Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Beim Gebietszuschnitt gibt es keine Änderungen. Es bleibt die Seltsamkeit, dass die Landeshauptstadt Wiesbaden und die Stadt Darmstadt nicht Mitglieder des neuen Regionalverbands sein sollen. Der Rheingau-TaunusKreis soll übrigens auch nicht Mitglied werden, obwohl man sich etwas anderes denken könnte; denn hier sprechen gleich vier Leute aus dem Untertaunus dazu.

Der Main-Kinzig-Kreis, der Kreis Groß-Gerau und der Wetteraukreis sollen in ihrer amputierten Form bestehen bleiben, obwohl das selbst die dortigen Landräte als unbefriedigend ansehen. Dies passt nicht zu dem neu formulierten Anspruch, ein Gesetz über die Metropolregion in Hessen zu kodifizieren.

Wer von der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main spricht, sollte wissen, dass deren tatsächliche Ausdehnung viel größer ist, als es der Zuschnitt im Gesetzentwurf bisher erkennen lässt. Sie reicht nämlich von Aschaffenburg bis Mainz, von Darmstadt bis Fulda, und sie überspannt drei Bundesländer. Es hätte daher der Landesregierung gut angestanden, die Probleme unter diesem Blickwinkel anzugehen und eine neue, länderübergreifende Zusammenarbeit für die Region zu suchen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Die Auflösung des Rats der Region ist zweifellos zu begrüßen. Das hat Herr Kollege Müller ebenfalls gemacht. Der Rat ist der Steuerungsfunktion für die Region, die man von ihm erwartet hat, zu keinem Zeitpunkt nachgekommen. Die langwierige Diskussion über die Einführung des Handwerkerausweises und mehr oder weniger unverbindliche Resolutionen haben seine Tätigkeit stattdessen beherrscht.

Der Regionalverband, der jetzt an die Stelle des Rats der Region treten soll, stellt jedoch keine grundlegende Änderung gegenüber dem bisherigen Zustand dar.Auch jetzt sind in dem Gremium die Oberbürgermeister und die Landräte vertreten. Demnächst wird ihre Stellung durch die Begrenzung auf 13 Mitglieder sogar noch aufgewertet.

Auch der Regionalvorstand wird, wie bisher der Rat der Region, nur unverbindliche Empfehlungen an die Kommunen geben können. An der Konstellation wird also nichts geändert. Dennoch suggeriert der Begriff „Regionalvorstand“ die Steuerungs-, Entscheidungs- und Vollzugskraft eines unternehmerischen Vorstands. Der neue Regionalvorstand ist jedoch bestenfalls ein Regionalbeirat.

Meine Damen und Herren, die Hessische Landesregierung will eine große Reform der regionalen Verfasstheit in den nächsten Jahren nicht angehen und verspielt dadurch die Chancen von Rhein-Main. Das hat sie bereits bei der Internationalen Bauausstellung getan, und jetzt macht sie es wieder.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass der neue Innenminister, der aus Frankfurt kommt, in die Rolle des Prinzen schlüpfen könnte, der dem Kreislauf der Region durch einen Kuss neuen Schwung verleiht. Schließlich ist Herr Rhein oft genug als Prinz bezeichnet worden.Aber offensichtlich hat er größeres Interesse am Römer als am Dornröschenschloss und will niemandem auf die Füße treten. So schafft er es dann doch nicht, aus seinem Teich herauszuhüpfen.

(Zuruf des Ministers Boris Rhein)

Die „FAZ“ kommentierte bereits vor Längerem:

Es ist ein auf die derzeit agierenden Personen zugeschnittenes Gesetz und schafft keine neue Region, die ein starkes und eigenständiges Profil bilden könnte. Rhein-Main hängt weiter am Zügel der Staatskanzlei. Die Landesregierung will die Bedeutung des wirtschaftsstarken Rhein-Main-Gebiets einfach nicht anerkennen. Obwohl das Land vom

Ballungsraum lebt, wird er weiter am Gängelband geführt.

