Meine Damen und Herren, ich will unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wir haben aber in dieser Krise auch etwas getan, was fiskalisch dazu führt, dass wir jetzt so intensiv über die Schuldenbremse diskutieren müssen. Wir haben ein Sonderinvestitionsprogramm mit 1,7 Milliarden € aufgelegt. Ich weiß auch, dass der Anteil am Bruttoinlandsprodukt durch dieses Sonderinvestitionsprogramm möglicherweise lediglich bei 0,2 oder 0,3 % liegt. Aber die psychologische Wirkung eines solchen Sonderinvestitionsprogramms darf nicht unterschätzt werden, weil wir auf diese Art und Weise mit dazu beigetragen haben, dass Arbeitsplätze gesichert worden sind.
Die Ausweitung des Bürgschaftsprogramms und die Änderung des Vergaberechts haben mit dazu beigetragen, dass wir in einer solch schwierigen Situation relativ glimpflich davongekommen sind.
Insofern glaube ich, dass ich es richtig interpretieren kann: Eine komplette Ablehnung dieses Einzelplans 07 habe ich zumindest bei vier Fraktionen nicht zur Kenntnis genommen. So hat Frau Kollegin Waschke mit keinem Wort festgestellt, dass sie das, was wir im Bereich der Infrastruktur tun, aus Sicht der Sozialdemokraten infrage stellt. Wie könnte sie auch?
Deshalb will ich noch einmal auf diese Zahlen zurückkommen, die die Arbeitsmarktsituation in Nordhessen und in Osthessen beschreiben. In den Arbeitsamtsbezirken Arolsen und Fulda haben wir die besten Werte in Hessen. Das heißt, in den Regionen, in denen Strukturpolitik mittelfristig diese Erfolge herbeigeführt hat, haben wir heute eine Arbeitsmarktsituation, die zum Teil besser ist als in den Ballungsräumen.
Meine Damen und Herren, es gerät ein klein wenig in Vergessenheit, weil in diesem Bereich nicht mit Haushaltszahlen diskutiert und argumentiert wird. Aber ein wesentlicher Aspekt der Aufgabenwahrnehmung des Wirtschaftsministeriums war gerade in den letzten Wochen und Monaten, dass wir uns in die Diskussion um den Finanzplatz Deutschland eingebracht haben. Denn der Finanzplatz Deutschland ist in Wahrheit der Finanzplatz Frankfurt. Wenn ich mich in Berlin dagegen wehre, dass auf europäischer Ebene Regelungen eingeführt werden, die den Finanzplatz Frankfurt nachhaltig schädigen, dann ist das auch im Interesse der hessischen Wirtschaft.
Es kann nicht sein, dass auf nationaler Ebene, auf europäischer Ebene oder mittlerweile auf internationaler Ebene, beispielsweise im Bereich der G 20, Regelungen getroffen werden, die zwar einerseits notwendig sind, um solche Dinge zu vermeiden, wie wir sie bei der Wirtschafts- und Finanzkrise hatten, bei deren Abfassung aber gleichzeitig die Wettbewerbsneutralität nicht gewährleistet ist.
Ich habe eben von der gewerblichen und industriellen Produktion gesprochen. Aber unser Finanzplatz verdient es genauso, politisch gepflegt zu werden, weil natürlich dieses Finanzdienstleistungszentrum von unglaublicher Bedeutung ist.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir aus diesem Anlass, darauf hinzuweisen: Wenn die Deutsche Börse dabei ist, Abmachungen mit anderen Ländern herbeizuführen, um Sicherheit im Finanztransfer sicherzustellen – so etwas haben wir vor wenigen Tagen erlebt –, dann ist das auch eine Stärke dieses Finanzplatzes und des Bundeslandes Hessen. Ich glaube, darauf können wir stolz sein.
Ich orientiere mich jetzt an der Orientierungszeit – mit drei Sätzen. Ich möchte noch einen Dank an das Handwerk abstatten, das immer wieder maßgeblich dazu beiträgt, die Ausbildungssituation bei uns in Hessen auf einem hohen Stand zu halten. Wir geben unsererseits nicht nur unser Wort, sondern wir legen den Hessen-Kapitalfonds auf. Ich darf mich in diesem Zusammenhang recht herzlich bei den Fraktionen bedanken, die das initiiert haben, auch für die Unterstützung beim Breitbandausbau und Ähnlichem mehr.
