Es ist einfach so, denn wenn Sie sich diese Zahlen anschauen, wird noch einmal viel deutlicher, warum man nicht mit Häme auf irgendwelche anderen Länder zeigen sollte. Ich glaube, dass diese Zahlen völlig klarmachen, warum wir hier etwas verändern müssen.
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Machen Sie doch konkrete Vorschläge! – Axel Wintermeyer (CDU): Die haben wir von Ihnen noch nie gehört!)
Das Zweite ist die Frage, wer denn eigentlich diese Steuersenkungen, die jetzt wohl offensichtlich nicht mehr stattfinden sollen, nachdem schon ein Teil umgesetzt ist, ausgehandelt hat. Wir haben hier im letzten Oktober ein Landtagsplenum gehabt; da war die ganze Regierung nicht da, denn alle mussten in Berlin Koalitionsverträge aushandeln, waren wichtig, wichtig, wichtig und haben sich nachher für die Ergebnisse feiern lassen.
Er hat diesen ganzen Unsinn, den er nun selbst Unsinn nennt, selbst mit ausgehandelt, und das ist ein halbes Jahr her.
Sie haben gesagt, Sie seien der Wissenschaftsministerin dankbar,dass sie gegenüber den Hochschulen hart geblieben sei. Wie können Sie denn von den Hochschulen erwarten, dass sie sagen: „Hurra, wir nehmen 30 Millionen weniger“, wenn allein die Steuergeschenke für die Hoteliers Hessen in diesem Jahr 60 Millionen c kosten?
Wie können Sie erwarten, dass irgendjemand akzeptiert, dass man in diesem Bereich weniger ausgeben soll, wenn man sich gleichzeitig – wir haben das im Dezember im Plenum beantragt, wir haben sogar namentlich darüber abstimmen lassen, dass man sich dem anschließt, was Peter Harry Carstensen schon damals wusste, denn er hat, glaube ich, damals gesagt: „Ihr habt sie doch nicht mehr alle!“ – diesem Steuersenkungswahn der FDP wie die Lemminge hinterhergeworfen hat? Nachher kam per Spendenbescheinigung raus, was da vielleicht auch noch dahinterstand. Wissen Sie, wer sich zur Geisel einer Mövenpick-Partei macht, der hat europapolitisch Probleme.
Herr Koch, deswegen sage ich sehr deutlich: Machen Sie diesen Quatsch, den Sie da beschlossen haben, rückgängig. Man wächst auch manchmal daran, wenn man Fehler zugibt und sagt: So, das war vielleicht ein Fehler, das machen wir anders.
(Axel Wintermeyer (CDU): Da sind Sie das beste Beispiel für! – Wolfgang Greilich (FDP): Das wäre was für Sie!)
Jetzt zu den Tabus.Wir haben hier letzten November über den Haushalt des Landes Hessen debattiert, und wir haben als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag viele Anträge eingereicht.
Da waren etliche Sparvorschläge dabei. Herr Ministerpräsident, es ärgert mich fürchterlich, dass Sie sich als Tabubrecher nach dem Motto „Einer, der sich was traut“ stilisieren. In Wahrheit haben Sie aber viel Angst vor den eigenen Leuten und sind das Gegenteil eines mutigen Finanzpolitikers. Sie sind am Ende doch ein ganz kleiner Provinzpolitiker.
Wenn Sie wirklich Tabus brechen wollten, Herr Koch, dann wäre es an der Zeit – wir hatte es vorhin in der Fragestunde –, nach Hofgeismar zu fahren und zu sagen: Henner, ausgeträumt.
Das wäre einmal eine Maßnahme. Wenn Sie Tabus brechen wollten – Achtung, Sozialdemokraten, ihr dürft jetzt nicht klatschen –, dann müssten Sie zugeben, dass KasselCalden nicht mehr geht.
Das wäre ein Tabu,das gebrochen gehört.225 Millionen c für einen Flughafen, den niemand braucht und der, was noch viel schlimmer ist, jedes Jahr neue Subventionen kosten wird: Das kann doch angesichts der Lage im Jahr 2010 nicht Ihr Ernst sein.
Wir haben auch gesagt, dass man über die Einnahmen reden muss.Da werden Sie sagen,die Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht belastet werden. Schauen Sie sich einmal an,was jetzt passiert.Wenn die Bevölkerung vor die Frage gestellt würde: „30 Millionen c weniger bei den Hochschulen oder Einführung eines Wasser-Cents?“, bin ich mir ziemlich sicher, wie die Mehrheit das sehen würde.
Ihr redet ja nur mit euren eigenen Leuten. Das ist euer Problem. Ich bin mir sehr sicher, dass es in diesem Land eine Priorität für Bildung gibt.
Wissen Sie, was Ihr Problem ist? Herr Ministerpräsident, Sie haben viel über Europa geredet. Europa ist ein Kontinent, der große Probleme hat. Europa ist auch kein wachsender Kontinent mehr.Europa ist ein Kontinent,der großen demografischen Problemen entgegengeht. Das ist übrigens der Grund, warum sich nicht nur die EU, sondern auch die Bundesregierung darauf verständigt hat, dass man mehr in Bildung investieren muss. Wenn Sie in eine solche Situation kommen, gibt es nämlich nur zwei Möglichkeiten – Stichwort: Fachkräftemangel –: Entweder erleichtert man die Einwanderung von Hochqualifi
zierten – da ist Roland Koch nicht der beste Kronzeuge, was eine Willkommenskultur angeht, um es vorsichtig auszudrücken –,
oder man investiert in die Bildung und die bessere Qualifizierung der eigenen Bevölkerung. Am Ende ist wahrscheinlich eine Kombination aus beidem am besten.
Sie können sich die Fakten beim Statistischen Bundesamt anschauen. Die Bundeskanzlerin hat doch nicht ohne Grund die Ministerpräsidenten zusammengerufen und hat gesagt: Lasst uns darüber reden, wie wir in gemeinschaftlicher Anstrengung dafür sorgen, dass die Bildungsausgaben in Deutschland ein höheres Niveau am Bruttoinlandsprodukt erreichen, als es jetzt der Fall ist. – In Deutschland beträgt der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am BIP 4,4 %.
Wir haben in Dänemark einen Anteil von 8,3 %. Wir haben in Finnland einen Anteil von 6,1 %. Wir haben in Island einen Anteil von 7,7 %.
Wir haben – auf einem völlig anderen Niveau – in Moldawien einen Anteil von 8,3 %. Ich verlasse Europa: Bolivien hat einen Anteil von über 4 %, Brasilien einen Anteil von 5,1 %, Mexiko von 5,5 %.
Diese Länder sind „junge“ Länder, Länder, die auf dem Sprung sind, Länder, die es sich vielleicht „leisten“ könnten, nicht alle ihre Bürger nach vorne zu bringen. Aber wenn sich ein Land das nicht leisten kann, dann ist es Deutschland mit seiner demografischen Entwicklung,und auch Europa als Kontinent kann es sich nicht leisten.
In dieser Situation ausgerechnet mit Kürzungsvorschlägen zu Bildung und Betreuung daherzukommen, ist kein Tabubruch, sondern ein Armutszeugnis.
Herr Rentsch hat gefragt:Wie sieht der Staat aus? Wir haben Sie alle eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen.Was soll der Staat leisten? Aus meiner Sicht gehören zu den Leistungen dieses Staates gute Bildung und Betreuung – als ein Teil von Bildung – dazu.Ich bin gespannt, ob Sie das anders sehen, liebe Kollegen von der FDP.Aus meiner Sicht gehört dazu,dass man die Lebensgrundlagen auch künftiger Generationen erhält. Ich bin gespannt, ob Sie das anders sehen, liebe Kollegen von der FDP. Aus meiner Sicht gehört die Sicherheit dazu. Ich glaube nicht, dass Sie das anders sehen, liebe Kollegen von der FDP. Aus meiner Sicht gehört die Infrastruktur dazu – aber eben eine moderne Infrastruktur, nicht einfach nur sinnlos Beton in die Landschaft zu kippen, liebe Kollegen von der FDP. Zu einer modernen Gesellschaft gehören auch der soziale Zusammenhalt und der soziale Ausgleich. Da ist übrigens Bildung ebenfalls ein Teil davon.
Wenn wir uns darüber einig sind, dann müssen wir uns die Frage stellen, wie wir in diesen, aber auch in anderen Bereichen des Staates effizienter werden können. Dann gehört es aber zur Wahrheit, dass man sich Gedanken machen muss, welche Einnahmen man braucht, um diese Aufgaben zu erfüllen. Einen wahren Satz hat die FDP ja gesprochen, bevor sie im Bund einem 100-Milliarden-cNeuverschuldungshaushalt und in Hessen einem 3,4Milliarden-c-Neuverschuldungshaushalt zugestimmt hat. Sie haben den wahren Satz gesprochen: Die Schulden von heute sind die Steuererhöhungen von morgen. – Das stimmt. Ich sage Ihnen ausdrücklich:Wir werden die Einnahmen erhöhen müssen, wenn wir die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten wollen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Jeder, der eins und eins zusammenzählen kann, weiß das.