Die Frisörin, die so gern von Frau von der Leyen zitiert wird, ist sauer auf die Erwerbslosen, statt empört darüber zu sein, dass ihr Lohn zu gering ist. So leitet man Emotionen geschickt um. Das ist das alte Prinzip „teile und herrsche”.Das greift scheinbar immer noch mühelos.Über die Verbrauchsstichprobe heißt es auf der Seite des Ministeriums:
sämtliche Einnahmen und Ausgaben – von der Seife über Lebensmittel bis hin zu Schuhreparaturen, Friseurbesuchen oder Eintrittsgeldern für Sport oder Kino. Damit liegen bezogen auf das ganze Jahr von rund 60.000 Haushalten die Angaben vor.
Daraus hat der Referentenentwurf dann Zahlen zusammengetragen. Wie die zusammengetragen worden sind,ist nebulös,völlig schleierhaft.Jedenfalls stellt er fest, dass für Kinder unter sechs Jahren im Bereich Gesundheitspflege im Monat 6,09 c zu veranschlagen sind. Ich nehme einmal an – bei Kindern unter sechs Jahren braucht man etwa die Hälfte der Zeit Windeln –, dass diese Windeln in diesen 6,09 c enthalten sein müssten, denn sie sind keine Lebensmittel und keine Bekleidung. Jeder, der schon einmal ein Baby gewickelt und versorgt hat,weiß,dass man mit 6,09 c die Windeln für eine Woche kaufen kann
bestenfalls. Was ist in den restlichen drei Wochen mit den Windeln für die Hartz-IV-Kinder? Das kann man sich einmal plastisch vorstellen.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Der Regierung geben! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Gute Idee.– Ich habe mir daraufhin einmal die Angaben in den Verbrauchsstichproben genauer angeschaut. Irgendwoher müssen die Zahlen gekommen sein, dass man bei diesen 6,09 c landet.Aber ich gestehe Ihnen, ich habe damit relativ schnell aufgehört.
Bei der Befragung der Paarhaushalte mit einem Kind unter sechs Jahren habe ich zu meiner Verwunderung festgestellt, dass diese Familien im Monat 3,60 c für alkoholische Getränke und 6,72 c für Tabakwaren für ihr Kind ausgeben. Sie können das alles auf der Seite des Ministeriums nachlesen, wenn Sie den entsprechenden pdfDownload aufmachen. Sie glauben mir doch wohl,
dass ich nach dieser Stelle kein Vertrauen mehr in die Methode der Ermittlung dieser Regelsätze habe.
Wenn das der einzige Kommentar ist, der Ihnen dazu einfällt, dass die Berechnung auf einer Grundlage basiert,
in der Geld für Alkohol und Tabakwaren für Kinder unter sechs Jahren eingerechnet werden, dann ist das das Armutszeugnis schlechthin.
Das ist Ihr generelles Totschlagargument, wenn Ihnen nichts mehr einfällt und wenn man Ihnen schwarz auf weiß nachweisen kann, was für einen kruden, unsensiblen und gegen den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gerichteten Unsinn Sie verzapft haben. Das ist unglaublich.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist weder methodisch sauber, noch hat er saubere Berechnungsgrundlagen. Er ermöglicht auch kein menschenwürdiges Leben, selbst wenn Frau von der Leyen das behauptet. Er muss deshalb mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert werden.
Nach den Protesten der Sozialverbände und Gewerkschaften, der Betroffenen und der Menschen im Land, die überzeugt sind, dass spätrömische Dekadenz eher in den Manageretagen der Boni zahlenden Banken zu finden ist, sind alle Landesregierungen, auch diese, aufgefordert, diesen Gesetzentwurf im Bundesrat abzulehnen.
Ich komme zum Ende. Danke, dass Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben. Ich möchte mit folgendem Satz schließen:
Wenn man kein Geld hat, muss man das Geld dort holen, wo es im Überfluss ist, und nicht denen nehmen, die ohnehin zu wenig haben.
