Deshalb müssen wir uns immer wieder die Frage stellen: Was muss zwingend der Staat tun, was dürfen und müssen wir erwarten,dass die Bürger es selbst für sich tun,und wo soll der Staat gesellschaftliche Prozesse moderieren und mithelfen, diese Gesellschaft zu entwickeln, sodass es für alle Seiten friedlich und erfolgreich vorangeht?
Als Hessische Landesregierung haben wir klare Vorstellungen davon,worauf es in Zukunft ankommt.Ich möchte Ihnen – zugegebenermaßen auch aus Zeitgründen – einige zentrale Schwerpunktbereiche aufzeigen, was unser Bild von Staat und Gesellschaft für die Politik dieser Landesregierung bedeutet.
Wir wollen die Zukunft auf einem soliden Fundament bauen. Deshalb setzen wir unseren ersten Schwerpunkt ganz bewusst bei den Kindern, bei den Familien und bei der Bildung in unserem Land.
Die Gründung einer Familie ist eine private Entscheidung, aber als Landesregierung wollen wir Menschen zu dieser Familiengründung ermutigen.
Wir möchten dazu beitragen, dass Familien sich in Hessen willkommen fühlen und dass sie sich hier zu Hause fühlen, meine Damen und Herren.
Dabei setzen wir nicht auf Ideologie, sondern auf Erfahrung. Der Staat soll und darf nach meiner Überzeugung den Eltern die Aufgabe der Erziehung nicht abnehmen. Die Eltern haben die Aufgabe und die Pflicht, sich um die Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder zu kümmern. Er
ziehung und Bildung sind zuvörderst das Recht und die Pflicht der Eltern, und jedenfalls so lange, wie sie diese Pflichten ernst nehmen, hat der Staat sich nicht an die Stelle der Eltern zu setzen.
Unsere Familienpolitik basiert auf Vertrauen. Wir vertrauen den Eltern in unserem Land und wollen sie in ihrer wichtigen Aufgabe unterstützen. Deshalb dürfen Unterstützung und Hilfe für die Eltern nicht gleichgesetzt werden mit Bevormundung der Eltern.
Umgekehrt gilt aber auch: Die Kinder, deren Eltern entweder nicht in der Lage oder nicht willens sind – oder beides –, die Verantwortung für ihre Kinder zu tragen, darf der Staat nicht alleine lassen.
Wir werden deshalb unsere Maßnahmen zum Kinderschutz verstärken, wie wir das in der Koalitionsvereinbarung im Einzelnen dargelegt haben, auf die ich hier verweise.
Meine Damen und Herren,wir haben großen Respekt vor denen, die ihre berufliche Karriere zurückstellen, um sich selbst der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder zu widmen. Dasselbe gilt auch für diejenigen, die ihre Berufstätigkeit fortsetzen und eine außerhäusliche Betreuung ihrer Kinder in Anspruch nehmen oder auf diese angewiesen sind.
Das Leben mit Kindern stellt gerade auch berufstätige Eltern vor besondere Herausforderungen. Als Hessische Landesregierung wollen wir mit aller Kraft vermeiden, dass Kinder und Beruf als Gegensatz wahrgenommen werden.
Deshalb werden wir das Betreuungsangebot bedarfsgerecht ausbauen. Ob die Betreuung außer Haus, zu Hause oder in anderer Weise stattfindet, ist Sache der Eltern. Im Sinne dieser Wahlfreiheit setzen wir deshalb auf alle Formen der Betreuung: in Kitas, bei den Tagesmüttern oder bei den Eltern zu Hause.
Um den Bedarf der außerhäuslichen Betreuung von Kindern im Alter von unter drei Jahren abdecken zu können und damit auch dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gerecht zu werden, werden wir den Ausbau der U-3-Betreuungsangebote weiter entschlossen vorantreiben.
Meine Damen und Herren, wir wollen das qualitativ und quantitativ tun: quantitativ dadurch, dass wir mehr Angebote, mehr Plätze und auch mehr Erzieher haben wollen;
Das in unserer Koalitionsvereinbarung vorgesehene Bonusprogramm sowie die beabsichtigte Umstellung des bisherigen trägerbezogenen Fördersystems auf unmittelbare Förderung des einzelnen Kindes werden nach meiner festen Überzeugung diese Maßnahmen flankieren. Wir wollen im Ergebnis Wahlfreiheit und Trägerfreiheit und -vielfalt gewährleisten.
