Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

Herr Kollege Tipi, schönen Dank. – Das war Ihre erste Rede. Ich darf Sie dazu im Namen des gesamten Hauses beglückwünschen.

(Beifall)

Das Wort erhält jetzt Herr Kollege Reuter für die SPDFraktion. – Herr Reuter, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Meine Fraktion freut es sehr, dass wir fraktionsübergreifend einen Konsens des Hauses über eine Partnerregion in der Türkei gesucht und gefunden haben. Denn ich glaube – auch hierin sind wir uns sicherlich einig –, dass es der Sache nur geschadet hätte, wenn die Suche nach einer Partnerregion in einem parteipolitischen Streit geendet hätte.

Herr Staatsminister Hahn,die Mitglieder meiner Fraktion unterstützen Sie auch darin,dass Sie,wie Sie in Ihrer Pressekonferenz ausgeführt haben, in der Kooperation mit Bursa eine Etappe auf dem Weg zur Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union sehen. Dass dieser Weg nicht einfach sein wird,haben uns nicht zuletzt die diversen Gespräche deutlich gemacht, die wir auf unserer Delegationsreise im Juli dieses Jahres geführt haben.

Herr Kollege, einen Moment bitte. – Ich darf noch einmal um die Aufmerksamkeit der Mitglieder des Plenums für den Redner bitten.

Offene Fragen sind aber dazu da,dass man Antworten auf sie findet.

Ich bin mir sicher – da bin ich bei meinem Kollegen Ismail Tipi –, dass wir mit der Auswahl der Region Bursa die richtige Entscheidung getroffen haben. Dieser Meinung bin ich nicht zuletzt deshalb, weil die Stadt Darmstadt bereits seit 40 Jahren eine Partnerschaft mit der Stadt Bursa pflegt und erfolgreich lebt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich das richtig sehe, ist Hessen das erste deutsche Flächenland, das eine Partnerschaft mit einer türkischen Region eingeht. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der SPD, der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie des Abg. Horst Klee (CDU))

Es wird natürlich von deutscher wie von türkischer Seite genau beobachtet werden, wie sich diese Partnerschaft entwickelt. Mit unserem gemeinsamen Antrag machen wir deutlich, dass das gesamte Haus diese Partnerschaft will. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Den ersten Schritt machen wir heute gemeinsam. Auch ist uns allen klar, dass das, was protokollarisch durch die Landesregie

rung oder den Bundespräsidenten besiegelt werden wird, mit Leben und Aktivitäten erfüllt werden muss. Es genügt nicht, dass Regierung und Parlament etwas beschließen – nein, solche Beschlüsse können nur Basis von Partnerschaften sein.

Ich begrüße es ausdrücklich, dass in unserem gemeinsamen Antrag auch darauf hingewiesen wird, dass unsere Partnerschaft als Beitrag zur Verständigung von Hessen und der Türkei sowie der besseren Integration der 180.000 Menschen mit türkischstämmigen Wurzeln, die in Hessen leben, verstanden werden soll.

(Allgemeiner Beifall)

Wenn unsere Partnerschaft zum Abbau von Vorurteilen, zur Akzeptanz einer anderen Kultur und anderen Lebensentwürfen,wie dies in unserer Begründung steht,beitragen würde, dann wäre dies ein großer Erfolg. Aber es funktioniert nur, wenn Menschen aus Hessen – aus Vereinen,Verbänden, Unternehmen, Hochschulen und Instituten oder einfach Privatpersonen – mit Menschen in Bursa zusammenkommen.

So hoffen wir, dass möglichst viele Menschen aus Hessen und Bursa diese Chance des Kontaktes nutzen werden. Wenn viele so in Kontakt mit anderen treten – auch da stimme ich dem Kollegen Ismail Tipi zu –, wird es am Ende des Tages sicherlich auch eine direkte Fluglinie von Frankfurt nach Bursa und nicht nur von München aus geben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall)

Schönen Dank,Herr Kollege Reuter.– Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Mick das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Es ist schon vieles gesagt worden. Ich möchte noch auf ein paar andere Aspekte eingehen. Wir sind uns alle bewusst, dass die Gruppe der türkischstämmigen Migranten dadurch, dass sie die größte Gruppe der Migranten in Hessen darstellt, natürlich einen besonderen Status hat, auch in der aktuellen integrationspolitischen Debatte.

