Protokoll der Sitzung vom 07.09.2010

Gelungene Integration ist natürlich mehr als gemeinsames Sporttreiben.Wir legen an unsere Integrationspolitik hohe Maßstäbe an. Um es mit dem Dichter Max Frisch zu sagen: Wir wollen denen, denen die Heimat zur Fremde, aber die Fremde noch nicht zur Heimat geworden ist, eine neue Heimat bieten. – Unsere Mitbürger aus anderen Ländern und Kulturen heißen wir in Hessen willkommen.

Hessen kann auf eine große Geschichte zurückblicken, wenn es darum geht,eine Kultur des Willkommens zu entwickeln. Ministerpräsident Georg August Zinn rief einst den Vertriebenen aus dem Osten zu:„Hesse ist,wer Hesse sein will.“ Die Heimatvertriebenen haben sich schnell in die deutsche Nachkriegsgesellschaft eingebracht und sind damit zu einem Musterbeispiel für eine gelungene Integration in großem Stil geworden.

(Beifall bei der CDU)

Sicher, allein die Sprachbarriere stellt die heutigen Migranten vor andere Herausforderungen als die Zugewanderten von damals. Umso wichtiger ist es uns als Landesregierung, ein unmissverständliches Signal in dieses Land zu senden. Dieses Signal lautet, wir laden die Migranten, die dauerhaft bei uns leben wollen, ein: Werdet Hessen. – Hessen hat bei der Integration seit Regierungsantritt der bürgerlichen Koalition von CDU und FDP in Deutschland anerkanntermaßen eine Vorreiter- und Vorbildrolle.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Neben den von uns eingeführten Deutschkursen hat sich auch der Integrationsbeirat zu einer festen Größe entwickelt. Ähnliches wünschen wir uns für die Integrationskonferenz, die vor einem Jahr unter der Leitung des Kollegen Hahn ins Leben gerufen worden ist.

Für ein starkes Hessen und für ein Miteinander in diesem Land bedarf es einer gelungenen Integration. Das wird

länger dauern, als viele dachten, und es verlangt von beiden Seiten besondere Anstrengungen.

Ich will für diese Landesregierung ausdrücklich sagen: Man darf erwarten, dass Menschen, die sich freiwillig entschieden haben, in einem anderen Land zu leben, dieses Land mit seinen Gesetzen und Lebensweisen auch achten.Auch kann man erwarten, dass sie zum Wohlstand des Landes,von dem sie sich ein besseres Leben erhoffen,beitragen und sich nicht von dessen Bewohnern abgrenzen. Man darf vielmehr erwarten, dass sie selbst zu einem Teil dieser Gemeinschaft werden wollen. Dafür brauchen sie nicht ihre Herkunft und ihre Religion zu verleugnen; sie sollen aber auch nicht beabsichtigen, der angestammten Bevölkerung ihre Kultur und Religion aufzuzwingen.

(Beifall bei der CDU)

Als aufnehmende Gesellschaft können wir Wege weisen und Hilfe anbieten; aber wir können den Zuwanderern nicht die Verantwortung für ihr Leben abnehmen. Zu dieser Verantwortung gehört es, dass sie die Landessprache lernen und ihre Kinder in den Kindergarten und in die Schule schicken. Zuwanderer müssen erkennen, dass ihre Kinder in diesem Land nur dann eine Chance haben werden, wenn sie eine gute Ausbildung erhalten.

Es wird immer so sein: Wer sich in der Fremde wie ein Fremder verhält, wird fremd bleiben. Heimat wird hier nur derjenige finden, der diese Heimat annimmt und sich klar zu ihr bekennt. Nur so werden wir erfolgreich miteinander leben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Uns ist bewusst, dass nicht die Politik das schafft, sondern dass nur die Menschen in Hessen dieses neue Miteinander verwirklichen können. Das gilt nicht nur für die Zusammenarbeit in dieser Gesellschaft, sondern das gilt in ganz besonderer Weise im Hinblick auf den demografischen Wandel und auch für den Bestand dieser Gesellschaft insgesamt. Die Veränderung der Bevölkerungsstruktur in unserem Land bringt mittlerweile konkrete Folgen für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen mit sich. Bildung und Ausbildung, Integration, Sport, Kultur und Beruf, das Zusammenleben im Dorf und in der Stadt: Alle Bereiche sind letztlich schon heute davon betroffen.

Der Staat kann den demografischen Wandel nicht umkehren; er kann ihn jedoch gestalterisch begleiten. Noch viel besser als der Staat können dies die Vereine, die örtlichen Gemeinschaften und die Nachbarschaftsinitiativen, die dazu beitragen, die Folgen der massiven demografischen Veränderungen aufzufangen.

