Die Chuzpe, mit der die eigene alte Denke im Dunstkreis der gebührenfinanzierten Anstalten noch immer präsentiert wird, ist das eigentlich Interessante.
In dem „FAZ“-Interview ereifert sich Koch über angebliche Unterstellungen, dass Politiker immer nur (Partei-)Politik betrieben. Dann sagt er den schönen Satz: „Politiker sind nicht eine Gefahr für die Demokratie, sondern ihre Grundlage.“ Nein, absolut nicht.Die Grundlagen der Demokratie sind das Grundgesetz, freie Wahlen, die Achtung von Minderheiten, die Pressefreiheit und vieles mehr. Politiker gehören zum wichtigen Personal der Demokratie, sonst nichts.
Wer sich selbst aber für die „Grundlage der Demokratie“ hält, der kann nichts dabei finden, auch den Rundfunk ein wenig zu vereinnahmen.
In Frankreich hat Nicolas Sarkozy durchgesetzt, dass er den Direktor von France 2 jetzt persönlich ernennen darf. So etwas kannte man bisher nur von Putin.Der öffentlichrechtliche Rundfunk darf aber nicht zur Beute der Parteien werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in der Demokratie – aus gutem Grund,in Deutschland sogar aus historischem Grund – die Aufgabe, unabhängig auch darüber zu berichten, was in der Politik passiert. Für diese Unabhängigkeit müssen wir kämpfen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen allen zunächst einmal einen schönen guten Morgen.
Wach dürften jetzt alle sein, nachdem uns die SPD-Fraktion mit ihrer Inszenierung einer künstlichen Aufgeregtheit ein bisschen Lärm ins Haus gebracht hat. Jetzt können wir uns unserem Tagwerk widmen.
Herr Al-Wazir hat uns aus verschiedenen Zeitungen vorgelesen. Auch das brauchen wir also nicht mehr selber zu tun.Also:Ab an die Arbeit!
Bei dem Thema, das uns hier vorgegeben ist, handelt es sich um einen relativ einfachen Sachverhalt. Jeder, der die Zeitung gelesen hat – nicht nur Herr Al-Wazir hat das getan –, hat erfahren, dass sich der Ministerpräsident des Landes Hessen zu Vorgängen beim Zweiten Deutschen Fernsehen geäußert hat.Das Bild,das Herr Schäfer-Gümbel mit seiner zündenden Rede zu Beginn der Aktuellen Stunde gestellt hat,ist:Es gibt machtgeile Politiker,die gegen tapfere Journalisten kämpfen.
Diesen Politikern müsse man sich entgegenstellen. Herr Kollege Rudolph, tapfer, tapfer, tapfer, kann ich dazu nur sagen.Wenn es denn so wäre, wäre das auch erforderlich.
Meine Damen und Herren, wir reden über das ZDF, wir reden in diesem Zusammenhang logischerweise auch über die ARD. Wir reden über das öffentlich-rechtliche Fernsehen, über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Weil die Gewichtungen hier etwas verschoben worden sind, sollte man eines klarstellen: Wir haben in Deutschland kein Staatsfernsehen, wie das z. B. in Frankreich unter Herrn Sarkozy und in Italien unter dem von Ihnen zitierten Herrn Berlusconi der Fall ist.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Einen haben Sie bezeichnenderweise vergessen, nämlich den Männerfreund von Altkanzler Schröder,Herrn Putin. Auch der verfügt über ein gut funktionierendes Staatsfernsehen.
Das haben wir in Deutschland nicht. Im Gegenteil, wir leisten uns Hunderte von Gremienmitgliedern. Viele Sozialdemokraten, viele GRÜNE, viele Liberale, viele Christdemokraten arbeiten in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens mit. Das ist ein Luxus, den wir uns leisten, um zu gewährleisten, dass wir eben kein Staatsfernsehen haben. Wir haben aber ein öffentlich-rechtliches System, in dem eine Minderheit von Politikern als Vertreter der Öffentlichkeit mitbestimmt und mitentscheidet, wie der Rundfunk und das Fernsehen gestaltet werden.Im Übrigen sind im Fernsehrat in großer Zahl Vertreter anderer Institutionen des öffentlichen Lebens versammelt, um die Entscheidungen zu treffen und vorzubereiten. Das wissen Sie alle sehr genau.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns einmal auf diese unaufgeregte Sichtweise zurückziehen, dann macht es Sinn, sich die rechtlichen Grundlagen anzuschauen. Es gibt z. B. den ZDF-Staatsvertrag, aus dem ich wörtlich zitiere:
Der Intendant beruft im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat den Programmdirektor, den Chefredakteur, den Verwaltungsdirektor...
Was bedeutet das? Nach dem ZDF-Staatsvertrag ist es Sache, ist es verdammte Pflicht und Schuldigkeit des Verwaltungsrates, sich mit Personalfragen zu beschäftigen.
Herr Schäfer-Gümbel, Sie müssen sich sagen lassen: Was Sie hier inszenieren, ist der Gipfel der Scheinheiligkeit.
Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen werden diese Diskussionen, auch zwischen den politischen Lagern, immer wieder geführt. Sie werden von der SPD genauso intensiv geführt wie von Christdemokraten und anderen Beteiligten. Das ist Normalität. Damit muss man umgehen können. Deshalb sollte man sich nicht scheinheilig zurücklehnen und vergessen, dass es natürlich auch prominente Sozialdemokaten, z. B. beim ZDF, gab und gibt, die sicherlich nicht aufgrund ihrer rein beruflichen Erfahrung berufen worden sind.
Wie hieß der ehemalige Chef der Hessischen Staatskanzlei, der dann Verwaltungsdirektor beim ZDF wurde?
Tun Sie doch nicht so, als ob Sie die Fairness gegenüber dem Journalismus gepachtet hätten.Wir alle kämpfen für freien Rundfunk, für freies Fernsehen, und dabei wird es bleiben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man einmal die Aufgeregtheit, die einer Opposition zusteht,
weglässt, dann sieht man: Wir reden über ein sehr wichtiges Problem.Das bestreite ich nicht,aber aus meiner Sicht sollte man darüber ruhiger diskutieren.
Herr Kollege Schäfer-Gümbel,das Problem hat zwei Ebenen.Die eine Ebene kommt am Ende nicht parteipolitisch daher, sondern sie hat durchaus etwas mit uns, mit den Menschen, die in der Politik Verantwortung tragen, und mit den Menschen, z. B. in den Feuilletons der Zeitungen, die uns von außen beobachten, zu tun. Die sind nämlich der Meinung, dass die Repräsentanten dieses und anderer Häuser – der Politik, vertreten durch die Parteien, insgesamt – überhaupt nicht in Gremien der öffentlich-rechtlichen Anstalten gehören.Dieser Meinung kann man sein, aber ich habe nicht den Eindruck, auch nicht nach Gesprächen mit Herrn Kollegen Beck, dass die Sozialdemokraten bisher dieser Auffassung waren.
Herr Kollege Schäfer-Gümbel, wenn Sie dieser Auffassung nicht sind, dann muss ich Ihnen Folgendes sagen. Im Fernsehrat des ZDF sitzen Repräsentanten vieler Gremien. Die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsrats des ZDF wird nicht von den Ländern entsandt, sondern vom Fernsehrat gewählt, sehr wohl austariert, und die, die sie wählen, gehören allesamt gesellschaftlichen Gruppen an.
In den Feuilletons lesen Sie: Die nicht politischen Mitglieder im Fernsehrat sind die Richtigen. Gemeint sind die Vertreter der evangelischen Kirche, der katholischen Kirche, von ver.di, des Beamtenbundes, der Arbeitgeberverbände, der Zeitungsverleger, des Journalistenverbandes, der freien Wohlfahrtsverbände,des Bundes der Vertriebenen, der Vereinigung der Opfer des Stalinismus sowie die Vertreter der Bereiche Erziehungs- und Bildungswesen, Wissenschaft, Kunst und Kultur.
Sie alle sitzen mit Recht im Fernsehrat. Aber die Frage, mit der man sich beschäftigen muss, lautet: Ist die Repräsentation des Volkes in einer Demokratie auch durch die Politik möglich, oder wird das Volk in solchen Gremien nur noch von Verbandsvertretern repräsentiert, weil wir Politiker nicht mehr die Kraft haben, zu sagen: „Wir gehören als demokratisch legitimierte Vertreter des Volkes in diese Gremien“? Das ist die erste Frage, die man stellen muss.