Einen herzlichen Dank darf ich insbesondere an die Kollegen der Koalitionsfraktionen richten. Ich darf aber auch meinen Dank – das meine ich so, wie ich es sage – für den sehr konstruktiven Dialog im Wirtschaftsausschuss unter dem Vorsitz von Clemens Reif aussprechen. Ich glaube, auch wir lernen manchmal von diesem Dialog, und das trägt dazu bei, dass ich sagen würde: Vier Fünftel sind mit dem Einzelplan 07 nicht ganz unzufrieden. – Vielen herzlichen Dank.
Zur Orientierung an die Fraktionen ein bisschen Zahlenmaterial. Orientierungszeiten nennen wir das jetzt.
Die FDP hat 9,5 Minuten überzogen, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eigentlich nichts. Es sind 30 Sekunden, damit kann man gut leben, dafür kann man noch nicht einmal Kaffee trinken, das ist zu wenig Zeit. Die LINKEN haben 3,5 Minuten überzogen. Aber wir wissen, Frau Wissler holt das nachher wieder auf.
Das hat sie selbst gesagt, Herr Kollege. Ich befinde mich in völligem Einklang mit den LINKEN. Das passiert nicht immer, aber immerhin heute.
Ich stelle fest, dass die Regierung noch 15,5 Minuten hat. Ich wünsche gute Verrichtung. – Die Diskussion zu Einzelplan 15 wird lang. Ihnen wächst die Zeit wieder zu, die Sie gerade verbraucht haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Beratungen für den Justizhaushalt 2011 stehen leider unter einem ungünstigen Stern. Obwohl im Koalitionsvertrag von CDU und FDP noch klar formuliert wurde, die neue Landesregierung stehe für eine „bürgernahe Justiz“, passiert nun das genaue Gegenteil. Der Justizminister baut bürgernahe Justizstrukturen massiv ab. Wir erinnern uns an das Jahr 2003, als in einem ersten Schritt Justizstandorte, Behörden und Gerichte abgebaut worden sind.
Nun der zweite Akt: Durch Gerichtsschließungen sollen angeblich 23,6 Millionen € eingespart werden. Wie genau diese Einsparung erfolgen soll, ist völlig offen. Das zeigt nicht zuletzt der Blick in die Vergangenheit, in das Jahr 2003. Bis zum heutigen Datum haben wir keine validen Zahlen darüber, was diese Gerichtsschließungen eigentlich für den Landeshaushalt gebracht haben; im Gegenteil: In einem ersten Schritt hat sich die Justiz aus der Fläche zurückgezogen.
Was in der Tat passieren wird, ist, dass leer stehende Gerichtsgebäude am Markt nicht veräußerbar sein werden. Das klassische Beispiel ist das Amtsgericht in Butzbach, das für 1 € verschenkt weitergegeben worden ist. Leer stehende Immobilien werden dann nicht mehr im Justizressort, sondern im Finanzressort geführt. Es findet also ein Verschiebebahnhof statt. Meine Damen und Herren, seriöse Haushaltspolitik sieht anders aus.
Gerade in Flächenlandkreisen wie dem Main-KinzigKreis oder dem Kreis Hersfeld-Rotenburg muss der rechtsuchende Bürger neben den Bediensteten der Gerichte längere Wege auf sich nehmen. Das rechtsuchende Publikum wird in seinem Justizgewährungsanspruch, der in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz verbürgt ist, beeinträchtigt.
Angeblich sollen laut Justizminister keine Stellen abgebaut werden, wenn es zu den Gerichtsschließungen kommt. Ein Blick hinter diese Aussage zeigt aber, dass das nicht so sein wird. Allein der Haushaltsplanentwurf 2011, den Sie auf den Tisch gelegt haben, sieht einen Abbau von 84,5 Stellen vor. Wir wissen, dass der personelle Aderlass der Justiz noch gar nicht so lange zurückliegt: „Operation sichere Zukunft“ Teil 1. Damals wurden über 800 Stellen in der Justiz abgebaut. Jetzt kommen weitere. Meine Damen und Herren, wie sieht denn die Realität aus? Durch die Nichtwiederbesetzung von frei werdenden Stellen kommt es natürlich zu einem Stellenabbau. Fluktuation nennt man das; ich finde, das ist ein zynisches Wort.
