Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Haushalt des Justizministeriums gehört sicherlich zu den kleineren der Fachministerien. Er weist aber eine Besonderheit auf, die wohl in keinem anderen Teilhaushalt erreicht wird: Die Ausgaben sind zu mehr als 40 % – ich glaube, es sind so ziemlich genau 42 % – für den gesamten Justizbereich durch Einnahmen von anderer Seite gedeckt. Bei den ordentlichen Gerichten beträgt die Quote der Refinanzierung sogar 54 %. Ich glaube, das ist ein relativ einmaliger Wert im Haushalt. Dennoch muss auch der Justizhaushalt seinen Beitrag leisten, wenn wir 2020 die Schuldenbremse durch die Vermeidung von Kreditaufnahmen tatsächlich erreichen wollen.
Die Antwort des Justizministers auf diese Herausforderung – Frau Hofmann hat es schon gesagt – ist: der Rückzug der Justiz aus der Fläche durch Schließung kleiner Amts- und Arbeitsgerichte. Die von Ihnen vorgesehenen Gerichtsschließungen sollen erst zum 01.01.2012 umgesetzt werden und finden deswegen im jetzigen Haushalt noch nicht ihren Niederschlag. Allerdings wird ein Teil auch schon in diesem, oder besser gesagt, im nächsten Jahr haushaltswirksam, weil Sie nämlich eine Dreiviertelmillion € für Baumaßnahmen in den aufnehmenden Gerichten ausgeben wollen. Zunächst einmal wird das, was Sie planen, teurer. Das steht schon fest.
Ob es preiswerter wird, werden wir sehen. Hierzu gibt es eine Reihe von Anfragen und Berichtsanträgen, die noch auf ihre Beantwortung warten. Frau Hofmann hat schon das Beispiel des Amtsgerichts in Butzbach erwähnt. Da war einmal geplant, dass man 500.000 € beim Verkauf des Amtsgerichtsgebäudes erlöst. Nun ist es 1 € geworden – ein wahrhaft grandioser Beitrag zur Haushaltssanierung.
Meine Damen und Herren, eine ganze Reihe von Mitgliedern dieses Hohen Hauses war in den letzten Wochen und Monaten zu verschiedenen Veranstaltungen im Justizbereich unterwegs. Die Pläne des Justizministers wurden dort diskutiert – vom Deutschen Richterbund über die Justizgewerkschaft bis hin zum Bund der Strafvollzugsbediensteten. Der Tenor war überall gleich, nämlich erhebliche Skepsis, was die Pläne des Justizministers anbelangt. Auf der anderen Seite besteht durchaus Bereitschaft, Einsparbeiträge zu leisten. Ganz weit vorn stand da immer der Vorschlag, die ineffektive Datensammelwut in Sachen SAP endlich zu beenden. Da werden Datenfriedhöfe angelegt, die niemanden interessieren, die im Justizbereich auch nicht zum Steuern genutzt werden können; denn eine notwendige Zeugenvernehmung oder die Einholung
eines Sachverständigengutachtens kann ja nicht aus Kostengründen unterbleiben. Dabei kämen Willkürentscheidungen heraus, die in einem Rechtsstaat nicht hingenommen werden können.
Herr Müller, Sie haben gefragt, wie wir auf den Betrag von 2,8 Millionen € gekommen sind. Wir haben einfach den Anteil, der in Sachen SAP, in Sachen HCC oder für Dienstleistungen ausgegeben wird, und einen kleinen Personalanteil – von im Ergebnis 1 %, im ersten Jahr 0,2 % – herausgerechnet. Das ergibt in der Summe, Pi mal Daumen, die genannten 2,8 Millionen €, die wir dort aufgenommen haben.
Es gibt aber eine ganze Reihe anderer praktischer Beispiele, die immer wieder genannt werden, wo auch im Justizhaushalt noch Einsparmaßnahmen durchgeführt werden könnten. Ein Beispiel: Ich kenne eine Reihe älterer Richterkolleginnen und -kollegen, die gern über das 65. Lebensjahr hinaus freiwillig weitergearbeitet hätten. Das geht bei Beamten. Es ist bei den Richterinnen und Richtern nicht vorgesehen. Warum, weiß kein Mensch. Man könnte sicherlich eine Regelung finden, die dem Grundsatz des gesetzlichen Richters auch hier Rechnung tragen würde. Wir würden dann in nennenswertem Umfang Personalkosten einsparen können.
