Die Entscheidung, aus der TdL auszuscheiden, war eine Entscheidung, die mit hessischen Interessen begründet wurde. Nur für diejenigen, die die Debatte nicht immer vollständig verfolgen: Es macht schon einen Unterschied, ob ein Land wie Hessen zwölf andere Bundesländer mitfinanziert und in Milliardenhöhe Geld aus Hessen in all die anderen Länder geht, die jetzt fröhlich beschließen, mit unserem Geld zu erhöhen, und ob wir eine Chance haben, auch unsere Interessen durchzusetzen. Stichwort: Länderfinanzausgleich.Wir haben eine andere Situation.
Die zweite Seite ist folgende: Ich bin auch davon überzeugt, dass sich das bewährt hat. Ich will das hier einfach einmal sagen, damit es nicht untergeht. Wir haben eigene Tarifwerke. Weil es auch viele neue Kollegen gibt, darf man das einmal sagen. Wir haben einen Tarifvertrag für Ärzte. Hessen ist das einzige Land in Deutschland, in dem die Ärzte im Landesdienst nicht gestreikt haben und in dem wir ohne einen Tag Streik und große Verluste einen Tarifvertrag abgeschlossen haben. Das ist niemand anderem gelungen.Uns ist es gelungen.Allein das würde schon rechtfertigen, zu sagen, dass es sich lohnt, eigenständige Vertragswerke zu vereinbaren.
Dass das hier vonseiten der LINKEN des Hauses nicht gewürdigt wird, ist nichts Neues. Trotzdem ist es richtig. Nehmen Sie deshalb jetzt einfach zur Kenntnis, wie wir in diese Verhandlungen gehen werden.Wir haben ein Interesse, auch die hessischen Beschäftigten – wir reden zunächst einmal von den Tarifbeschäftigten – an Einkommensentwicklungen teilhaben zu lassen. Ich gehe in diese Verhandlungen mit der festen Absicht, konstruktiv zu einem Ergebnis zu kommen. Das heißt aber nicht – schon gar nicht mit Parlamentsbeschlüssen oder öffentlichen Erklärungen –, dass eine Übernahme des TdL-Abschlusses angezeigt wäre. Das wäre auch grob falsch.
Es gibt doch folgendes Problem. Ich will einmal über zwei Dinge in der Sache reden. Es gibt in dem Tarifwerk der anderen Länder bestimmte Dinge, die es in Hessen überhaupt nicht gibt; und es gibt bei uns bestimmte Dinge, die die anderen Länder nicht haben. Deshalb kann man das nicht einfach übernehmen. Es ist wie so oft: Vertiefte Sachkenntnis verhindert die fröhliche Beschlussfassung.
(Heiterkeit bei der CDU – Thorsten Schäfer-Güm- bel (SPD): Ich kann Ihnen ganz viele Beispiele nennen!)
Ich will Ihnen das an zwei Beispielen deutlich machen. In Hessen bekommen z. B. unsere Tarifbeschäftigten – nachgebildet auch unsere Beamten – noch familienpolitische Leistungen. Die gibt es in anderen Ländern nicht.
(Günter Rudolph (SPD): Das haben wir nie kritisiert! – Gegenruf von der CDU: Beim Geldausgeben seid ihr immer dabei!)
Das haben wir gemacht – und ich bekenne mich dazu –, weil ich die Entscheidungen der Tarifgemeinschaft für falsch gehalten habe. Herr Frömmrich, ich bin sehr dankbar für den Zwischenruf. Ich halte es für grob daneben, dass wir Tag und Nacht darüber diskutieren, was wir für Familien und Familien mit Kindern tun können, wenn das Erste, was Ihnen einfällt, ist, alle familienpolitischen Leistungen zu streichen – das haben Sie nämlich gemacht –, um damit die Erhöhung der Vergütung zu finanzieren. Sie haben auf der einen Seite den Familien weggenommen – den Familienzuschlag, den Kinderzuschlag – und das so eingesparte Geld haben Sie genommen,damit Sie einen in Ziffern hohen Betrag zur Vergütungserhöhung bekommen. Das kann man so machen. Ich habe das für falsch gehalten. Deshalb ist Hessen diesen Weg nicht mitgegangen.
Wir werden noch Gelegenheit haben, das zu vertiefen. Ich will nur an zwei bis drei Beispielen deutlich machen, was geht und was nicht geht.
(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Erst den Leuten 17 % wegnehmen und dann den Kinderzuschlag zahlen!)
Zweites Beispiel.Bei der jetzigen Entscheidung dieses Tarifvertrags gibt es einen Punkt, den ich für außergewöhnlich bedeutsam halte. Dieses Haus muss ihn bedenken, denn wir werden uns in Kürze, also in überschaubarer Zeit, wieder mit dem öffentlichen Dienstrecht beschäftigen müssen. Ich erinnere mich sehr gut, dass vor drei oder vier Jahren Herr Bsirske, der damalige Bundesinnenminister Otto Schily und der Chef des Beamtenbundes verkündet haben, das oberste Ziel sei die Leistungsorientierung und die leistungsbezogene Bezahlung im öffentlichen Dienst. Das sei das Oberziel. Und was ist jetzt mit diesem Tarifvertrag passiert? – Genau das ist sang- und klanglos gestrichen worden. Die Leistungszulage hat man nämlich gestrichen. Es gibt jetzt keine Leistungsorientierung mehr. Jetzt müssen wir einmal gemeinsam darüber sprechen, ob wir das wollen. In Hessen gibt es diese Position überhaupt nicht. Das, was Sie dort aus der Leistungszulage gestrichen haben, haben Sie teilweise zur Finanzierung der Tariferhöhung genommen.