Selbst wenn sich die Integrationspolitik an alle Menschen in diesem Land richtet, ist doch klar, dass diese Gruppe türkischstämmiger Migranten immer besonders im Fokus steht, auch aufgrund ihrer großen Zahl, und dass deswegen Deutschland und die Türkei, auch Hessen und die Türkei, ein ganz spezielles Verhältnis zueinander haben.

Wir haben bereits Partnerregionen in Polen, in Frankreich, in Italien und in den USA. Deswegen ist es nur folgerichtig und ein logischer und guter Schritt, wenn wir jetzt auch mit einer Region in der Türkei eine solche Partnerschaft eingehen wollen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir arbeiten mit unseren anderen Partnerregionen sehr gut und sehr vertrauensvoll auf verschiedenen Feldern zusammen.Diese Zusammenarbeit wollen wir jetzt auch mit einer türkischen Region durchführen.Ich freue mich,dass wir heute anlässlich der bevorstehenden Unterzeichnung des Vertrages im Hessischen Landtag dieses würdigen

können.Ich möchte ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass wir das relativ schnell umgesetzt haben.

Wir haben das als eines der Ziele in unserem Koalitionsvertrag verankert. Die erste Delegationsreise war im November, die zweite dann im Juli. So, wie es aussieht, werden wir demnächst die Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde feiern können. Ich sage ganz selbstbewusst: Ich denke, das ist ein Zeichen, wie effizient und schnell wir von der schwarz-gelben Koalition in Hessen unseren Koalitionsvertrag abarbeiten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es ist vor allem deswegen ein positives Zeichen, weil man wissen muss, dass die Türkei, anders als Deutschland, nicht föderal organisiert ist. Das heißt, die einzelnen Regionen sind nicht so autonom wie unsere Bundesländer und können nicht frei über ihre Partnerschaften entscheiden. Für diese Partnerschaft war auch ein Engagement der Zentralregierung in Ankara notwendig.

Dass es so schnell ging, zeigt, dass auch von türkischer Seite ein großes Interesse an dieser Zusammenarbeit bestanden hat. Man kann besonders positiv hervorheben, dass von der höchsten Stelle der Zentralregierung in Ankara daran mitgearbeitet wurde. Ich finde, das verdient ein großes Lob.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist bereits darauf hingewiesen worden, Bursa ist eine sehr gute Wahl. Es gibt viele Anknüpfungspunkte, nicht nur im Wirtschaftsbereich, auch im kulturellen Bereich. Die Nähe der Stadt Istanbul ist hervorzuheben.Das ist auch sehr attraktiv für die Menschen in Hessen und nicht nur für die Unternehmen, die natürlich auch Geschäfte machen wollen, was für unsere hessische Wirtschaft sehr positiv ist. Die Menschen haben aber sicherlich ein großes Interesse daran, in diese attraktive Region zu fahren und den kulturellen Austausch zu pflegen. Der Austausch der Menschen untereinander ist eine zweite Säule, auf die wir bauen.

Um die Brücke zur integrationspolitischen Debatte zu schlagen, die wir in den vergangenen Wochen geführt haben: Unabhängig von Einzelfragen ist es für die Integration immer wichtig,dass wir Vorurteile,die auf beiden Seiten bestehen, abbauen. Der beste Weg, um diese Vorurteile abzubauen, ist nun einmal, wenn sich Menschen begegnen. Dazu wird diese regionale Partnerschaft mit der Türkei einen Beitrag leisten.

Deswegen bin ich sehr optimistisch, dass wir die Erfolgsgeschichte der hessischen Partnerregionen nun um eine weitere bereichern können und mit dem Abschluss des Vertrages eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Region Bursa in der Zukunft legen werden. – Danke sehr.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Schönen Dank, Herr Kollege Mick. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Öztürk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch ich möchte im Namen meiner Fraktion die vorgesehene regionale Partnerschaft mit der Türkei begrüßen.

Das ist eine gute Entscheidung, die die Landesregierung angekündigt hatte und die von vornherein von den Oppositionsparteien eine breite Unterstützung bekommen hat – sei es bei der Erstellung der Kriterien, die wir gemeinsam beschlossen haben, sei es auch bei der Entscheidungsfindung. Das ist ein guter Weg. Daher begrüßen wir das heute.

Meine Damen und Herren, allerdings möchte ich kurz erwähnen, dass von Bursa, die historische Stadt des damaligen Osmanischen Reiches, die Invasion in Richtung Westen stattgefunden hatte und man sich peu à peu in die westliche Region Europas herangearbeitet hat.Deswegen vermute ich, dass das auch ein wichtiges Signal für die Türkei auf dem Weg in die EU ist.

Es freut mich, dass das die Landesregierung und auch der Hessische Landtag heute hier begrüßen möchten. Ich sage: Bursa ist eine gute Entscheidung. Ich glaube, das wird keiner bereuen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Über den Abbau der Vorurteile haben wir gesprochen. Über den Austausch der zivilgesellschaftlichen Vereine haben wir auch gesprochen. Wir haben auf der Reise in Bursa festgestellt, dass die Wirtschaft schon sehr regen Austausch pflegt. Wir haben vor Ort auch festgestellt, wenn diese Partnerschaft mit Leben erfüllt werden soll, dass unbedingt Vereine – seien es Frauenvereine, Umweltvereine, Feuerwehren – und genau diese Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, diesen Austausch tragen müssen. Wenn wir das heute in unserem Landtag begrüßen, ist damit die Arbeit nicht erledigt, sondern fängt gerade erst an.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung wird immer noch in der Pflicht sein, als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen, wenn Vereine und kleinere Gruppen konkret diesen Austausch mit Leben erfüllen wollen. Das muss hier bewusst und klar sein. Nur den Vertrag zu unterzeichnen und sich zurückzuziehen, kann nicht der wahre Weg sein. Daran möchte ich heute erinnern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auch an eine Debatte erinnern, die uns auf der Delegationsreise, sei es in der ersten im November 2009, sei es in der zweiten Delegationsreise im September 2010, begleitet hat.Wenn wir den Austausch für beide Seiten ermöglichen wollen, d. h. für hessische Bürgerinnen und Bürger, die in die Region Bursa fahren, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger aus Bursa,die nach Hessen kommen wollen, dann müssen wir uns um die Visaverfahren kümmern.

Vor ungefähr einer Woche ist Innenminister de Maizière in der Türkei gewesen. Herr Hahn, Sie waren selber anwesend, als die Wirtschaftsverbände, die Frauenorganisation vor Ort vehement Klagen an uns herangetragen haben, dass die Visaverfahren viel zu lange dauern, dass die Visaverfahren viel zu kompliziert sind und dass die Menschen, wenn sie aus Bursa oder aus der Türkei nach Deutschland kommen wollen – sei es der Wirtschaftsverbindung willen, sei es der privaten Besuche willen – kaum funktionieren.

Auch hier ist die Landesregierung gefragt, um auf Berlin, auf Außenminister Guido Westerwelle – der ja ein Parteifreund von Herrn Hahn ist – ein bisschen Druck auszu

üben. Wir müssen da vereinfachte Verfahren finden. Wir dürfen die Generalkonsulate nicht mit dieser immensen Herausforderung allein lassen.Wenn wir wirklich wollen, dass diese Partnerschaft nach beiden Seiten funktioniert, muss es möglich sein, dass Bürgerinnen und Bürger aus Bursa nach Hessen kommen können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nur so können wir vorhandene Vorurteile abbauen und auf beiden Seiten ein Verständnis für die kulturelle Vielfalt und die religiös-ethnischen Differenzen stärken. Ich glaube, viele in diesem Landtag begrüßen dieses Ansinnen. Die Frage ist jetzt nur, ob wir darüber reden, oder ob die Landesregierung auch bereit ist, auf die Bundesebene einzuwirken.

Ich bin guter Dinge. Ich bin ein positiver Mensch. Ich glaube, wenn wir das Ganze mit wirklichem Leben erfüllen wollen, dann wird die Landesregierung auch auf Bundesebene Druck machen. Ansonsten freue ich mich auf die nächste Reise. Die Vorteile von Bursa hat Herr Tipi schon hervorgehoben.Fahren Sie hin,überzeugen Sie sich und nehmen Sie Ihren Nachbarn und Ihre Vereine mit. Es lohnt sich, es ist eine gute Entscheidung. – Herzlichen Dank.