Es gibt eine ganze Reihe anderer Vorschläge. Beim Verwaltungsgerichtshof ist meines Erachtens ein Senat verzichtbar, denn die Eingänge sind rückläufig. Wir könnten die gegenwärtig unbesetzten Stellen für Vorsitzende am Verwaltungsgerichtshof dazu nutzen, einen Senat einzusparen.
Wir haben bei den Gerichten immer noch Ausgaben in Höhe von 1,7 Millionen € für Fachliteratur und Fachzeitschriften. Gleichzeitig werden aber die meisten Bediensteten online mit verschiedenen Materialien bedient. Wenn wir diese Doppelversorgung reduzieren würden, könnten wir ebenfalls erhebliche Beträge einsparen.
Wir könnten Aufgaben von den Rechtspflegern auf die Serviceeinheiten verlagern. Wir könnten darüber nachdenken, ob Hessen tatsächlich 18 Registergerichte braucht, während Baden-Württemberg mit sieben Registergerichten auskommt und Thüringen sogar mit einem Gericht. Durch eine Konzentration in diesem Bereich könnten wir durchaus eine Spezialisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreichen.
Die Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der elektronischen Fußfessel, z. B. für Hausarrest bei der Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen, könnte Haftkosten sparen.
Herr Müller, schließlich nenne ich natürlich den Vorschlag, die seit vielen Jahren unveränderten Gerichtsgebühren um – nur – 5 % zu erhöhen. Das können wir nicht allein beschließen, Herr Honka. Wenn Sie unser Konzept intensiv gelesen haben, werden Sie feststellen, dass dieser Vorschlag dort steht. Das wäre eine Maßnahme, die dem Landeshaushalt in der Tat 16 Millionen € bringen wür de – und zwar nicht zulasten der rechtsuchenden Bürger, sondern in aller Regel zulasten der Rechtsschutzversicherungen. Das wäre also eine durchaus sinnvolle Maßnahme.
All das sind im Übrigen Maßnahmen, die die Qualität der Dienstleistungen nicht gefährden würden, die den Zugang zur Justiz nicht erschweren würden und die ohne einen Rückzug aus der Fläche wirksam werden könnten. Dem Justizminister fällt hingegen nur ein, Gerichte zu schließen. Das ist aus unserer Sicht wenig kreativ.
Allerdings ist der Justizminister im Umgang mit Personalvorgaben sehr kreativ. Wir haben es in der kursorischen Lesung erlebt. Die Stellenpläne im Bereich der Justiz sollten um 60 Stellen reduziert werden. Davon entfielen zwei Stellen auf das Ministerium. Was macht der Justizminister? Er streicht in der Tat zwei Stellen im einfachen Dienst aus dem Stellenplan. Der Stellenplan ist damit um zwei Stellen reduziert. So weit, so gut. Zugleich wandelt er aber eine Referendarstelle, die die meiste Zeit des Jahres unbesetzt war, also überhaupt keine Kosten verursacht hat, in eine A-16-Stelle um. Das heißt, im Ergebnis zwar zwei Stellen im Stellenplan weniger, aber ein Mehr an Ausgaben. Das ist weder ausgewogen noch ein Erfolg versprechender Weg zur Schuldenbremse. Meine Damen und Herren, wenn diejenigen, die am lautesten nach einer Schuldenbremse rufen, sie zugleich am kreativsten umgehen, wenn die Worte von den Taten Lügen gestraft werden, dann ist das aus unserer Sicht kein Erfolg versprechender Weg zur Schuldenbremse.
Die Justiz in Hessen ist leistungsfähig. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hoch motiviert. Sie hätten einen Justizminister verdient, der diesen hohen Anforderungen ebenfalls gerecht wird.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Haben sie!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch in der Justiz gilt offensichtlich das Muster: Verschlechterung der öffentlichen Leistungen einerseits und ständige Zunahme der Belastungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst andererseits. Davon können Sie mit Ihren Ausführungen über die Partnerregion Bursa – wir haben sehr begrüßt, dass wir diese Partnerschaft gemeinsam beschlossen haben –, nicht ablenken.