An diesen beiden Beispielen wird man sehr deutlich sehen, wenn man in der Sache diskutiert, dass es schon aus Rechtsgründen keine Chance gibt, das wechselweise zu übernehmen. Ich halte es aber auch in der Sache für falsch.
Ich will noch zwei Bemerkungen hinzufügen. Ich glaube, dass heute nicht der Zeitpunkt ist, an dem wir das in aller Breite miteinander diskutieren.
Herr Minister, ich darf Sie trotzdem freundlich darauf hinweisen, dass die für die Fraktionen vereinbarte Redezeit bereits abgelaufen ist.
Jetzt reden wir nur über Tarifbeschäftigte. Ich habe die Vorstellung,dass wir auch für die Beamtenschaft und ganz nebenbei – nicht zu vergessen – für die Versorgungsempfänger in unserem Land eine strukturelle Gleichbehandlung anstreben sollten.
Zum Schluss möchte ich Folgendes sagen, damit wir einmal ein Gefühl haben, über was wir reden. Ich bekenne mich dazu, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht abgekoppelt werden sollen. Ich bekenne mich allerdings auch als Sachwalter des Steuerzahlers. Herr Kollege Rudolph hat es, glaube ich, gesagt: Je nachdem, wie man rechnet, sind es zwischen 670 und 700 Millionen c. Das ist der Betrag, den uns das kostet. Für den Tarifzeitraum sind das – sehr einfach gesagt – zwischen 330 und 350 Millionen c im Jahr. Dieser Betrag kommt jedes Jahr zusätzlich hinzu, ohne dass ein Mensch – ein Mann oder eine Frau – zusätzlich beschäftigt wird. Für dieses Geld könnten Sie – je nachdem, wie Sie rechnen, wenn Sie mit 40.000 c Verdienst pro Jahr rechnen – über 8.000 Lehrer einstellen. Wenn Sie mit 50.000 c pro Jahr rechnen,könnten Sie über 6.000 Lehrer einstellen.
Dann bitte ich einfach um Verständnis, dass der Abgleich der Interessen auf der einen Seite mit den Interessen aller, dass das Loch im Haushalt nicht immer größer wird und wir nur noch Schulden produzieren, keine Banalität, sondern eine sehr vernünftige Überlegung und für einen Minister auch eine Amtspflicht ist. Ich glaube, das wird niemand ernsthaft bestreiten. Deshalb werden das keine leichten Verhandlungen, sonst könnten wir das sehr schnell erledigen. Aber ich sage Ihnen zu, wir werden sie konstruktiv und aus meiner Sicht auch so führen, dass die Beschäftigten am Schluss sagen können: In Hessen werden die Beamtinnen und Beamten wie die Tarifbeschäftigten nicht vor der Tür stehen.
Sie sind uns wichtig, und sie werden – wovon ich überzeugt bin – entsprechend gut behandelt. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist diese Aktuelle Stunde abgehandelt.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend einstimmigen Beschluss der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister zur Neuorganisation des SGB II umsetzen – Drucks. 18/76 –
Dringlicher Antrag der F raktionen der CDU und der FDP betr effend Betr euung v on Langzeitarbeitslosen – Drucks. 18/131 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Erste Wortmeldung von Frau Kollegin Fuhrmann für die SPDFraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die „dpa“ hat vorgestern um 17:33 Uhr getitelt: „Unionsstreit über Jobcenter weitet sich aus“. Die „Frankfurter Rundschau“ hat gestern getitelt: „Union probt den Aufstand gegen die eigene Führung“.
Meine Damen und Herren, es ist kaum zu glauben, aber wahr: Teile der Union missbrauchen die notwendige Neuorganisation der Jobcenter für einen Aufstand – einen kleinen Zwergenaufstand – gegen die eigene Parteispitze. Das ist ein absolutes Tohuwabohu, oder man kann sagen: Es ist eine Schmierenkomödie nach langer Vorgeschichte.
Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass ein unionsinterner Streit um einen Kompromiss, der zwischen der Union und der SPD in langen Monaten ausgehandelt worden ist, jetzt in Sekundenbruchteilen für tot erklärt und vom Tisch genommen wird. Ich sage: Diese Taktik oder ein solcher Profilierungsdrang oder gekränkte Eitelkeiten – es ist mir alles ganz egal, all dieses Verhalten ist absolut verantwortungslos.
Am Beginn der Diskussion vor fast 15 Monaten stand das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nämlich vom Dezember 2007, mit dem uns das Bundesverfassungsgericht in das Stammbuch geschrieben hat, dass die Trägerschaft durch die Arbeitsgemeinschaften neu geordnet werden muss, und zwar bis Ende 2010.Ansonsten droht ein Rückfall.
Das klang im ersten Moment so,als hätten wir jede Menge Zeit.Aber das ist nicht der Fall. Eine solche Umorganisation braucht Zeit. Die Unruhe, die in den Kommunen oder auch bei den Beschäftigten – um das einmal klar zu sagen – herrscht, ist nicht länger hinnehmbar. Wir haben bereits jetzt hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich neue Jobs gesucht haben, weil sie eine sehr große Unsicherheit um ihre eigenen Arbeitsplätze haben.Allein in diesem Jahr 2009 werden 70 Verträge der Argen auslaufen, und auch die Optionskommunen stehen auf dem Prüfstand, wenn die Neuordnung weiterhin durch die Union blockiert wird.
Ich wundere mich in der Tat, wie schweigsam die Hessische Landesregierung in dieser Frage geblieben ist. Das sind wir eigentlich bei Ihnen nicht gewohnt. Ihre zur Umweltministerin gewandelte Exsozialministerin hat in der Vergangenheit genau wie Herr Koch nie eine Gelegenheit ausgelassen, sich lautstark in die Debatte um die Reform