Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Schwarz-gelbe Klientelpolitik: Eliteförde- rung statt Bildung für alle – bei öffentlichen Hochschulen wird gekürzt, für die European Business School (EBS) werden Millionen aus Steuergeldern bereitgestellt) – Drucks. 18/2564 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es zeigt sich immer wieder, dass sich die Krise nicht überall bemerkbar macht und dass offenbar auch nicht überall Sparen angesagt ist.
Letzte Woche flanierten 1.000 geladene Gäste in Abendgarderobe über den roten Teppich zum Wiesbadener Kurhaus. Gefeiert wurde, dass Wiesbaden jetzt eine Universität hat: die European Business School, kurz European Business School, Universität für Wirtschaft und Recht. Universität bedeutet in diesem Fall eine elitäre Kaderschmiede für 200 handverlesene Studierende pro Jahrgang, die sich die exklusiven Bedingungen leisten können. Mit viel Pomp und Prominenz wurde dieses Ereignis zelebriert: mit einer Show mit Feuerwerk, einem eigens komponierten EBS-Lied und Videobotschaften von Promis, unter anderem von Boris Becker.
Keine staatliche Hochschule hätte sich in den heutigen Sparzeiten einen solchen Auftritt leisten können.Aber die EBS verfährt nach dem Motto: „Eure Armut widert mich an“, und lässt die Sektkorken knallen.
Vertreter der GEW versuchten, den Gästen mit der Sammelbüchse Spenden für die öffentliche Bildung abzuringen. Leider ist mir das Sammelergebnis nicht bekannt.
125 Millionen c kostet der Aufbau der neuen juristischen Fakultät. Rund 50 Millionen c kommen vom Land und von der Stadt Wiesbaden, als ob man an staatlichen Hochschulen keine Juristen ausbilden könnte. Ich sage Ihnen: Sie könnten noch mehr Juristen noch besser ausbilden, wenn Sie den Hochschulen nicht die Mittel kürzen würden.
Allein in diesem Jahr bekommt die EBS 5 Millionen c aus dem Landeshaushalt. Dabei behauptet die Landesregierung, sie wolle tabulos sparen. Bei Hartz-IV-Empfängern wird gekürzt, und der Elite werden die Millionen in den Rachen geworfen. Das ist eine Politik, die nicht hinzunehmen ist.
Die Mittel für die EBS stammen aus Steuergeldern, die größtenteils von Menschen gezahlt werden, deren Kinder
diese Universität nie werden besuchen können, da diese bis zu 13.000 c Studiengebühren pro Jahr verlangt. Dafür genießen die Kinder reicher Eltern exklusive Studienbedingungen, während die Kinder anderer Eltern, wenn sie es überhaupt an eine Hochschule schaffen, in vergammelten und überfüllten Hörsälen sitzen.
Für diese „mutige Entscheidung“ bedankte sich der Rektor der EBS ausdrücklich bei dem Herrn Ministerpräsidenten und seinem – Zitat – „guten Kumpel“, dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag,Florian Rentsch. Herrn Rentsch hat nämlich maßgeblich dazu beigetragen, dass es diesen Geldsegen gab. Sowohl als Landtagsabgeordneter als auch als Vorstandsmitglied der EBS-Stiftung hat er dazu beigetragen, dass es diese Millionenbeträge gibt.
Dem Stiftungsvorstand der EBS gehören Unternehmensvertreter der Deutschen Bank,der Lufthansa,von McKinsey, von Bayer, der Fraport, des Verbands der Automobilindustrie und als einziger Politiker – „Nicht-Wirtschaftsvertreter“ wäre vielleicht das falsche Wort – Florian Rentsch an. Insgesamt sind es übrigens 21 Männer und eine Frau. Das heißt, es herrschen Zustände wie in der FDP-Fraktion. Kein Wunder, dass sich Herr Rentsch dort wohlfühlt.
In Hessen gilt:Wer hat,dem wird gegeben.30 Millionen c hatte das Land für die EBS übrig, während die gleiche Summe jährlich an den öffentlichen Hochschulen gespart wird. Die Jamaikakoalition in Wiesbaden entscheidet sich auch noch dafür, 10 Millionen c draufzulegen. Die öffentlichen Schulen müssen darunter leiden. Kürzlich erst musste die Wiesbadener Schuldezernentin wegen Geldmangels laufende Arbeiten an Neubauten stoppen. Den Schulen wurden die Budgets gekürzt, sodass einige bald nicht mehr wissen, wie sie das Toilettenpapier bezahlen sollen, geschweige denn, einen neuen Kopierer.Aber dort sitzt auch kein Florian Rentsch im Förderverein.
