Protokoll der Sitzung vom 07.09.2010

(Günter Rudolph (SPD) und Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben doch gar nichts getan!)

wollen wir fortsetzen, auch und gerade mit dem Ausbau dieser beiden Verkehrswege.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eines der zentralen Wachstumsfelder im Bereich des Verkehrs liegt im Bereich der Elektromobilität. Diese Chancen werden wir für Hessen nutzen.

Unsere guten Startbedingungen als eine Modellregion im Bereich der Antriebstechnik geben uns die Chance, im Verbund mit unseren Hochschulen, mit der hessischen Industrie, mit den kommunalen Stadtwerken und mit der hessischen Automobilindustrie Hessen als Standort für diese moderne und innovative Technologie auszubauen. Um dieses Ziel möglichst bald zu erreichen, wird das Land in diesem Prozess eine aktive Moderatorenrolle einnehmen.

Meine Damen und Herren, auch das ist eine Besonderheit, die Hessen auszeichnet und die für unsere erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung große Bedeutung hat, nämlich die Weiterentwicklung des Finanzplatzes Frankfurt. Mit dem Sitz der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank sowie einer großen Zahl wichtiger Kreditund Finanzinstitute aus aller Welt sind wir ein Finanzplatz mit Zukunft.

Um die Stärken unseres Finanzplatzes zu erhalten und auszubauen, wird die Hessische Landesregierung sowohl bei nationalen als auch bei internationalen Entscheidungen ein verlässlicher Partner der Finanzwirtschaft sein. Wir wollen noch mehr tun. Die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft streben wir z. B. durch das House of Finance an. Wir wollen damit auch zu einer neuen Kultur des Wirtschaftens beitragen.

Wenn es um Kultur und um die Prägung der Kultur geht, sind wir in Hessen der richtige Ansprechpartner. Hessen hat kulturell viel mehr zu bieten, als die meisten glauben. Viele,die unser Land zum ersten Mal sehen,sind erstaunt, was wir zu bieten haben. Weltoffenheit hat die kulturelle Vielfalt Hessens geprägt, und sie trägt zur Lebensqualität unseres Landes bei.

Wir wollen unser kulturelles Erbe pflegen; denn unsere Arbeit basiert auf dem Bewusstsein, dass nur derjenige, der Traditionen aufrechterhält, auch die Zukunft erfolgreich gestalten kann. Kunst und Kultur sind von zentraler Bedeutung für die Identität und Lebenserfüllung der Menschen. Damit sind sie unverzichtbar, wenn wir ein dauerhaftes Miteinander schaffen wollen.

Wir wollen über die normale Kulturförderung hinaus die Kulturlandschaft in Hessen stärken. Das wird uns auf Dauer eher gelingen, wenn wir damit auch ein wirtschaftliches Konzept verbinden. In Hessen gibt es viel Kultur, die wirtschaftliches Potenzial in sich birgt. Das Konzept für die Museumslandschaft Kassel ist dafür beispielhaft. Viele kleine und große Museen,aber vor allen Dingen unsere Landesmuseen in Darmstadt,Wiesbaden und Kassel zeigen, was Hessen zu bieten hat. Der Erhalt dieser kulturellen Vielfalt bleibt uns deshalb auch in Zukunft eine besondere Verpflichtung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen vorgetragen, wir wollen ein neues Miteinander. Wir gehen neue Wege, um ein neues Miteinander der Menschen in Hessen zu verwirklichen. Unsere Politik will Vertrauen stiften, indem sie sachorientiert, bürgernah und mutig ist. Das ist unser Angebot. Wir kennen die Ängste der Menschen, und wir nehmen sie ernst.Wir akzeptieren keine Ellenbogenmentalität, die von allen gescholten und doch von so vielen praktiziert wird.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben eine klare Vorstellung davon, was wir erreichen wollen. Wir wollen ein neues Miteinander schaffen. Das „Wir“ soll dabei nicht nur die Landesregierung einschließen, sondern alle hier im Landtag und die Menschen, die Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, in ganz Hessen vertreten.

Wir haben Vertrauen in die vielen Mitstreiter in allen Teilen unserer Gesellschaft – in den Vereinen, in den Verbänden, Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmen und in vielen anderen Einrichtungen. Jeder, wirklich jeder kann in diesem Land seinen Beitrag leisten, da, wo er ist, so viel, wie er eben kann. Jeder ist uns wichtig.

Meine Damen und Herren, wir stehen vor großen Herausforderungen. Ich sagte das vor einer Woche. Ich will heute hinzufügen: Wir stehen aber auch auf einem stabilen Fundament, um das uns viele Menschen in der Welt beneiden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Dieses Fundament gründet mehr als alles andere vor allem darauf, dass wir das Glück hatten und haben, über 60 Jahre in Frieden und Freiheit leben zu dürfen. Dies ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, und ich möchte in meiner Regierungserklärung all denen danken, die für uns durch ihren Einsatz und ihre Arbeit dieses stabile Fundament geschaffen haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist unser aller, besonders aber die Pflicht der Landesregierung, die Herausforderungen zu meistern und die Chancen zu nutzen.

Wie wir dies tun wollen und können, habe ich Ihnen anhand einer Reihe von zentralen Themen vorgetragen.Wir wollen diese Aufgaben gemeinsam angehen. Wenn es uns gelingt, nicht das Trennende, sondern das Verbindende voranzustellen, wird unsere Arbeit erfolgreich sein.

Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam für ein starkes Hessen arbeiten. Namens der neuen Hessischen Landesregierung und auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen bitte ich dafür um Ihre Unterstützung und Ihr Vertrauen. – Ich danke Ihnen.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Ministerpräsident, vielen Dank für Ihre Regierungserklärung. Das waren eine Stunde und 33 Minuten. Damit erwachsen den Oppositionsfraktionen jeweils zusätzlich elf Milli – – „Millionen“ hätte ich jetzt beinahe gesagt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Machts, wenn ihr es wollt. – Es wachsen Ihnen also jeweils elf Minuten zusätzlich zu; jeder, wie er will.

Ich eröffne die Aussprache über die Regierungserklärung und erteile zuerst dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion das Wort, Kollegen Schäfer-Gümbel. Bitte sehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bouffier, zunächst will ich Ihnen bei der Ausübung Ihres Amtes viel Glück

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Bundeslandes, unserer Wirtschaft, der Zivilgesellschaft wünschen – mehr Glück, als es Ihrem Vorgänger – –

(Unruhe)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, einen Moment, bitte. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe im Plenarsaal. Ich bitte, die begleitenden Gespräche nicht hier im Plenarsaal, sondern, wenn sie denn sein müssen, draußen zu führen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Herr Kartmann, ich glaube, Sie waren gemeint! – Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich vermute, das kriege ich irgendwann zurück, aber es ist jetzt auch in Ordnung! – Gegenruf des Abg. Norbert Kartmann (CDU): Herr Kollege, das ist ein Miteinander! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich komme dazu, ich komme dazu!)

Herr Bouffier, ich wünsche Ihnen mehr Glück bei der Bewältigung der schweren Aufgabe, die Sie als Ministerpräsident dieses Bundeslandes übernommen haben, als das Ihrem Vorgänger zuteilwurde.

Auch namens meiner Fraktion nehme ich sehr wohl zur Kenntnis, dass Sie mit der heutigen Regierungserklärung und schon mit der Ankündigung in der vergangenen Woche einen anderen Ton einführen. Dieser Ton stellt ein gewisses Maß an Miteinander in Aussicht. Er bietet die Chance, mehr über den Inhalt als über den Stil zu streiten. Nach vielen Debatten, die wir hier im Hause hatten, wäre das ein großer Fortschritt.

Ausdrücklich will ich aber sagen – und habe das auch schon in der letzten Woche getan –: In Ihrer neuen Funktion wird Ihr persönliches Punktekonto nicht auf null gestellt.

(Heiterkeit des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es gibt eine Geschichte, die uns teilt und manchmal auch trennt – oder überwiegend teilt und trennt.

(Leif Blum (FDP):Was denn jetzt?)

Herr Blum, es ist immer beides. – Natürlich werden Sie auch vor dem Hintergrund des bereits Geschehenen gemessen werden. Sie werden 100 Tage Zeit haben – am Ende werde ich darauf nochmals zurückkommen. Aber Sie werden von uns eine faire Chance bekommen,das,was Sie heute angekündigt haben, was das Miteinander und den Ton angeht, in der Sache zu beweisen. Ich werde Sie an Ihren Taten messen und weniger an Ihren Worten.

(Beifall bei der SPD)

Ich hatte das Vergnügen, Ihre Regierungserklärung schon gestern Abend ein bisschen überfliegen zu dürfen. Wenn ich mir Ihre Regierungserklärung anhöre, will ich Ihnen allerdings gleich sagen: Es geht nicht, dass Sie das Gegenteil von dem tun, was Sie hier heute erklärt haben.

(Beifall bei der SPD)

Das hat bereits in diesem Plenum Konsequenzen. Wenn Sie auf der einen Seite die prekäre Situation der Kommunen ansprechen, auf der anderen Seite aber den Kommunen morgen 360 Millionen c durch ein Gesetz entziehen wollen, das Sie noch in den letzten Minuten der alten Regierung eingebracht haben, dann passt das nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Wenn Sie auf einen zukunftsfähigen Energiemix setzen und auf der anderen Seite den Atomkonsens, diesen Atomgipfel, dieses schmutzige Geschäft, das da in Berlin stattgefunden hat, begrüßen,

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Unglaublich!)

dann sage ich Ihnen: Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) und Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Natürlich, manches, was Sie hier zum Thema Familie,

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Was war denn das schmutzige Geschäft?)