Dazu bedarf es des Engagements. Ich bin überzeugt, die Menschen wollen sich engagieren. Dafür brauchen sie auch kleine Einheiten des Miteinanders. Dieses bürgerschaftliche Engagement ist ein zentrales Thema der Zukunft. Deswegen wird die Landesregierung hier einen neuen Impuls setzen. Wir werden eine Landesstiftung „Miteinander in Hessen“ ins Leben rufen, die neue Initiativen zur Stärkung der Gemeinschaft entwickelt, fördert und begleitet.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir wollen ein Miteinander ermöglichen, indem wir all diejenigen unterstützen, die sich engagieren wollen. Wir werden das mit dem Sachverstand machen, über den wir in Hessen schon heute verfügen, angefangen mit den Freiwilligen- und Ehrenamtsagenturen vor Ort über die Bür

gerstiftungen und die Vereine bis hin zu den Bürgerinitiativen.

Diese neue Landesstiftung wird sich nicht von oben einmischen, sondern sie wird Unterstützung für andere anbieten. Wir wollen mit dieser Landesstiftung die Gründung von Bürgerstiftungen ermöglichen, erleichtern und ihre flächendeckende Zusammenarbeit gestalten. Das kann z. B. als Vereinsgemeinschaft, als Genossenschaft oder als Nachbarschaftshilfe organisiert werden.

Ich bin überzeugt, dass wir mit solchen Einrichtungen in der Lage sein werden,gerade in den Teilen des Landes,die aufgrund der demografischen Entwicklung vor besonderen Herausforderungen stehen, Lösungen zu finden, die es ermöglichen, dort auch künftig die notwendigen Leistungen der Daseinsvorsorge, der Mobilität oder der Kultur anzubieten.

Wir setzen in diesem Zusammenhang besonders auch auf die Einsatzbereitschaft älterer Menschen in unserem Land. Viele Senioren engagieren sich schon heute in Vereinen, Kirchen oder in anderen Initiativen. Wir wollen neue Möglichkeiten aufzeigen, um das Potenzial der Lebenserfahrung älterer Menschen für unsere Gemeinschaft fruchtbar zu machen.

Gemeinschaft – so trage ich das für diese Landesregierung vor – muss auch bedeuten, dass ältere Menschen möglichst lange selbstbestimmt und in Würde in dieser Gesellschaft leben können. Junge und Alte dürfen nicht als Gegensätze empfunden werden, als Menschen, die unversöhnlich um knapper werdende Ressourcen kämpfen, sondern als Mitglieder einer Gemeinschaft, die sich wertschätzen und unterstützen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

In diesem Geist müssen wir die Herausforderungen der kommenden Jahre angehen, und wir haben allen Grund, dies selbstbewusst und zuversichtlich zu machen. Einen Großteil dieses Selbstbewusstseins und dieses Selbstvertrauens beziehen wir in Hessen aus unserer wirtschaftlichen Stärke. Dafür gibt es gute Gründe. Die hessische Wirtschaft hat alle Potenziale, um sich auf den Märkten der Zukunft entsprechend zu positionieren und an der Spitze wiederzufinden.

Damit es uns gelingt, diese Potenziale zu nutzen, wollen wir, die neue Landesregierung, den erfolgreichen wirtschaftspolitischen Kurs fortsetzen. Wir wollen Innovationen auslösen, Zukunftschancen nutzen und damit einen weiteren Schwerpunkt unserer künftigen Arbeit beschreiben. Der Staat soll dabei nicht selbst als Unternehmer tätig sein, sondern er soll im besten Sinne für die Unternehmen tätig werden.

Wir setzen auf den selbstständigen Unternehmer, weil wir wissen, woher das Gros unserer wirtschaftlichen Stärke kommt. Im Mittelstand und in den freien Berufen finden sich die Leistungsträger der sozialen Marktwirtschaft, für die z. B. die Nachhaltigkeit nicht nur ein politisches Gedankenkonstrukt ist. Für diese Mittelständler und diese Angehörigen der freien Berufe ist Nachhaltigkeit ein gelebtes Unternehmenskonzept. Das kann ich aus eigener Kenntnis bestätigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir werden uns deshalb, ob in Berlin oder in Brüssel, gerade für die mittelständischen Unternehmen immer in besonderer Weise einsetzen und auch dafür Sorge tragen, dass wir in Hessen weiterhin exzellente Ausgangsbedin

gungen für unternehmerisches Handeln haben werden. Davon profitieren alle, nicht nur die mittelständischen Unternehmen, die teilweise spezialisierte Weltmarktführer sind, sondern auch diejenigen, die gut bezahlte, dauerhafte Arbeitsplätze als Grundlage ihrer Existenz brauchen.

Der Mittelstand ist aber nicht nur ein großer Teil derjenigen, die unseren Wohlstand erarbeiten, sondern er stellt auch die meisten Ausbildungsplätze zur Verfügung.Damit schafft er für viele junge Menschen Perspektiven für den Beruf und die Lebensplanung.