Meine Damen und Herren, dies ist ein Kernstück unserer zukünftigen Aufgaben. Wir werden noch oft darüber diskutieren und vielleicht auch gelegentlich darum ringen müssen, wie wir im Einzelnen den besten Weg gehen.
Aber ich denke, wir sind uns einig und können uns dabei finden: Immer vom Kind her zu denken führt in der Regel in die richtige Richtung.
Um berufstätigen Eltern so viel Zeit für ihre Kinder wie möglich einzuräumen und die Kinderfreundlichkeit in unseren Betrieben zu steigern, wollen wir den Ausbau der betrieblichen Betreuung fördern. Insbesondere die Einrichtungen des Landes selbst sollen hier beispielgebend sein.Wir setzen auf den familienfreundlichen Betrieb und nicht auf die betriebsfreundliche Familie.
Wir werden das Vorhaben eines hessischen Kinderfördergesetzes, das alle Maßnahmen und Fördermöglichkeiten für Kinder in Tagesstätten und in der Tagespflege bündelt und systematisiert, umsetzen. Dies ist auch ein Zeichen dafür – Sie finden das bereits in der Koalitionsvereinbarung –, dass uns dieser Bereich besonders am Herzen liegt.
Kinder müssen auch die Chance haben, als Kinder zu spielen und Kinder zu sein, jeder nach seiner Art.
Wir stellen uns deshalb trotz dieser Grundüberzeugung – das ist kein Gegensatz – der Verantwortung für die frühen Grundlagen des späteren Bildungserfolgs.
Frühkindliche Bildung ist kein Luxus, sie ist Pflicht. Dabei wissen wir alle: Die Sprache ist der Schlüssel dafür, gelungene Teilhabe an Bildung zu erreichen. Deshalb werden wir die frühe Sprachförderung fortsetzen und optimieren.
Erlauben Sie mir eine einzige Reminiszenz an dieser Stelle.Ich will gern einmal an die maßlose Kritik erinnern, die der Vorgängerregierung entgegengeschlagen ist, als wir damals als Erste in der Bundesrepublik Deutschland für Kindergarten- und Vorschulkinder die Deutschkurse eingeführt haben. Ich kann mich an manche emotionale Debatte dieses Hauses erinnern. Diese weitsichtige Entscheidung ist heute in der Bundesrepublik Deutschland Standard. Ich freue mich darüber.
Wir werden eine landesweite Umsetzung des Bildungsund Erziehungsplans vorantreiben und entsprechende Qualifizierungsprogramme für die Erzieherinnen und Erzieher sowie für die Lehrkräfte anbieten.
Es bleibt unser Ziel, die Kinder in unserem Land vor dem Übergang vom Kindergarten in die Schule durch ein Vorbereitungsjahr umfassender als bisher mit den Herausforderungen der neuen Schulwelt vertraut zu machen.
Wir wissen auch, dass die Erziehung von Kindern heute komplexer geworden ist.Deshalb möchten wir auch einen Beitrag dazu leisten, wie wir das Selbstvertrauen junger
Eltern stärken können. Dazu wollen wir ein Netz von serviceorientierten Familienzentren einrichten, um die Hemmschwelle für die Inanspruchnahme von Erziehungsberatung und -hilfen abzusenken.
(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Günter Rudolph (SPD): Die machen die Fraktionsarbeit gleich mit! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat Frau Merkel auch immer gesagt!)
Wir wollen ein Konzept entwickeln, das bestehenden Kindertageseinrichtungen die Bewerbung, die Zertifizierung und den Ausbau zum Familienzentrum ermöglichen soll. Eltern sollen dort schnell und unkompliziert Angebote der Elternbildung im öffentlichen wie im privaten Bereich erhalten.
Darüber hinaus haben wir auch den Anspruch, Maßnahmen zu entwickeln, die die Familien in unserem Land entlasten. Ich darf einmal darauf hinweisen – nur eine Zahl –: Seit 2007 hat die CDU/FDP-geführte Landesregierung die Mittel für Kinder und Familien auf über 100 Millionen c mehr als vervierfacht. Das ist eine Leistung, auf die wir stolz sind.