Meine Damen und Herren, das trifft den Nagel auf den Kopf; denn trotz aller Kritik, die bereits kurz nach Bekanntwerden der Einzelheiten Ihres Gesetzentwurfs laut wurde, nimmt dieses Papier nun seinen parlamentarischen Gang, und die negative Kommentierung durch die Presse geht weiter. So schrieb die „FAZ“ am 03.09.:

Ein Reförmchen für den Ballungsraum... Der große Wurf ist sie nicht, diese Gesetzesnovellierung... An einer richtigen Regionalreform... haben die derzeitige Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP kein Interesse.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, es geht Ihnen bei diesem Gesetzentwurf gar nicht um die Zukunft der Rhein-Main-Region. Die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf wird zeigen, dass für die Wettbewerbsfähigkeit der Region in Europa ein großer Wurf nötig ist.Aber dazu haben Sie ganz offensichtlich wieder einmal nicht den Mut. Stattdessen sind die kümmerlichen Änderungen, die Sie am Ballungsraumgesetz vornehmen, vom Postengeschacher zwischen den Koalitionsfraktionen gekennzeichnet.

Die FDP ist beleidigt,weil die beiden gut dotierten Posten der Hauptamtlichen an der Spitze des Planungsverbands innerhalb des letzten Jahres an die CDU fielen und sie selbst leer ausging. Die vorgelegte Gesetzesnovelle sieht jetzt die Wahl von zwei hauptamtlichen Beigeordneten vor, damit auch die FDP versorgt werden kann. Das wird der Öffentlichkeit dann als Fortschritt für die Region verkauft. Hier wird nach politischen Vorteilen entschieden und nicht nach Vorteilen für die Gruppen, die von diesem Gesetz eigentlich profitieren sollen.

Wie lässt es sich sonst erklären, dass die Forderungen der Wirtschaft,der IHK,der Handwerkskammer und der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, wieder eine stärkere regionale Struktur und eine regionale Verfasstheit zu bekommen, die mit der Einrichtung eines direkt gewählten Parlaments einhergehen sollte, schlicht und einfach zurückgewiesen werden? Herr Müller, da Sie eben gesagt haben, die Unternehmen begrüßten diesen Gesetzentwurf:Gerade vorgestern haben die Handwerkskammer Rhein-Main, die VhU und die IHK Frankfurt diesen Entwurf von CDU und FDP in einer gemeinsamen Erklärung als ungenügend zurückgewiesen. Das ist eine glatte Sechs.

(Heiterkeit bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Forderungen der Wirtschaft, der Kammern und der Verbände aus der Region sind wesentlich näher an dem sozialdemokratischen Modell des Regionalkreises als an dem von dieser Koalition vorgelegten Stückwerk, das mit Wirtschaftsfreundlichkeit nichts zu tun hat und den Namen „Metropolgesetz“ nicht verdient. Aufgrund der Sprachlosigkeit, der Ideenlosigkeit und der Mutlosigkeit dieser Regierung wird im europäischen Wettbewerb der Regionen wieder einmal eine Chance für Rhein-Main verschenkt.

Sie wagen sich nicht an das Dornendickicht heran, das das Schloss umgibt, und so wird Dornröschen leider bis 2014 weiterschlafen müssen, bevor sie von einer Landesregierung wieder zum Leben erweckt wird,die um die Chancen und Perspektiven einer Profilbildung und Standortstärkung von Rhein-Main im Wettbewerb der europäischen Metropolregionen weiß. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Mann!)

Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Müller gemeldet. Sie haben zwei Minuten Redezeit. Bitte sehr.

Herr Weiß, ich bin schon überrascht. Sie haben jetzt siebeneinhalb Minuten lang geredet und nicht einen Punkt genannt, wie die SPD diese Region gestalten möchte.

(Beifall bei der FDP)

Es ist eine Kunst, siebeneinhalb Minuten lang über das eine und das andere zu meckern, etwas nur halb oder falsch zu zitieren und zu sagen: „Das ist ein Unding; ihr bringt das Ganze nicht nach vorne“, ohne einen einzigen Punkt vorzubringen, wie die Rhein-Main-Region aus Sicht der SPD gestaltet werden soll.