Den Zustand – Verschlechterung öffentlicher Leistungen, Zunahme der Belastungen der Beschäftigten – begründen Sie, wie immer, mit der Aussage, die Kassen seien leer. Für ein FDP-geführtes Ministerium muss man hier noch einmal klarstellen: Wenn es um Steuergeschenke an Vermögende und Unternehmen geht, sind die Kassen nie leer, aber wenn es um öffentliche Dienstleistungen oder um öffentliche Beschäftigte geht, dann – und nur dann – sind die Kassen auf einmal leer.
Sorgen Sie doch dafür, dass die öffentlichen Kassen gefüllt werden, damit wir wieder ein handlungsfähiges Hessen werden können, ein Bundesland in einem sozialen Rechtsstaat, wie es das Grundgesetz vorschreibt. Sorgen Sie dafür, dass es eine Millionärsteuer gibt. Sorgen Sie für eine veränderte Unternehmensbesteuerung. Ich weiß, das wird schwierig, weil auch SPD und GRÜNE immer nur in der Opposition gegen Steuergeschenke und Steuererleichterungen für Vermögende und Unternehmen sind. Deswegen brechen die von der rot-grünen und schwarzgelben Politik in die Armut getriebenen ALG-II-Empfän
gerinnen und -Empfänger auch nicht in Jubelstürme aus bei der Aussicht, wieder von Rot-Grün regiert zu werden.
(Sarah Sorge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber von euch! – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU)
Wir wollen nicht in einem Land leben, in dem Justiz und Justizvollzug nur funktionieren, weil die Kolleginnen und Kollegen Unmassen von Überstunden machen. An den Sozialgerichten ist nicht nur der richterliche Dienst infolge der Hartz-IV-Gesetzgebung überlastet, auch die Kolleginnen und Kollegen des Justizverwaltungsdienstes kämpfen mit einer hohen Arbeitsbelastung.
Wir wollen nicht in einem Land leben, in dem die Kolleginnen und Kollegen in den Verwaltungen zwar mehr oder weniger – meist mehr – sinnlose Kenndaten erfassen, aber ohne Aufstiegschancen dastehen.
Wir wollen nicht in einem Land leben, in dem Gerichtsstandorte geschlossen werden und dadurch für die Bevölkerung der Zugang zur Justiz erschwert wird, sowohl die Beschäftigten als auch die Bürgerinnen und Bürger weitere Wege in Kauf nehmen müssen.
Wir wollen nicht in einem Land leben, in dem der Strafvollzug privaten Dienstleistern übertragen wird, deren Handeln ausschließlich an betriebswirtschaftlicher Gewinnmaximierung ausgerichtet ist.
Wir wollen nicht in einem Land leben, in dem eine Gefangenenverpflegung nur möglich ist, weil im Großhandel Waren eingekauft werden, die wegen der Nähe zum Verfallsdatum nicht mehr in den Handel gegeben werden können.
Doch das ist nicht das Land, in dem wir leben wollen. Das geht anders, und zwar mit einer anderen Steuer- und Finanzpolitik.
(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU): Dann wandern Sie doch aus! – Horst Klee (CDU): Grimms Märchenstunde! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)
Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich ausdrücklich bei meinen Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag dafür bedanken, dass sie den Ablauf der Haushaltsberatungen geändert haben. Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass ich für die Landesregierung die Chance hatte, beim 30-jährigen Geburtstag des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt als Gastgeber zu fungieren. Ich darf Ihnen sagen, dass dies für unser Bundesland, auch im Zusammenhang mit den Themen, die in meinem Ressort anfallen, von besonderer Bedeutung war, und zwar sowohl für das Thema Integration als auch für das Thema Europa.
