Ich habe mir gedacht: Das ist eine Menge Papier. – Als ich heute in das Plenum gegangen bin, bin ich mit einem halb gefüllten Aktenordner hereingekommen. Frau Kollegin Faeser fragte dann: Mein Gott, was willst du denn damit? – Ich habe jetzt nur ein paar Blätter mit nach vorne genommen.
Die Hessische Bauordnung ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Wir werden eine Anhörung durchführen. Wir werden unsere Entscheidungen aufgrund sachlicher Erwägungen treffen. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass 80 % dessen, was da niedergeschrieben ist, sachlich und fachlich erörtert und entschieden werden kann. Das wird von uns durchaus auch mitgetragen werden.
Wir haben aber zwei wesentliche Bereiche, in denen wir uns unterscheiden. Ich werde noch einen dritten anfügen.
Natürlich kritisieren wir insbesondere die vorgesehene Streichung des § 81 Abs.2 Hessische Bauordnung.Er sieht bisher die Möglichkeit vor, örtliche Satzungen zur besonderen Förderung von Anlagen zu erlassen, die der Unterstützung der Nutzung regenerativer Energien dienen.
Wir halten die vorgesehene Streichung nicht nur nach den Vorgängen um die Solarsatzung in Marburg für falsch. Ich will das noch einmal erläutern. Die Solarsatzung in Marburg wurde nicht von der Sache her, sondern vom Verfahren her infrage gestellt. Es wurde mit dem Regierungspräsidenten in Mittelhessen eine Verständigung über einen Weg erzielt.
Jetzt kommen Sie mit der Absicht, die Hessische Bauordnung zu ändern, und wollen den § 81 Abs. 2 Hessische Bauordnung streichen. Sie machen damit das unmöglich, was in Marburg probiert wurde.
Darüber hinaus machen Sie damit auch Rechtssicherheit beispielsweise beim Bebauungsplan der Marshall-Siedlung in der Stadt Gießen unmöglich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie müssen sich damit konfrontieren lassen, dass Sie zwar verbal ausdrücken,dass Hessen zum Musterland für die Nutzung regenerativer Energien werden soll, dass Sie aber dann, wenn es um die Umsetzung in den Kommunen geht,scheitern. Sie haben nicht den Mut, die entsprechenden Regelungen zu treffen. Nach unserem Verständnis muss § 81 Abs. 2 Hessische Bauordnung erhalten bleiben. Das muss konkretisiert werden. Das muss ausgearbeitet werden.
Wir haben in unseren verschiedenen Gesetzentwürfen zur Förderung der Nutzung regenerativer Energien immer wieder Bezug auf die Hessische Bauordnung genommen. Herr Staatsminister Posch, es kann nicht sein, dass Sie auch dazu sagen: Da muss alles frei sein. – Es ist doch gerade so,dass die Kommunen selbst entscheiden wollen,ob sie da voranschreiten oder ob sie das nicht tun. Lassen Sie
den Kommunen diese Freiheit. Nehmen Sie ihnen nicht diese Freiheit, indem Sie § 81 Abs. 2 Hessische Bauordnung streichen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist kommunalfeindlich!)
Zweiter Punkt. Es ist vorgesehen, die Ermächtigung der Kommunen bei der sogenannten Stellplatzeinschränkungssatzung zu streichen. Damit würde den Kommunen ein wesentliches Gestaltungselement und eine Einnahmequelle entzogen. Sie haben das auf die Einnahmequelle bezogen. Das ist auch richtig. Die Landesregierung geht auch an anderer Stelle mit den Kommunen in finanzieller Hinsichtlich nicht gerade pfleglich um. Sie wollen damit den Kommunen eine weitere Einnahmequelle entziehen.
Aber Sie entziehen der Kommune auch eine Gestaltungsmöglichkeit. Ich will das an einem Beispiel aus meiner Heimatstadt erläutern. Bei mir in Darmstadt gibt es ein Bebauungsgebiet in Kranichstein, das K 6. Dort wurde in der Umsetzung von der Ermächtigung nach § 44 Abs. 1 Nr. 8 Gebrauch gemacht. Und zwar schreibt das Bauamt in seiner Stellungnahme – um zu erläutern, was an Gestaltungsmöglichkeiten besteht –:
Ziel der Bauleitplanung ist unter anderem eine Verkehrserschließung, mit der erreicht wird, dass der ruhende Verkehr weitestgehend aus dem Wohnbereich herausgehalten und auf bewirtschaftete Parkierungsanlagen konzentriert wird. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde für den Planbereich eine Stellplatzeinschränkungssatzung erlassen. Diese Satzung beinhaltet gleichzeitig eine Verpflichtung zur Zahlung von Ablösebeträgen, die der Finanzierung zentraler Parkeinrichtungen dienen sollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein alternatives Wohngebiet mit vielen Passivenergiehäusern, mit Projekten gemeinsamen Wohnens. Es ist eines der Gestaltungselemente dieses Stadtteils, dass der Verkehr weitestgehend herausgehalten werden soll und die Leute auf Parkanlagen etwas außerhalb – 200, 300 m von den Häusern entfernt – parken sollen. Um einen solchen Stadtteil gestalten zu können, ist es notwendig, die Regelungen nach § 44 weiter aufrechtzuerhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb appelliere ich an uns alle und auch an die Landesregierung,dass die Frage der Stellplatzverordnung in § 44 sehr genau angeschaut wird. Wir sprechen uns nach jetzigem Stand dafür aus, dass § 44 nicht verändert wird, sondern dass er bleibt und dass dieses Gestaltungselement und die Einnahmesituation für die Kommunen erhalten bleiben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ursula Ham- mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Meine letzte Bemerkung.Wir finden es nachhaltig richtig, dass alle jene, die sich mit der Hessischen Bauordnung und Baugenehmigungsverfahren beschäftigen, mit diesem Gesetz gezwungen werden, sich in Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen auch damit auseinanderzusetzen. Das ist in Ordnung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch einen Aspekt mit anführen, der meiner Ansicht nach bedenkenswert ist. Ich finde, dass wir im Zusammenhang mit Bauleitplanung und Bebauungsplänen durchaus darüber nachdenken sollten, ob wir Elemente stärkerer Bür
gerbeteiligung und Bürgerqualifizierung durchführen können. In den Verfahren gibt es die formalisierten Schritte,in denen Träger öffentlicher Belange etc.Einfluss nehmen können. Aber was ich auch wahrnehme, ist, dass Bürgerinnen und Bürger durchaus ein Qualifizierungsproblem haben, um an diesen Prozessen beteiligt werden zu können. Ich will das an einem Beispiel, das ich selber miterlebe, verdeutlichen.
Gern in der zweiten Lesung. Ihre Redezeit ist abgelaufen. Deswegen bitte ich Sie, jetzt zum Schluss zu kommen.
Ich finde es jetzt ein bisschen schade. Das machen wir dann im Ausschuss. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank für diese schnelle Reaktion auf meine Intervention. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Lenders für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin, verehrte Kollegen! Wir beraten das Gesetz heute erst in der ersten Lesung. Herr Kollege, Sie werden bestimmt noch Gelegenheit haben, Ihre Ausführungen und Ihre Gedanken zu Ende zu bringen.
Die Hessische Bauordnung tritt mit Ablauf des 31.12.2010 außer Kraft. Damit verbindet sich die Notwendigkeit, die bisher geltende Rechtslage zu bewerten und eine ergebnisorientierte Istanalyse vorzunehmen. Die Ergebnisse der Evaluierung und der damit zusammenhängende Erfahrungsbericht von 2009 sind in den vorliegenden Gesetzentwurf eingeflossen.