Auch die IHK, die Handwerkskammer und die VhU haben diesem Gesetzentwurf nicht die Note Sechs gegeben, sondern sie haben gesagt,er sei auf dem richtigen Weg.Sie würden sich wünschen, dass er an manchen Stellen noch weiter ginge. Das ist in Ordnung. Hierüber finden auch Diskussionen und Gespräche statt.Aber dass gesagt worden ist, der Gesetzentwurf sei ungenügend, ist schlicht und einfach falsch.

Mit diesem Gesetzentwurf greifen wir genau das auf, was in der Region im Moment zu gestalten ist, und setzen es um. Damit bringen wir die Region auf den richtigen Weg. Die SPD sollte auch einmal anerkennen, dass in dieser Region nicht alles schlecht ist. Reden Sie in dieser Region doch nicht immer alles schlecht. Hier gibt es ganz viel, was sehr gut funktioniert.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist bar jeder Sachkenntnis! Es wäre schon gut, wenn man wenigstens den eigenen Gesetzentwurf gelesen hätte!)

Deswegen sollten wir auch das einmal in den Vordergrund rücken, statt dass wir selbst der Region schaden, indem wir sie schlechtreden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Abg.Weiß hat die Gelegenheit zur Antwort.

Lieber Kollege Müller, wir reden diese Region überhaupt nicht schlecht. Sie regieren diese Region schlecht. Das ist ganz klar der Fall.

(Beifall bei der SPD – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Nein, lies das Gesetz!)

Während Sie über Städte wie Wiesbaden, Darmstadt oder Mainz nur reden, haben wir erklärt, dass es auch um eine länderübergreifende Zusammenarbeit geht und dass wir diese Städte einbeziehen müssen. Sie sind in diesen Gesetzentwurf überhaupt nicht einbezogen worden.

Die Forderungen – auch das können Sie nicht abstreiten –

(Zuruf des Ministers Jörg-Uwe Hahn)

Herr Hahn,habe ich das Wort,oder haben Sie das Wort?

(Beifall bei der SPD – Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich habe das Wort. Ich bitte alle, insbesondere auch diejenigen von der Regierungsseite, den Redner nicht über Gebühr weiter zu motivieren. – Ich darf Ihnen wieder das Wort erteilen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sehr gut, Herr Präsident! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Staatsmann muss sich auch an die Regeln halten!)

Herr Kollege Müller, unser Modell des Regionalkreises ist schon entwickelt worden, als wir beide noch nicht in diesem Haus waren. Es gilt unverändert bis heute, weil es die richtige Vision für die Region ist und weil es nah an den Interessen ist, die diese Region hat: dass sie ein Global Player wird und dass sie die Stärke, die Möglichkeit und die Kraft hat, im Wettbewerb der europäischen Metropolregionen, der immer wichtiger wird, eine Rolle zu spielen. Mit dem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, erlangt die Rhein-Main-Region diese Stärke leider nicht.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Jetzt erhält Herr Kollege Klose für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte schon einmal das Vergnügen, zu einem rein Darmstädter Thema, nämlich zum European Space Operations Center, zu reden. Herr Blum, ich glaube, Sie werden das jetzt auch aushalten.

Meine Damen und Herren, im April 2010 hat einer der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, Werner D’Inka, zur Organisation der Region Frankfurt/Rhein-Main wie folgt geurteilt. Ich darf zitieren:

In Frankfurt/Rhein-Main suchen Pragmatiker aller Parteien jedenfalls nach neuer Substanz und hoffen, dass sich die Form daraus ergibt, weil sie den Wein für wichtiger halten als den Schlauch.

Nach Vorlage dieses Gesetzentwurfs muss ich leider feststellen: In den Regierungsfraktionen sitzen diese Pragmatiker offenbar nicht. Sie bieten einen alten Schlauch an; und der Wein ist ihnen vollkommen egal, solange sie ihn nicht trinken müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie des Abg. Marius Weiß (SPD))

Nein, Herr D’Inka meinte die kommunalen Akteure, also die Akteure aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, die den wirtschaftlichen Herzmuskel unseres Bundeslandes voranbringen wollen und nach gemeinsamen Identifikationsprojekten suchen. Herr Müller, deshalb kann ich Ihr