Daher will ich damit anfangen. Der polnische Präsident hat vorhin wieder sehr positiv erwähnt, dass wir Hessen nicht nur eine eigene Landesvertretung in Europa haben, sondern dass dies zugleich auch ein Mehrregionenhaus ist und dass die polnische Region Wielkopolska dort seit zehn Jahren mit uns zusammenarbeitet.
Der Oberbürgermeister der Stadt Darmstadt hat als sehr positiv hervorgehoben, dass nun eine Partnerschaft zwischen der Region Hessen und der Region Bursa geschlossen worden ist und dass daher jetzt auch unsere türkischen Kolleginnen und Kollegen in unser Mehrregionenhaus in Europa einziehen werden.
Ich will Ihnen damit deutlich machen, dass die Europapolitik, wie sie von der Landesregierung, insbesondere durch einen Kabinettsbeschluss vom August 2008, begonnen wurde, nunmehr von Staatssekretärin Beer und mir intensiv umgesetzt worden ist. Wir haben in diesem Jahr vieles gemacht. Wir wollen, dass Hessen in Europa präsent ist. Wir möchten es hören, wenn dort eine politische Idee auf den Tisch kommt, und wollen wissen, ob sie für Hessen gut ist oder nicht und was wir damit machen können.
Wir wollen darüber hinaus so viele europäische Gelder wie möglich in unser Hessenland holen. Das gilt nicht nur für diese Jahre, sondern auch in Vorbereitung auf die Jahre nach 2013. Ich weiß, dass einige von Ihnen in den letzten Wochen die Chance genutzt haben, in Europa mit den zuständigen Kommissaren und Parlamentariern zu sprechen.
Es wird schwer werden, durchzusetzen, dass wir ab dem Jahr 2014 noch Regionalfonds haben, sodass z. B. die Umweltministerin, der Wirtschaftsminister oder der Sozialminister noch mit europäischen Mitteln hessische Politik machen können. Dafür müssen wir kämpfen. Wir sind in Brüssel mittlerweile so gut organisiert, dass wir hoffentlich Erfolg damit haben werden.
Bei dem Thema Integration möchte ich darauf hinweisen, dass das, was wir machen, von den anderen Bundesländern offensichtlich als so positiv angesehen wird, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Abteilung – so will ich es einmal ausdrücken – fast wöchentlich zu Kongressen in anderen Bundesländern eingeladen werden, wobei insbesondere das Thema „Modellregionen Integration“ überall gefragt ist. Das ist eine völlig neue Idee, die es bisher nirgendwo gegeben hat und bei der man versucht, die Programme, aber auch die Bedürfnisse der Kommunen, der Kreise, des Landes, des Bundes und von Stiftungen im Zusammenhang mit dem Thema Migration zusammenzuführen.
Nicht jedes Programm, das wir in den letzten Jahren zu dem Thema Migration aufgelegt haben, war gut. Jedes Programm war zwar gut gemeint; aber nicht jedes war gut. Wir wollen darauf achten, dass wir letztlich nur noch die Programme durchführen, die auch wirklich gut sind; denn es geht hier um die Verwendung von Steuergeldern.
Ich glaube, dass durch die sehr bewusste Integrationspolitik, die wir, diese Landesregierung, seit dem Februar vergangenen Jahres prominent dargestellt haben, allen Beteiligten klar ist, es gibt einen Konsens in diesem Land. Wir reden nicht darüber, ob es in einer Demokratie verschiedene Lebensformen gibt oder auch nicht. Es gibt das Grundgesetz. Die Grundlage für das Zusammenleben in unserem Lande ist Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes: „Die
Würde des Menschen ist unantastbar.“ Darüber und über alle Folgen, die damit verbunden sind – Diskriminierungsverbot, Gleichberechtigung, Verhältnis von Mann und Frau, Religionsfreiheit –, lassen wir, die Hessische Landesregierung, nicht mit uns diskutieren.
Das ist die Grundlage des Zusammenlebens in diesem Land. Ich habe das Gefühl, je deutlicher man das in der Integrationsdebatte sagt, desto häufiger wird von denen, die in unser Land gekommen sind, gefragt: Warum vermittelt ihr eigentlich nicht in den Schulen und sonst wo die Werte, die mit dem Grundgesetz verbunden sind?