Grundsätzlich müssen wir darauf achten, dass wirklich nur das geregelt wird, was zwingend notwendig ist. Das gilt insbesondere für die Hessische Bauordnung. Alle anderen Bereiche, die ursächlich nichts mit dem Bauen zu tun haben, müssen auch nicht in der HBO geregelt werden.
Wir wollen klare Regeln, die in der Praxis anwendbar und handhabbar sind. Dazu gehört, die Vorschriften zu durchforsten und zu fragen,was gestrichen oder was vereinfacht werden kann. Außerdem wollen wir zu Standards kommen, die flexibler machen. Wo solche Standards gar nicht sinnvoll sind, wo sie kein vernünftiges Ziel verfolgen oder mit gesetzlichen Vorschriften der Zweck nicht erreicht werden kann, müssen wir diese Vorschriften und Standards auch wegstreichen. Kurzum, wir passen die Hessische Bauordnung an die Praxis an.
Entscheidend ist also nicht, dass das Gesetz, was die HBO ist, möglichst dick und umfangreich ist und für alles und für jeden denkbaren Fall alles regeln möchte. Entschei
dend ist vielmehr, dass das Gesetz Klarheit schafft, den Rahmen bestimmt und in der Praxis zu einer besseren Situation führt.
Die Hessische Bauordnung muss in der Praxis anwendbar sein, ohne hohe Verwaltungskosten zu produzieren. Sie muss zielorientiert sein. Und der Gesetzgeber muss Regeln prüfen, ob Änderungsbedarf besteht. Genau das tut die Landesregierung. Sie haben schon zwei, drei Beispiele angesprochen.
Das eine ist die Frage der Parkplatzablöse.Natürlich – das darf man vorwegschicken – ist diese gerade in Großstädten und Mittelzentren ein erhebliches Problem. Investitionen werden teilweise durch diese Parkplatzablöse verhindert, weil sie einen erheblichen Umfang hat – für viele mittelständische Unternehmen kaum zu stemmen.
Meine Damen und Herren, die Parkplatzablöse, das Prinzip, in einem Quartier investieren zu wollen, aber nicht ausreichenden Parkplatz nachweisen zu können,dafür die Alternative wählen und eine Ablöse zahlen zu können – das Prinzip wollen wir gar nicht verlassen, Herr Kollege Siebel. Was macht der Unternehmer, der gerne diese Parkplätze nachweisen würde, wenn die Kommune es durch ihre Satzung verhindert, diese Parkplätze nachzuweisen, um ihm gleichzeitig in die Tasche zu greifen?
Wenn es vorher schon kein Verständnis bei Bürgerinnen und Bürgern gegeben hat, da hört wirklich der Ordnungssinn auch für Liberale auf. Das ist eine Selbstbedienungsmethode der Kommunen, die wir hiermit abschaffen werden.
Es kam der Vorwurf, wir würden eine Lex Marburg machen,bzw.wir hätten die Marburger Solarsatzung mit dem Ziel der Gesetzesänderung auf dem Radar.Meine Damen und Herren, wenn das so sein sollte, das sage ich Ihnen ganz ausdrücklich, dann wird tatsächlich einmal ganz deutlich, dass wir unterschiedliche Politikansätze haben.
Mit Liberalen, mit der FDP wird die Marburger Solarsatzung keine Zustimmung finden.Wir wollen sie abschaffen und ihr die Grundlage entziehen.
Frau Kollegin, nun einmal zu dem Kommentar, den auch das Ministerium in den Gesetzentwurf geschrieben hat. Diese Begründung liegt auch Ihnen vor. Darin steht nämlich:
Der Klimaschutz ist zwischenzeitlich ausdrücklich als städtebaulicher Gesichtspunkt in das BauGB aufgenommen worden, und den Kommunen stehen verbesserte Möglichkeiten für eine auf Energieeffizienz und die Nutzung regenerativen Energien ausgerichtete Städtebauplanung zu.