Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

Deshalb gehört es auch zur Verantwortung der Landesregierung, Betriebe zu unterstützen, die nicht ausbilden können, weil sie zu klein sind oder aus anderen Gründen keine eigene Ausbildungsplätze anbieten können. Viele dieser Betriebe wollen ausbilden und können das nicht. Deswegen sind Ausbildungsverbünde natürlich eine sinnvolle Einrichtung. Sie bieten Ausbildung für junge Menschen und haben hohe Übernahmequoten. Deshalb werden sie aus dem Europäischen Sozialfonds gefördert – wenn die Landesseite die Kofinanzierung bereitstellt.

Was macht die Landesregierung? Sie lässt diese EU-Gelder lieber verfallen, statt diese Kofinanzierung zu sichern – obwohl die Ausbildungsverbünde eine wirklich wichtige Bereicherung auf dem hessischen Ausbildungsmarkt sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir erleben ein fortschreitendes Auseinanderdriften von Arm und Reich. Gerade in den Städten macht sich das in Form räumlicher Trennung bemerkbar.

Frau Kollegin, Sie werden ab jetzt Konflikte mit Ihrer eigenen Fraktion bekommen. Sie sind über der Zeit, die Sie selbst vereinbart haben.

Vielen Dank, Herr Präsident. Den Letzten beißen die Hunde. Das bin dann wieder ich. Ich darf nämlich auch unsere Anträge zum letzten Einzelplan begründen.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (CDU): Dann möchte ich aber nicht Hund sein! – Heiterkeit bei der CDU)

Diesen Zwischenruf habe ich leider nicht gehört, aber ich werde ihn dann nachlesen.

Sie können ihn nachlesen.

Deswegen kritisieren wir, dass das Programm „Soziale Stadt“ vom Bund heruntergefahren wurde. Wir wünschen uns, dass dieses Programm „Soziale Stadt“ aus Landesmitteln kompensiert wird. Wir reden hier nicht über exorbitante Summen, sondern über etwa 5 Millionen €. Wenn es um ein Himmelfahrtskommando wie den Flughafen Kassel-Calden geht, gelten bei Ihnen andere Maßstäbe. Dort sind die geschätzten Kosten des Ausbaus geradezu explodiert. Trotzdem stehen Sie weiter zu einem Flughafen, den keiner braucht, den die Flugverkehrsgesellschaften nicht anfliegen wollen, von dem niemand sagen kann, wie viele Arbeitsplätze er bringen wird, und der, kurz gesagt, ökologisch und ökonomisch völliger Unfug ist.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir reden hier von Kostensteigerungen von 120 Millionen €. Diese Gelder stellen Sie sorglos ein.

Ebenso verfahren Sie mit Beberbeck, diesem verworrenen Traumprojekt, für das sich bis heute keine Investoren, keine Interessenten und kein Konzept gefunden haben.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Abwarten!)

Herr Arnold, abwarten wäre okay, wenn es nicht eine ganze Menge Geld kosten würde.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Herr Arnold, haben Sie dafür Geld in die Hand genommen?)

Es ist wirklich beeindruckend, wie Sie an solchen Projekten festhalten, die den Steuerzahler Millionen € kosten, während anderswo gekürzt wird.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss, mit Rücksicht auf mich selbst und meine verbleibende Redezeit.

(Leif Blum (FDP): Und auf uns!)

Nein, nicht mit Rücksicht auf Sie. Ich komme ja wieder.

(Heiterkeit)

Nach dieser tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise gilt der kluge Satz von Albert Einstein: „Probleme lassen sich nicht mit den Denkweisen lösen, die zu ihnen geführt haben.“

Leider hat die Landesregierung keinerlei grundsätzliche Lehren aus der Krise gezogen und weder ihr Denken noch ihr Handeln geändert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Herr Posch. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Feststellung treffen, die heute Morgen in der Generaldebatte schon eine Rolle gespielt hat, aber doch noch einmal in Erinnerung gerufen werden sollte.

Hessen – ich glaube, das können wir sagen – hat die schwerste Rezession der Nachkriegszeit mit einem Verlust des Bruttoinlandsprodukts abgeschlossen, der unter der Verlustrate der Bundesrepublik Deutschland lag. Das ist darauf zurückzuführen, dass wir eine Wirtschaft haben, die geeignet ist, auch in solch schwierigen Situationen gute Ergebnisse zu erzielen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich glaube, das sollten wir nicht vergessen. Denn das war in der Tat die schwierigste Situation, in der wir uns befunden haben.

Frau Kollegin Waschke, Sie haben eben gesagt, dieses Wachstum sei nicht nachhaltig.

(Sabine Waschke (SPD): Das habe ich nicht gesagt!)