Aber auch Teilzeitkräfte, das sind vor allem Frauen, die längere Wege auf sich nehmen müssen, können es weder finanziell noch von ihrer persönlichen Familiensituation aus darstellen, zu dem weiter entfernt gelegenen Gericht, an dem sie arbeiten sollen, zu fahren. Viele Teilzeitkräfte werden sich einen anderen Job suchen müssen. Das ist im ländlichen Raum, gerade in Nordhessen, schwierig. Inso
fern wird es faktisch viele Personen geben, die diese Stellen gar nicht mehr in Anspruch nehmen können.
Es ist schon zynisch, wenn der Justizminister landauf, landab die Leistungsfähigkeit der Justiz lobt, auf die tollen Erledigungszahlen hinweist, aber die Motivation der Mitarbeiter durch die Gerichtsschließungen, die neue Verwaltungssteuerung, die Mehrbelastung durch SAP R/3 mehr als auf die Geduldsprobe stellt.
Herr Justizminister, der in Art. 20 Abs. 1 verfassungsrechtlich garantierte Rechtsstaat ist ein hohes Gut, der unsere Demokratie sichert und zu Recht ein hohes Ansehen in unserer Bevölkerung genießt. Das verdanken wir hauptsächlich engagierten Mitarbeitern bei den Gerichten, bei den Behörden, den Richterinnen und Richtern, den Staatsanwälten, den Rechtspflegern, den Urkundsbeamten und den Serviceangestellten. Meine Damen und Herren, gefährden Sie dieses hohe Gut nicht durch eine intransparente und kompromisslose Politik. Da würde sehr viel auf dem Spiel stehen.
Lassen Sie mich auf den Justizvollzug zu sprechen kommen. Vor Kurzem wurde mit den Stimmen der Mehrheitsfraktionen in diesem Haus das Erwachsenenstrafvollzugsgesetz verabschiedet. Wir alle wissen, vor allem die Fachpolitiker wissen, wenn man einen Behandlungsvollzug implementieren will, braucht man ausreichend Personal, nicht nur bei den Fachdiensten, sondern, wie wir finden, insbesondere bei dem allgemeinen Vollzugsdienst. Der allgemeine Vollzugsdienst arbeitet tagtäglich mit den Gefangenen zusammen. Hierzu haben wir einen Änderungsantrag vorbereitet, in dem wir uns angesichts der angespannten Haushaltslage mit zusätzlichen 30 Stellen begnügt haben. Wir finden, dass das erforderlich ist.
Viele Überstunden, Rasterdienstpläne, die schlecht umzusetzende 42-Stunden-Woche in den Rasterdienstplan, der hohe Krankenstand, der Druck von oben, wenige Beförderungsmöglichkeiten sowie die fehlende Mitbestimmung kennzeichnen den allgemeinen Vollzugsdienst. Wir wissen, dass die Personalsituation im allgemeinen Vollzugsdienst mehr als angespannt ist. Eine personelle Verstärkung in diesem Bereich ist richtig investiertes Geld in einen Behandlungsvollzug mit dem Ziel der Resozialisierung. Aus diesem Grund haben wir diesen Änderungsantrag eingebracht.
Letzter Punkt. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat der Bundesrepublik Deutschland ins Stammbuch geschrieben, dass die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist und die Sicherungsverwahrung neue menschenrechtskonforme Standards erfül
len muss. Hier sind insbesondere die Länder gefordert. Herr Justizminister, es ist enttäuschend, wenn ich von Ihren Kollegen höre, dass insbesondere die Südländer – wer ist wohl damit gemeint? – Hessen, Baden-Württemberg und Bayern nicht gerade zu den Förderern und Beratern gehören. Sie sperren sich und wehren sich dagegen, dass es sich hier um eine verantwortungsvolle Aufgabe handelt. Ich finde es positiv, wenn der Justizminister sagt, wir setzen uns mit den anderen Ländern zusammen.