(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Janine Wissler (DIE LINKE))
Wir haben in dieser Debatte nie den Eindruck erweckt, die Regelsätze würden bei der Neuberechnung signifikant erhöht. Das hat das Bundesverfassungsgericht auch niemals gefordert.
Wir stehen dazu, dass Zigaretten und Alkohol herausgerechnet werden. Wir stehen dazu, Internetanschluss und Praxisgebühren hineinzurechnen. Wir stehen dazu, Beiträge zu Vereinen nicht anzutasten, obgleich die meisten Sportvereine für ALG-II-Bezieher nur einen symbolischen Betrag berechnen.
Meine Damen und Herren, sozial gerecht und der Menschenwürde entsprechend ist das Bildungspaket im Umfang von 620 Millionen c pro Jahr für 1,7 Millionen Kinder aus Familien, die Hartz IV beziehen. Sie sollen an der Gesellschaft teilhaben. Sie sollen bei Klassenfahrten und beim Mittagstisch nicht ausgegrenzt werden. Sie sollen in der Schule eine faire Chance erhalten, damit ihnen nicht eine Hartz-IV-Laufbahn familiär vorgezeichnet ist.
Sie könnten mit der Summe den Regelsatz für alle rechnerisch um 8 c pro Monat erhöhen. Wir entscheiden uns aber bewusst für 30 c pro Monat für die Bildung der Kinder.Meine Damen und Herren,man kann es auch so rechnen: Es gibt eine 13. Monatszuwendung für ein Kind und dessen Chancen.
Diese Prioritätensetzung können wir unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit gut vertreten.Wir lassen es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie die Themen soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde hier nur an den 5 c der Regelsatzanhebung diskutieren.
Sozial gerecht ist es auch, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit ALG-II-Empfänger, die arbeitsfähig sind, schnellstmöglich in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Gerade die Hessische Landesregierung hat sich erfolgreich für die dauerhafte Sicherung und Ausweitung der Optionskommunen eingesetzt und die Verfassungsmäßigkeit der Arbeitsgemeinschaften gesichert. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik.
Wir werden die Qualität von Fördern und Fordern weiterentwickeln.Wir wollen, dass alle Arbeitslosen die Chance und die Pflicht haben, noch in der Woche der Antragstellung Kontakt mit einem möglichen Arbeitgeber aufzunehmen oder Förderungsmaßnahmen zu erhalten. In vielen Optionskommunen Hessens ist das bereits der Fall. Wir wollen, dass dies bundesweit geschieht. Auch das ist ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und zur Würde des Menschen.
Meine Damen und Herren, sozial gerecht ist es auch, dass derjenige, der einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht, mehr Geld in der Tasche hat als der ALG-II-Empfänger.
Nein, wir machen das nachher mit den Kurzinterventionen. – Ein arbeitsloser Familienvater hat heute so viel wie ein Briefträger.Viele Löhne bleiben unter Hartz IV.
Das stammt nicht aus der Boulevardzeitung, sondern aus einem „FAZ”-Artikel. Im Durchschnitt erhält ein Single unter Berücksichtigung des Regelsatzes plus der ortsüblichen Miete etwa 800 c.
Das kann dem Nettoeinkommen einer angestellten Frisörin oder einer Verkäuferin entsprechen, ebenso der Tätigkeit in Berufen wie Gebäudereiniger, Altenpfleger oder Briefzusteller, wo es über das Entsendegesetz bereits einen von den Tarifpartnern ausgehandelten Mindestlohn gibt. Tun Sie bitte nicht so, als sei die Lösung dieses Problems die Einführung eines Mindestlohnes.
Wenn er staatlich festgesetzt würde, wäre das sowieso völlig rechtswidrig und würde Arbeitsplätze zerstören.
Bei einem Ehepaar mit zwei Kindern wird die Problematik noch offensichtlicher. Die Leistungen betragen dort knapp 1.900 c. Das entspricht schon einem Bruttogehalt von 2.500 c.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir bitten die Landesregierung, diesem Gesetz im Bundesrat zuzustimmen, weil diese Berechnung der Regelsätze für uns gut nachvollziehbar ist,
weil im Bildungspaket für Kinder aus ALG-II-Bezieherfamilien Akzente gesetzt werden, damit sie keine HartzIV-Empfänger werden, sondern eine echte Chance für eine erfolgreiche Schul- und Berufskarriere haben.
Mein letzter Satz. – Damit leisten wir auch einen Beitrag dazu, dass diese Sozialleistungen in der Gesellschaft akzeptiert werden. Dies ist unser Beitrag für die Würde des Menschen und die soziale Gerechtigkeit in unserem Lande. – Herzlichen Dank.
Wir prüfen gerade, ob Kurzinterventionen in einer Aktuellen Stunde möglich sind. Nach meinem Verständnis nicht.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wirklich beachtlich, was sich in Berlin abspielt.
Ich glaube, es ist ganz wichtig, in bestimmten Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.Herr Dr.Bartelt,das fällt sichtlich schwer – ich gebe das offen zu.
Ich möchte mit der Frage beginnen: Welchen Sozialstaat wollen wir? Welche Leitplanken hat uns das Bundesverfassungsgericht dafür gegeben?
Für uns GRÜNE gilt das, was das Grundgesetz in Art. 20 sagt: Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Staat.
Wir haben ein Sozialgesetzbuch.Treffender kann es nicht formuliert werden, als es dort in § 1 Abs. 1 steht:
Das Recht des Sozialgesetzbuchs soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten. Es soll dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen, die Familie zu schützen und zu fördern, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen.
Dagegen gibt es natürlich eine ideologische Debatte, die schon den Verdacht erhärtet – ich schaue hier besonders auf die Kollegen von der FDP –, dass Sie hinter diesen Grundsätzen des Sozialgesetzbuches nicht stehen.
Man muss die Diskussion nach der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sehen, in der über spätrömische Dekadenz schwadroniert wurde, in der andererseits der Finanzminister schon von vornherein erklärt hat,
dass es überhaupt keine Erhöhung der Regelsätze geben darf. Da erhält man nachhaltig den Eindruck, dass er in der folgenden Zeit nichts unternommen hat, um eine
Neuberechnung der Grundsätze der Regelsätze zu vollziehen. Es ist ein rein politischer Gestaltungsspielraum, der hier die Schrift trägt.