Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

Herr Rentsch, Sie haben in Berlin die Verantwortung dafür, dass geschachert wurde, ohne die sicherheitstechnischen Fragen zu klären.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Sie haben geschachert.Sie haben sich dabei auch noch mit einem richtig kleinen Preis abspeisen lassen. Wenn Sie sich heute hinstellen und das als ein Durchsetzungskonzept für erneuerbare Energien aufrufen, dann ist das eine Lachnummer und sonst nichts.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Letzte Bemerkung. Die geht nicht an die Politik, die geht an die vier, die vor zehn Jahren Vertragspartner bei dem Ausstieg aus der Atomenergie waren: Der ehrbare Kaufmann hält sich an Verträge.Der ehrbare Kaufmann ist von denen, die das zu verantworten haben, nicht nur ignoriert, sondern verraten und verkauft worden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer vertragsuntreu wird, hat in Zukunft kein Anrecht mehr darauf, dass zentrale Fragen vertraglich geregelt werden.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Deswegen sage ich Ihnen namens meiner Partei, nicht nur in Hessen sondern auch in Berlin:Ab 2014 werden wir den Atomausstieg ordnungsrechtlich durchsetzen; denn mit vertragsuntreuen Partnern sind Verträge nicht mehr möglich.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Herr Präsident, letzte Bemerkung. Es geht um deutlich mehr als nur um eine politisch hoch umstrittene Sachfrage. Es ist auch eine Frage des neuen Stils, ob Sie in einem gesellschaftlichen Großkonflikt bereit sind, mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren, ihre Bedenken aufzunehmen, und nicht, wie gestern Herr Wagner, fordern, das demokratisch und verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Demonstration und Meinungsfreiheit zu beschneiden, nur weil Fraktionen auch zu Demonstrationen aufrufen. Diese Einschränkung von Bürgerrechten lassen wir nicht zu. Ich kann alle Bürgerinnen und Bürger in Hessen nur dazu aufrufen: Beteiligen Sie sich an den Protesten am 18. September. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben jetzt festzustellen, dass alle Fraktionen fünf Minuten Redezeit erhalten haben. Herr Schäfer-Gümbel hat als Erster für die SPD-Fraktion gesprochen. Als Nächste hat sich Frau Kollegin Wissler von der LINKEN gemeldet. – Bitte schön, Frau Wissler.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich hatte vorhin in meiner Rede gesagt, dass wir ge

spannt sind, ob Sie neue Akzente setzen werden und ob Sie neue Wege gehen werden. Ich muss nach Ihrer Rede sagen, dass ich keinerlei Veränderung feststellen kann. Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte ich gedacht, Frau Lautenschläger steht noch hier, weil Sie genau das Gleiche erzählt haben, was Frau Lautenschläger in den letzten eineinhalb Jahren erzählt hat, und es überhaupt keinen neuen Akzent an dieser Stelle gibt.

(Demonstrativer Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Herren, Sie können ruhig klatschen. Wenn Sie meinen, es sei Aufgabe demokratisch gewählter Abgeordneter und die Aufgabe von Ministern, im Parlament die Argumente der Atomwirtschaft vorzutragen, dann herzlichen Glückwunsch. Sie haben ein tolles Verständnis von Parlamentarismus.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU und der FDP)

Frau Ministerin, Sie haben gesagt, jeder wolle erneuerbare Energie haben, aber keiner wolle sie bei sich haben. Es ist unredlich, wenn man durchs Land zieht und Kampagnen gegen die „Verspargelung“ der Landschaft und gegen „Windkraftmonster“ macht, und sich anschließend im Landtag darüber beschwert, es gäbe eine mangelnde Akzeptanz gegenüber erneuerbaren Energien.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Frau Lannert, trotz aller Demagogie, die Kampagne zieht noch nicht einmal. Nach einer Umfrage befürworten über 70 % der Menschen Windkraftanlagen auch in ihrer engeren Umgebung, wenn dadurch der Energiepreis sinken würde.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Wenn die Menschen Erfahrungen mit Windparks gemacht haben, ist die Zustimmung sogar noch höher. Das sind die Zahlen. Man kann aber nicht immer Kampagnen machen und dann darauf verweisen, dass die Menschen Vorbehalte gegen erneuerbare Energien haben.

Frau Ministerin,es ist ein scharfes Argument,zu sagen,die Statistik stimme nicht, weil der Anteil erneuerbarer Energien in Hessen deshalb so niedrig sei, weil Hessen so viel Energie verbrauche. Hat die Landesregierung denn Konzepte für die Energieeinsparung vorgelegt? Haben Sie Konzepte vorgelegt, die beispielsweise an der Verkehrspolitik ansetzen? Wir wissen, dass die Verkehrspolitik ein Bereich ist, in dem sehr viel Energie verbraucht wird. Sie haben dazu keine Konzepte vorgelegt. Wenn Sie die Klimaziele erreichen wollen, dann müssen Sie genau dort ansetzen.