In den öffentlichen Schulen bröckelt der Putz von der Decke, während den Kindern reicher Eltern eine exklusive Ausbildung geboten wird. Ich finde, die „Frankfurter Rundschau“ hat das sehr treffend kommentiert. Sie schreibt:
Es ist nur schwer zu vertreten, dass eine private Hochschule, die bis zu 13.000 c Gebühren pro Jahr von ihren Studenten verlangt, mit Millionen subventioniert wird, die den öffentlichen Bildungseinrichtungen genommen werden. Das ist schwarzgelbe Klientelpolitik.
Kritik kam auch von dem Präsidenten der Hochschule Rhein-Main, die von den Kürzungen ganz besonders betroffen ist. Die Landesärztekammer hat die Millionenzuschüsse an die EBS ebenfalls kritisiert. Zitat:
Es sollte nicht sein, dass in Prestigeobjekte investiert und zugleich am öffentlichen Bildungswesen gespart wird.
Jetzt wirbt die EBS unter dem Motto „Wir sind Uni“. Die groß angelegte Werbekampagne auf Wiesbadener Bussen und Plakatwänden ist vor allem eine Reaktion auf die Kritik und das Unverständnis weiter Teile der Bevölkerung, mit deren Steuergeldern jetzt um ihre Akzeptanz geworben wird. Das ist wirklich schon abstrus.
Herr Präsident,ich komme zum Schluss.– Ich bin der Meinung, angesichts der Kürzungen bei den öffentlichen Einrichtungen wären es ein richtiger Schritt und ein richtiges Signal, wenn die EBS auf die Anschubfinanzierung verzichten würde. Sonst ist das eine reine Klientelpolitik: Millionen für die Elite und Kürzungen bei der Bildung in der Breite. Das ist eine Politik, die nicht hinzunehmen ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Hochschulstandort Wiesbaden erhält durch die EBS eine weitere wünschenswerte Aufwertung. Die Stadt Wiesbaden wird in Zukunft sowohl von den neuen Studenten als auch von der neuen Institution profitieren. Ich glaube, das ist gut so.
Die Fraktionen der CDU und der FDP befürworten ausdrücklich die Anschubfinanzierung der EBS; denn das ist eine weitere Bildungseinrichtung, von der wir alle, auch in ganz Hessen, profitieren können.
Hervorragende Angebote in BWL, Jura, Logistik und öffentlichem Management werden dort gemacht und auch hervorragend nachgefragt. Die Stadt Wiesbaden, das Land Hessen sowie Industrie und Handel werden von der EBS profitieren.
Liebe Kollegin, wir kommen in Hessen mit sozialistischer Gleichmacherei nicht weiter. Wir müssen hier andere Maßnahmen ergreifen.
Staatliche und privat finanzierte Hochschulen sind längst kein Gegensatz mehr. Ideologische Scheuklappen sind hier nicht angebracht. Vielmehr sollten wir die Freiheit des Wettbewerbs und die Chancen, die sich daraus ergeben, nutzen.
Ich zähle Ihnen ein paar Beispiele für das auf,was uns dort zum Vorteil gereicht. Hessen bekommt eine weitere Bildungseinrichtung mit hoher Qualität. Eine Spitzenausbildung im juristischen und wirtschaftlichen Bereich ist im Zeichen der Krise besonders wichtig und auch in besonderem Maße nachgefragt. Um einen Studienplatz in BWL – dort sind 200 Plätze zu vergeben – haben sich mehr als 800 Leute beworben. Das ist eine großartige Nachfrage. Das sollte uns zum Vorteil gereichen.
Das Rhein-Main-Gebiet wird durch die EBS gestärkt. Bis zu einem Drittel der Studenten können dort mithilfe des Stipendiensystems studieren, das die EBS anbietet. Deshalb kann jeder, der die entsprechenden Leistungen erbringt, dort studieren, ohne dass er – im Gegensatz zu Ihrer Darstellung – einen finanziellen Hintergrund haben muss, der es ihm erlaubt, sich das zu leisten.
Sie haben sich hier eine elitäre Parallelgesellschaft zurechtfantasiert. Es ist mir ein Rätsel, wie Sie darauf kommen. Es handelt sich um einen Qualitätsaufbau, und das ist gut so.
Deswegen befürworten wir, dass wir hier eine internationale Spitzenuniversität für Wirtschaft und Recht haben. Insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist es angebracht, dass wir diesen Schwerpunkt weiterentwickeln.