Meine Damen und Herren, wenn wir davon ausgehen, dass nach den Prognosen ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,7 % in diesem Jahr erwartet wird, im nächsten Jahr von 2,2 %, dann ist das darauf zurückzuführen, dass solche Wachstumsraten, wie wir sie in der Vergangenheit hatten, ohnehin nicht mehr als Standard der wirtschaftspolitischen Entwicklung im Nachkriegsdeutschland der Jahre 2010, 2011 und folgende Gültigkeit haben. In Zukunft reden wir nicht mehr von quantitativem Wachstum, sondern von qualitativem Wachstum. Ein qualitatives Wachstum von 3,3 % ist ausschließlich auf die innovationsfreundliche Wirtschaft in Hessen zurückzuführen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deswegen glaube ich, wir müssen uns mit einem auseinandersetzen. Frau Waschke, die Zyklen in der Wirtschaft werden zukünftig kürzer sein, und sie werden dadurch gekennzeichnet sein, dass sich Wachstumsraten zumal dann im positiven Bereich abspielen werden, wenn wir Forschung und Entwicklung, also die Kooperation zwischen Hochschulen und insbesondere mittelständischen Unternehmen, fördern. Sehr verehrte Frau Waschke, das tun wir auch. In keinem Bundesland gibt es eine solche Clusterbildung wie im Bundesland Hessen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, Clusterbildung aber bedeutet, dass wir schauen, welche Stärken wir an welchem Standort haben, und diese Clusterbildung dann unterstützen. Es geht nicht um den umgekehrten Weg, dass wir als Politik entscheiden, wo die Schwerpunkte liegen, sondern das kommt aus der Wirtschaft selbst heraus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Wenn wir heute mit Stolz auf das Cluster Informationstechnologie im Frankfurter Raum, im Rhein-Main-Gebiet, hinweisen können, dann ist das das Ergebnis von Innovationsfreundlichkeit und der Innovation der Wirtschaft in diesem Raum schlechthin.

Meine Damen und Herren, wir erwarten im Jahr 2011 ein Wachstum von 2,2 %, obwohl wir in Hessen eine Wirt

schaftsstruktur haben, die zu fast zwei Dritteln aus dem Dienstleistungsbereich besteht. 25 % schaffen das Wachstum, das überhaupt nur aufgrund der industriellen Struktur möglich ist. Wir haben in Hessen eigentlich ein sehr unausgewogenes Verhältnis zwischen gewerblich-industriellen Strukturen einerseits und dem Dienstleistungsbereich andererseits im Rhein-Main-Gebiet. Obwohl wir eben nur 25 % in diesem Bereich haben, erreichen wir solche Wachstumsraten. Das ist ein ganz bemerkenswerter Fakt, auf den wir hinweisen sollten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage Ihnen noch etwas: Wir werden dafür sorgen und darauf dringen, dass der Bereich der industriellen Produktion, der gewerblichen Produktion und des Handwerks weiter gestärkt wird. Deswegen besteht bei uns ein Zusammenhang zwischen der industriellen Produktion einerseits und der Verkehrsinfrastruktur andererseits.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Das sind die Wirtschaftsbereiche, die die Infrastruktur benötigen. Wenn wir in Hessen das größte Drehkreuz auf der Straße, auf der Schiene und in der Luft haben, dann deswegen, weil wir in besonderer Weise diesen Bereich unterstützen wollen. Wenn sich diese Landesregierung im Übrigen durchgängig die Frage stellt, wie wir gerade vor dem Hintergrund der Diskussion um Stuttgart 21 Genehmigungsverfahren beschleunigen können, dann deswegen, weil wir uns Sorgen darüber machen, dass diese Infrastruktur nicht schnell genug zur Verfügung gestellt werden kann, um Wirtschaftsaufschwung sicherzustellen. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Dingen, für die mein Haus Verantwortung trägt: einerseits Mobilität zu sichern, um damit andererseits Wirtschaftsstrukturen zu erhalten und zu fördern, die gerade in der Krise bewiesen haben, dass sie die Motoren für den Aufschwung sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist – damit will ich die Finanzdienstleistungen nicht geringschätzen – der Maschinenbau, es ist die Elektrotechnik, es ist die Umwelttechnik, ja, es sind auch die alternativen Technologien, und es ist die Informationstechnologie, die es uns in Hessen ermöglicht haben, eine positive Wende herbeizuführen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ob und in welchem Umfang sie nachhaltig sein wird, das wird die Zukunft zeigen – aus dem ganz einfachen Grund, dass die Wettbewerber in dieser Welt nicht schlafen. Wenn mittlerweile in vier Schwellenländern, in Russland, in Brasilien, in Indien und in China, die Hälfte des Weltwirtschaftswachstums generiert wird, dann zeigt das, welchen Herausforderungen sich die hessische Wirtschaft gegen über sieht.

Ich war gerade mit Kollegen aus dem Landtag und einer 52-köpfigen Delegation in Brasilien. Wir waren übereinstimmend erstaunt, mit welchem Selbstbewusstsein ein solches Land heute eine geopolitische Funktion wahrnimmt, die vieles über G 20 hinaus oder in die G 20 hinein – je nachdem, wie man schaut – in Zukunft gestalten wird. Deswegen sage ich: Unsere Wirtschaftspolitik muss auch diese globalen Entwicklungen mit im Kopf haben. Ich glaube, dieser Haushalt ist aus landespolitischer Sicht ein kleiner Beitrag dazu, wenn es darum geht, Infrastruktur in den unterschiedlichsten Bereichen sicherzustellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wir haben aber in dieser Krise auch etwas getan, was fiskalisch dazu führt, dass wir jetzt so intensiv über die Schuldenbremse diskutieren müssen. Wir haben ein Sonderinvestitionsprogramm mit 1,7 Milliarden € aufgelegt. Ich weiß auch, dass der Anteil am Bruttoinlandsprodukt durch dieses Sonderinvestitionsprogramm möglicherweise lediglich bei 0,2 oder 0,3 % liegt. Aber die psychologische Wirkung eines solchen Sonderinvestitionsprogramms darf nicht unterschätzt werden, weil wir auf diese Art und Weise mit dazu beigetragen haben, dass Arbeitsplätze gesichert worden sind.