Frau Ministerin, Sie sagen, Sie wollten nichts oktroyieren. Mit der Änderung der Hessischen Bauordnung schlägt Ihre Regierung den Kommunen ein Instrument aus der Hand, um vor Ort, also in den Kommunen, Klimaschutzziele zu erreichen.Wenn Sie davon reden, dass Hessen besonders viel Energie verbraucht, dann sind doch dort die Ansatzpunkte,nämlich nicht nur bei Regelungen für Neubauten, sondern auch das Eingreifen in den Gebäudebestand.Wenn dort die energetische Sanierung nicht vorangeht und wenn Sie den Kommunen die Möglichkeiten nehmen, Regelungen zu schaffen, damit der Ausbau erneuerbarer Energien vorangeht, dann ist es kein Wunder, dass Hessen einen unheimlich hohen Energieverbrauch

hat und es mit dem Ausbau erneuerbarer Energien nicht vorangeht.

Ihnen war doch die ganze Zeit die Solarsatzung in Marburg ein Dorn im Auge. Jetzt nutzen Sie die Änderung der Hessischen Bauordnung, um solche kommunalen Satzungen zu verhindern. Das ist ein Riesenproblem; denn hier liegen die Potenziale für Energieeinsparungen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie beschneiden die Möglichkeiten der Kommunen.Dann suchen Sie 100 Kommunen für die Showveranstaltung Nachhaltigkeitskonferenz, nachdem Sie ihnen die Möglichkeit genommen haben, Energiepolitik konkret zu gestalten und Klimaschutzziele zu erreichen.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU)

Jetzt zur Atomkraft. Nach einer Umfrage sind 59 % der Bevölkerung gegen eine Verlängerung der Laufzeiten. Wenn Sie sagen, Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit, dann frage ich Sie ganz konkret: Welche Sicherheitsauflagen gedenken Sie RWE für den Weiterbetrieb von Biblis zu machen?

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Biblis weitere acht Jahre am Netz bleibt, was werden Sie als zuständige Ministerin an Sicherheitsauflagen einfordern? Dazu haben Sie nichts gesagt.

Sie haben auf den Koalitionsvertrag verwiesen. Das Ziel Ihrer Regierung ist es: 20 % erneuerbare Energien bis zum Jahr 2020. Sie nennen das ehrgeizig. Ich nenne es unambitioniert. Aber Sie sind auch darauf die Antwort schuldig geblieben, wie Sie wenigstens dieses bescheidene Ziel erreichen wollen.Denn wir werden den Anteil der erneuerbaren Energien nicht über Nacht verdreifachen, sondern auch da muss es Ziele und konkrete Schritte zur Umsetzung geben. Aber die Antworten darauf sind Sie genauso schuldig geblieben wie der Herr Ministerpräsident in seiner gestrigen Regierungserklärung, der zu dem Punkt Umwelt und Energie fast gar nichts gesagt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, diese Regierung verschleppt den Umstieg auf erneuerbare Energien. Sie bauen auf Risikotechnologien. Dafür sind Sie nicht gewählt. Sie sind nicht Büttel der Atomkonzerne, sondern Sie sollen Politik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung machen, und Sie sind deren Sicherheit verpflichtet. Wenn Sie meinen, die Interessen der Atomkonzerne in dieser Vehemenz vertreten zu müssen, dann kann man nur sagen: SchwarzGelb braucht offensichtlich einen heißen Herbst. Ich hoffe, dass sehr viele Menschen auf die Straße gehen werden, um gegen diese Klientelpolitik zu demonstrieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Das ist das Einzige, was Sie können! – Holger Bellino (CDU): Bravo-Politik, die hier betrieben wird!)

Schönen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Herr Fraktionsvorsitzender Al-Wazir gemeldet. – Ich habe wirklich noch einmal die Bitte:Wir hatten uns einen neuen Stil vorgenommen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ich bitte um etwas mehr Ruhe im Saal. Herr Kollege Wagner, das gilt für beide Seiten in diesem Rund: Bitte folgen Sie dem Redner. – Herr Al-Wazir, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich nach der Rede der neuen Ministerin noch einmal gemeldet. Ich möchte mit dem einen positiven Punkt beginnen, den ich bei Ihnen gefunden habe.

(Florian Rentsch (FDP): Kuschel-Al-Wazir!)

Frau Puttrich, Sie haben gesagt, dass es eine gemeinsame Aufgabe sei, für die Akzeptanz der erneuerbaren Energien zu kämpfen. Da sage ich ausdrücklich: Das sehen wir auch so.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich finde es schön, dass die Union klatscht.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nicht alle! Das war nur ein Teil! Herr Irmer kriegt das nicht hin!)

Nicht alle. Es gibt noch ein paar, die im Keller noch die alten „Windkraftmonster“-Plakate hängen haben. – Aber ich finde das ausdrücklich richtig. Ich verrate Ihnen jetzt ein Geheimnis. Ich habe im Vorfeld, als nicht klar war, wer Umweltminister oder Umweltministerin werden soll, gesagt: Wenn es Gerechtigkeit gäbe, müsste eigentlich der Herr Boddenberg das machen, weil der als Generalsekretär mit seiner „Windkraftmonster“-Kampagne die Leute auf den Baum gehetzt hat. Er müsste sie jetzt eigentlich selbst wieder herunterholen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Aber ich finde es schön, dass Sie das jetzt so sehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU))