissionen in einer Region begrenzt das genauso wenig wie die Summe der Schadstoffe, denen die Menschen ausgesetzt sind. Nicht umsonst witzeln Expertinnen und Experten, dass das
Meine Damen und Herren, sicher ist eine Gesamtbelastungsstudie eine Herausforderung. Das ist gar keine Frage. Offensichtlich fehlen der Landesregierung aber auch hier die nötigen Ideen zur Qualifizierung. Deshalb einige wenige Hinweise.
Als Vorbild könnte der Kinder-Umwelt-Survey des Umweltbundesamtes dienen. Hier wurde in einem HumanBiomonitoring untersucht, wie Schadstoffe und Lärm die Gesundheit unserer Kinder belasten. Der Bericht „Umwelt, Gesundheit und soziale Lage“ 2009, ebenfalls vom Umweltbundesamt, stellt darüber hinaus fest, dass Menschen mit niedrigem sozialem Status stärker belastet sind als sozial Bessergestellte. Dort heißt es, 27 % der Familien mit niedrigem sozialem Status leben an stark befahrenen Haupt- und Durchgangsstraßen, dagegen nur 10 % der Familien mit hohem sozialem Status.
Vielleicht ist die soziale Frage auch ein Grund, warum die Hessische Landesregierung so wenig Interesse an diesen Arbeiten zeigt.
Zum Schutz der Bevölkerung in der Rhein-Main-Region vor immer neuen gesundheitsschädlichen Umweltveränderungen brauchen wir Untersuchungen, die die gesamte Belastung auf die Menschen beschreiben. Frau Ministerin Lautenschläger, ein Human-Biomonitoring könnte hier erste aussagekräftige Ergebnisse erbringen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anträge von den Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE zur Gesamtbelastungsstudie und ihre Kritik reihen sich nahtlos in die immer wiederkehrenden Bestrebungen ein, Großprojekte welcher Art auch immer zu verhindern oder zu verzögern.
Für eine allumfassende Gesamtbelastungsstudie für alle nur denkbaren Umwelteinflüsse steht der notwendige Aufwand in keinem Verhältnis zum zusätzlichen Erkenntnisgewinn.
Dies gilt insbesondere für Luftschadstoffe wie Quecksilber, für die bislang weder Grenz- noch Zielwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit formuliert sind.
Frau Dorn, ein genormtes und einheitliches Referenzverfahren zur Quecksilberanalyse befindet sich ebenfalls noch in der Entwicklung.
In die Betrachtung wurden die vier geplanten Großprojekte im Rhein-Main-Gebiet miteinbezogen, wie Sie nachlesen können. Im Ergebnis zeigt sich, dass von den Großprojekten nur eine geringe Erhöhung der Werte für Feinstaub und NO2 ausgeht – und im Raum Hanau sogar eine Verringerung dieser Werte.Begründbar ist dies durch das Abschalten von drei veralteten Blöcken und den Bau von Block 6 mit den neuesten Techniken der Rauchgasreinigung.
Das ist bedauerlich für die Intention der Antragsteller, aber ein gutes Signal für die Menschen in Hanau.
(Janine Wissler (DIE LINKE): Da klatscht ja nicht einmal Ihre eigene Fraktion! – Gegenruf: Von denen ist ja auch keiner da!)
Die Diskussionen um Quecksilbergehalte bei der Erweiterung des Kraftwerks Staudinger sind erst neueren Datums und wurden – wie berichtet – im Umweltausschuss sehr ausgiebig beraten. Demnach plant der Betreiber E.ON zum ersten Mal in Europa den Einbau einer neuen Filter- und Abscheidetechnik in den bestehenden Block 5 und planmäßig auch in Block 6, um die Quecksilberbelastung weiterhin zu reduzieren – obwohl die geltenden gesetzlichen Grenzwerte schon jetzt unterschritten werden. Auch das gehört zur Wahrheit.
Die langfristige Strategie der Europäischen Union sieht vor, Quecksilber in den Produktionsvorgängen gänzlich zu ersetzen. Der Landesbetrieb Hessisches Landeslabor hat in seinen Untersuchungen von Lebensmitteln noch keine grenzwertüberschreitenden Quecksilbergehalte gefunden. Nach Aussagen des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie weisen auch die hessischen Flüsse und Gewässer akzeptable Quecksilberwerte auf. Ausgenommen sind der Schwarzbach und die Rodau.Ich nehme an, das wird die antragstellenden Fraktionen wenig interessieren, denn dort werden keine Großprojekte geplant.
Ebenfalls gilt zu bedenken, dass sehr viele Menschen mit Quecksilber im Mund durch das Leben gehen: mit Amalgam.Auch darüber kann man nachdenken.Auch in Energiesparlampen ist Quecksilber enthalten.
Das Thema Quecksilber erfordert eine viel differenziertere Betrachtung, als das von Ihnen vorgetragen wird.
Mit der Einführung von Umweltzonen in den Innenstädten wurde versucht, dem Kfz-Verkehr als dem größten Verursacher von NO2 und Feinstaub entgegenzuwirken. Dennoch wurden die Grenzwerte in Frankfurt bis Mitte März dieses Jahres an 20 Tagen überschritten – 35 Tage sind im Gesamtjahr zulässig.Verursacher waren unter anderem die Wetterlage und auf Hochtouren laufende Heizungen.
Die Einführung von Tempolimits auf Hauptstraßen wurde bereits geprüft, jedoch als kontraproduktiv abgelehnt.
So tragen die Fahrweise in niedrigen Gängen, die zeitliche Verlängerung von Anfahrtswegen und die Erhöhung der Stauwahrscheinlichkeit nicht zur Minderung der Emissionen bei. Erfolge wurden in Hessen jedoch durch die Reduzierung der Stauzeiten um 80 % erzielt. Eine Absenkung der Belastung kann durch deutliche Reduzierung des Verkehrsaufkommens und technische Verbesserungen beim Emittenten erreicht werden. Auch hier ist ein Umdenken im Verhalten jedes Einzelnen gefordert: bei der Nutzung des ÖPNV – da stimmen wir sicher überein – und beim Einsatz von neuen Antriebstechniken. Auch hier ist Hessen vorbildlich. Ich erinnere an die Modellregion Rhein-Main für die Elektromobilität.