Deshalb möchte ich insbesondere dem Handwerk als seit vielen,vielen Jahren starkem Träger der Ausbildung einen herzlichen Dank aussprechen. Das ist hervorragend.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Hessen ist ein führendes Industrieland, und die Industrie stellt eine Vielzahl von Arbeitsplätzen zur Verfügung. Meine Damen und Herren, das muss auch so bleiben.Wir werden deshalb dafür Sorge tragen, dass gerade bei nationalen oder europäischen Entscheidungen die Interessen der hessischen Industrie – von der Nutzung unserer Rohstoffe bis zur Erzeugung und Vermarktung der Produkte –

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

und Betriebe in der Hessischen Landesregierung einen verlässlichen Partner haben.

Meine Damen und Herren, Zukunft, um deren Gestaltung wir uns alle mühen, ist in besonderer Weise dadurch gegeben, wie wir die akademische Bildung weiterentwickeln und beste Rahmenbedingungen dafür schaffen.Wir haben ein dichtes Netz an Hochschulen in unserem Land, das weit und breit seinesgleichen sucht. Nirgends finden Sie innerhalb einer Stunde in so kurzen Entfernungen so viele Hochschulen, die so stark profiliert sind. Das ist ein starkes Angebot für Forschung und Lehre, für Studenten, die aus Hessen, aber auch aus allen Teilen Deutschlands und der Welt kommen und die wir gern hier haben. Damit das so bleibt, haben wir gemeinsam mit den Hochschulen einen Hochschulpakt geschlossen

(Janine Wissler (DIE LINKE): Gemeinsam?)

gemeinsam geschlossen, Frau Kollegin –, der den Hochschulen eine verlässliche Grundlage für ihre weitere Entwicklung bietet. Das ist in diesen Zeiten ein großartiges Instrument.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich darf es noch einmal sagen; es könnte ja sein, dass es jemand gar nicht mitbekommen hat: In diesen Zeiten ist Planungssicherheit für die Hochschulen – und das auf einem historisch hohen Niveau – ein hohes Gut. – Um es deutlich zu sagen: Noch nie wurde in Hessen so viel Geld für Hochschulen – für ihren Bau, für ihre Forschung und für ihre Lehre – ausgegeben. Wir sind stolz darauf, dass uns das gelungen ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, wir werden die Profilbildung der hessischen Hochschulen weiter vorantreiben. Wir wollen die Vernetzung von Forschung und Anwendung vertiefen. Ich weise hierzu auf die sehr, sehr erfolgreichen Clusterkompetenzen hin, wo wir zwischen Hochschule, Wissenschaft, Forschung, Unternehmungen und Wirtschaft erfolgreich zusammenarbeiten.

Ich erinnere an das Frankfurter Innovationszentrum für Biotechnologie, die Zusammenarbeit von Hochschulen und Unternehmen in Mittelhessen im Bereich der Medizintechnik oder an das 2008 eingeweihte Cluster „METAKUS“ zur Forschung und Entwicklung im Bereich der nordhessischen Metallindustrie gemeinsam mit der Universität Kassel.

Meine Damen und Herren,in diesen Zentren be- und entstehen zukunftsfeste Arbeitsplätze. Unser Ziel muss es sein, alle Potenziale der Forschung und der Wirtschaft in Hessen zu erschließen und zusammenzuführen.

Die Mobilität und der Charakter unseres Landes als Transitland tragen ebenfalls in großem Maße zum Wohlstand in Hessen bei.Wir wollen, dass Hessen mobil bleibt. Dazu werden wir weiter bedarfsgerecht die Verkehrsträger ausbauen.Das gilt – trotz momentaner Sparmaßnahmen – für die Straßen, für die Schiene und für unsere Flughäfen in Frankfurt und in Kassel-Calden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, insbesondere der Frankfurter Flughafen ist nicht nur die größte Betriebsstätte Deutschlands mit über 70.000 Arbeitsplätzen. Er ist zunehmend auch der wirtschaftliche Herzmuskel unseres Landes. Deshalb war die Ausbauentscheidung zwingend und richtig. Wir werden auch künftig die Ergebnisse des Dialogprozesses im Forum Flughafen und Region berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auch in Nordhessen werden wir den Ausbau der Verkehrswege entschlossen fortsetzen. Das gilt insbesondere für die A 44 und A 49. Es ist mittlerweile beleg- und beweisbar: In dieser Region haben Verkehrswege noch größere Bedeutung für die Schaffung von Arbeitsplätzen als in anderen Teilen des Landes. Die erfolgreiche Entwicklung Nordhessens, die wir nun über elf Jahre gemeinsam vorangetrieben haben,

(Günter Rudolph (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben doch gar nichts getan!)