Sehr verehrter Herr Präsident,liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Schäfer-Gümbel, mein Gott, müssen Sie verzweifelt gewesen sein, wenn ich die Aggressivität und die Substanzlosigkeit Ihrer Rede einmal Revue passieren lasse.
Die Verzweiflung resultiert nicht etwa aus der Sorge über die Berechnung der Regelsätze und erst recht nicht aus der Würde der betroffenen Menschen, sondern ich vermute etwas anderes, was Sie hier so bewegt und zur Verzweiflung bringen lässt, was sehr gut in den Überschriften des Hauptteils der „FAZ“ vom heutigen Tag zum Ausdruck kommt. Da steht über einem Artikel: „Opposition fordert flächendeckenden Mindestlohn”. – Der andere Artikel: „Rendezvous mit der Vergangenheit”, mit einem Bild von Altbundeskanzler Schröder und Peter Hartz. Jeweils gemeinsam zu den Überschriften eine Vorbemerkung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie fordern einen flächendeckenden Mindestlohn.Es wird die Zahl 7,50 c genannt. Bei 150 Arbeitsstunden im Monat kommt man etwa auf 1.100 c. Sie fordern 420 oder 500 c Regelsatz Hartz IV. Dazu kommen die Leistungen für Wohnung,
Es ist Ihr Konzept, dass Sie sagen, es soll dem Bürger freigestellt werden,ob er eine solche Arbeit annimmt oder ob er Transferleistungen in Anspruch nimmt und dies staatlich subventioniert wird. Meine Damen und Herren, wir haben eben eine andere Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit und eine andere Vorstellung von der Würde des Menschen.
Dann zu Ihnen. Rendezvous mit der Vergangenheit. Ihre Partei ist dadurch entstanden, dass Sie sich aus der Opposition gegen Agenda 2010 und Hartz IV von der SPD abgespalten haben und dann unter organisatorischer, ideologischer und finanzieller Mithilfe der PDS, Nachfolgeorganisation der SED, hier gegründet haben. Ich glaube den Sozialdemokraten, dass sie die ehrliche Absicht haben, dass sie alles unternehmen wollen, dass diese Partei durch Wahlen wieder aus den Parlamenten verschwindet.
Wenn Sie aber diesem Populismus nachlaufen – Ihre Rede, Herr Schäfer-Gümbel, war der Beweis dafür –, dann erreichen Sie genau das Gegenteil. Richtig wäre es, diesen Populismus zu entlarven, die ideologische Vergangenheit, die Verflechtung mit der Quellpartei zu entlarven.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 dazu aufgefordert, die Leistungen nach dem SGB II neu zu berechnen. Die alten Zahlen wurden übrigens von Rot-Grün berechnet. Die Ermittlung der Regelsätze soll nun transparent sein.
Diese Bundesregierung kam dieser Aufgabe fristgerecht nach. Anhand der Daten einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 60.000 Haushalten wurde ein menschenwürdiges Existenzminimum ermittelt.
Wir stehen dazu. Wir halten es für richtig, dass man sich am unteren Fünftel der Einkommensbezieher orientiert.
Wer einen anderen Bezugspunkt fordert, etwa das untere Viertel oder – warum nicht? – das untere Drittel, wer einen Regelsatz von 420 c fordert, der muss nicht nur erklären,wie er die zusätzlichen 20 Milliarden c finanzieren will, bundesweit,
sondern er muss auch erklären, was die Bevölkerung dazu empfindet. Das kommt in einer Umfrage des demoskopischen Instituts Allensbach zum Ausdruck. Dort wurde gefragt: Glauben Sie, der Unterschied zwischen Arbeitseinkommen und der Höhe der staatlichen Leistungen ist groß genug, damit man den Anreiz hat, wieder zu arbeiten? – 55 % der Befragten sagen: Nein, der Abstand ist nicht groß genug. – Das ist in der „FAZ“ veröffentlicht.