Frau Kollegin Schulz-Asche, das will ich Ihnen ganz deutlich sagen, weil ich der Überzeugung bin, dass in der letzten Woche die Gäste der Preisverleihung an Helmut Schmidt in Point Alpha mit den Würdigungen und seiner Rede eine wahre Geschichtsstunde erleben konnten.
Es ist zutiefst bedauerlich, dass ein Teil dieses Hauses weder bereit ist, aus der Geschichte zu lernen und Verantwortung anzuerkennen,noch den Anstand hatte, die Feier nicht durch ein Polithappening diskreditieren zu wollen. Dies ist Ihnen Gott sei Dank allerdings auch nicht gelungen.
Ich finde, es ist zu Recht geschehen, um das inhaltlich zu sagen, dass das Kuratorium Deutsche Einheit Altbundeskanzler Schmidt ausgezeichnet hat. Im Mittelpunkt der Auszeichnung standen die Verdienste von Altbundeskanzler Schmidt um die deutsche und die europäische Einheit, aber insbesondere seine Standfestigkeit beim NATO-Doppelbeschluss und seine Rolle bei den KSZEVerhandlungen. Ich kann nur sagen, das war zu Recht.
Diese Haltung der Verhandlungsbereitschaft im Interesse der Menschen, der politischen Entspannung auf der einen Seite und der Unnachgiebigkeit gegenüber der längst installierten SS-20-Bedrohungskulisse im Osten auf der anderen Seite, war eine unabdingbare Voraussetzung für den später erfolgenden Abrüstungsprozess und auch für die Überwindung der deutschen und europäischen Teilung.
Ich sage, wer dies leugnet, hat nichts aus der deutschen Geschichte und aus dem historischen Prozess gelernt, der zum Umbruch im Ostblock und zur Überwindung des Eisernen Vorhangs geführt hat.Das ist das Kennzeichen dieser Aktuellen Stunde, weil durch diese Demonstration wiederum deutlich geworden ist, dass die LINKEN versuchen, die Geschichte zu verfälschen. Das mussten wir in der Aktuellen Stunde zuvor schon einmal diskutieren, und das gehört an dieser Stelle wiederum gesagt.
Rückblickend können wir sagen, dass die Bundesrepublik unter den Kanzlern Helmut Schmidt und Helmut Kohl in der Außenpolitik eine Kontinuität und Verlässlichkeit ge
zeigt hat, die eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrung des Friedens und die Überwindung der Teilung gewesen ist – mit Unterstützung unserer westlichen Bündnispartner und dann letztlich auch der Sowjetunion unter der Führung von Gorbatschow.
Aber, meine Damen und Herren, wer in der Diskussion um den NATO-Doppelbeschluss damals und heute die Augen davor verschließt, dass es zuvor die Sowjetunion gewesen war, die zuerst atomare Mittelstreckenraketen auf Westeuropa richtete,
die Rüstungskontrollgespräche unterlief und ein echtes Bedrohungsszenario gegenüber dem Westen aufbaute, ist mehr als blind auf einem Auge. Es war die tiefe und die verlässliche Sorge der Bundesrepublik, dass Westeuropa dieser Bedrohung ausgeliefert und auch erpressbar geworden sei. Insofern war der NATO-Doppelbeschluss zuallererst ein Angebot zu Verhandlungen über die Abrüstung,
aber auch das notwendige Signal der Stärke und nicht der Schwäche angesichts der atomaren Bedrohung aus dem Osten. Wie zynisch es ist, angesichts dieser historischen Wahrheit ausgerechnet Helmut Schmidt als „kalten Krieger“ zu verunglimpfen, das gehört an dieser Stelle diskutiert.
Dies wird umso deutlicher, wenn es von einem Vertreter der Deutschen Friedensunion kommt, die bekanntermaßen von der DDR finanziert wurde, die der Instrumentalisierung gerade der Friedensbewegung dienen sollte.
Ich frage Sie, Herr van Ooyen, und die LINKE hier im Haus: Wo waren beim letzten Donnerstag bei Ihrer Demonstration „Frieden schaffen ohne Waffen“ die Worte in Richtung des Ostblocks? Wo war das Eingeständnis, dass die Sowjetunion erst dann zu Abrüstungsgesprächen bereit gewesen ist, als ihr unter Gorbatschow das Geld für die eigene Rüstungs- und Drohkulisse ausgegangen ist? Wo war denn Ihre Würdigung des KSZE-Prozesses? Wo war Ihre klare Verurteilung der Ostblockstaaten, die die KSZE-Schlussakte mit der Achtung der Menschenrechte und den Reiseerleichterungen unterzeichnet haben, sie aber in Wahrheit nie gewährt haben?
Das war zu Zeiten, als Sie, Herr van Ooyen, bevorzugt an der Grenze in Richtung Osten abgefertigt worden sind.
Es ist nicht nur die Linkspartei, die historisch blind auf dem Auge ist. Sie verweigern notorisch und bewusst diese Verantwortung vor der Geschichte, vor der Benennung von Tätern und Opfern des kommunistischen Machtsystems im Osten.
Das war am 17. Juni in der letzten Woche besonders unerträglich, angesichts des Anlasses der Preisverleihung, angesichts des Ortes Point Alpha und angesichts der Opfer des Volksaufstandes in der ehemaligen DDR.
Ich will zum Ende meiner Redezeit daher noch einmal an diese Menschen erinnern. Dies tue ich nicht mit meinen eigenen Worten, sondern mit den Worten der „New York Times“, die 1953, einen Tag nach dem Aufstand des 17. Juni, schrieb:
Die Deutschen haben in Ostberlin etwas getan, was einen hohen Platz in der Geschichte Deutschlands und der europäischen Zivilisation einnehmen wird. Sie kämpften für die Freiheit gegen die Tyrannen. Die Sowjets können deutsche Männer und Frauen niederschießen, weil sie Panzer und Maschinengewehre haben. Aber sie wissen jetzt, und die Geschichte weiß es, dass im deutschen Volk ein Mut und ein Geist lebt, der die Unterdrückung nicht ewig erdulden wird. Die Ostberliner haben einen echten Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung geleistet.
Das schrieb die „New York Times“ 1953. Welch ein weitsichtiges Urteil. Wir – ich bin der festen Überzeugung, in diesem Haus teilen das viele – können uns glücklich schätzen, dass dieser Traum von Freiheit und Einheit 36 Jahre danach durch die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR Wirklichkeit geworden ist. Wir dürfen nie vergessen, wie viele Menschen für diesen Traum gekämpft und großes Leid und Opfer auf sich genommen haben. – Danke.
Wir kommen zur Abstimmung über die Dringlichen Entschließungsanträge. Es ist beantragt worden, beide Anträge absatzweise abzustimmen.
Ich komme zur Abstimmung des Dringlichen Entschließungsantrags der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucks. 18/2575.
Abs 1.Wer stimmt zu? – CDU und FDP. Dagegen? – Das übrige Haus. Damit ist dieser Absatz mit der Mehrheit beschlossen.
Abs.4.Wer stimmt zu? – Einstimmig angenommen.Damit sind alle Absätze des Entschließungsantrags beschlossen.
Abs. 1. Wer stimmt zu? – CDU, SPD, FDP und GRÜNE. Dagegen? – DIE LINKE. Enthaltungen gibt es keine, dann ist dieser Absatz beschlossen.
Abs. 4.Wer stimmt zu? – CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – DIE LINKE. Damit ist auch dieser Absatz und somit der Antrag insgesamt angenommen.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessens Landesregierung ruiniert die kommuna- len Finanzen) – Drucks. 18/2562 –