Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

Der Lobby-Regierung geht es darum, die Wirtschafts interessen einer kleinen, aber mächtigen Minderheit zu bedienen. Das macht sie mit lukrativen Lügen – so für die Fraport AG im Falle des Nachtflugverbots für den Flughafen Frankfurt –, mit Hinterzimmerverträgen, die die Umweltgesetzgebung unterlaufen, wie für den DAXKonzern Kali + Salz. Das war doch ein Hinterzimmervertrag: bei Nacht und Nebel am letzten Tag der Amtszeit eines Ministers irgendwo in der Pampa unterschrieben. Dazu gehört auch das beschleunigte Genehmigungsverfahren für Europas größtes Kohlekraftwerk Staudinger für E.ON, und weil es ja gerecht zugehen muss, verlängert die Atomkoalition auch die Laufzeit für die Altreaktoren des Scheinkonkurrenten RWE.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren, das hat mit einer zukunftsfähigen Gestaltung nachhaltiger Infrastrukturprojekte für die Menschen im Land nichts zu tun. Das ist eine Gefälligkeitsdemokratie, die die Landesregierung hier betreibt.

(Beifall bei der LINKEN)

Das geht auf Kosten der Lebensqualität, auf Kosten unserer Umwelt, unter verschwenderischem Umgang mit den natürlichen Ressourcen.

Die zweitägige Anhörung im September zur Fluglärmbelastung der Rhein-Main-Region hat den kausalen Zusammenhang zwischen Fluglärm und Gesundheitsschäden unmissverständlich unterstrichen.

(Norbert Kartmann (CDU): Prinzipiell!)

Die Landesregierung ist nun zum Handeln gezwungen. Statt aber dem praktikablen Vorschlag der Initiative Zukunft Rhein-Main für ein Gesundheitsmonitoring zu folgen, versucht die Landesregierung über ihren Zögling, das Umwelt- und Nachbarschaftshaus, eine eigene Lärmstudie an den Bedürfnissen der Menschen in der Region vorbei zu machen.

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

Wir brauchen dringend belastbare Daten über die Anzahl der durch Fluglärm hervorgerufenen Krankheitsfälle so

wie der durch den Flughafenausbau zusätzlich zu erwartenden Krankheitsfälle. Diese Informationen sind für die Bewertung der Folgen eines Flughafenausbaus, die Abschätzung der gesamtgesellschaftlichen Kosten und darüber hinaus für eine zielgerichtete Gesundheitsvorsorge und Planung der Gesundheitsvorsorge unerlässlich.

Die Landesregierung hintertreibt stattdessen die zeitnahe Erarbeitung einer solchen Studie, weil sie fürchtet, dass die Ergebnisse ihre unreflektierte Wachstums- und Fortschrittspolitik aus den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts infrage stellen könnte. Das sehen die 19 ZMRGemeinden wohl ähnlich.

Weil es so eindrücklich ist, wie viele hessische Gemeinden sich gegen die Landesregierung stellen, möchte ich sie hier noch einmal nennen: Das sind die Städte und Gemeinden Bischofsheim, Budenheim, Büttelborn, Flörsheim, Ginsheim-Gustavsburg, Hochheim, Nauheim, Trebur, Stadt Groß-Gerau, Kreis Groß-Gerau, Hattersheim, Hofheim, Mörfelden-Walldorf, Mühlheim am Main, NeuIsenburg, Riedstadt, der Main-Taunus-Kreis und die Stadt Rüsselsheim. Dazu kommt noch die Stadt Mainz. Meine Damen und Herren, die Hessische Landesregierung hat es nur den GRÜNEN und ihrer Umweltdezernentin Manuela Rottmann zu verdanken, dass Frankfurt nicht auch auf dieser Liste steht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Hessen ist bei den erneuerbaren Energien im Ländervergleich noch immer ganz hinten. Bei der preisgünstigen Windenergie ist der Rückstand noch am deutlichsten.

Herr Döweling, Hessen hat ein vergleichbares Windenergiepotenzial wie Sachsen-Anhalt:

(Zuruf des Abg. Kurt Wiegel (CDU))

ähnliche Landesgröße, beides Binnenlagen, und in beiden Ländern regiert die CDU mit. Theoretisch könnte mit Windenergie der komplette Strombedarf Hessens – ca. 42 TWh – gedeckt werden. Der Anteil der Windenergie liegt in Sachsen-Anhalt trotz CDU-Regierung bei 42 %, in Hessen sind es nur 2 % und im Bundesdurchschnitt 7 %.

Wenn der günstige erneuerbare Energieträger derart vernachlässigt wird, ist das nicht nur klimapolitisch unverantwortlich, sondern auch ökonomisch und sozial ein großes Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Es braucht wirklich keine hellseherischen Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass die ohnehin niedrig gesteckten Klimaschutzziele der Landesregierung nicht erreicht werden, wenn die Stromerzeugung aus Windenergie in Hessen weiter massiv behindert wird, die Erzeugung von Biomasse ohne streng kontrollierte Nachhaltigkeitskriterien erfolgt, CDU und FDP gesetzliche Regelungen zur energetischen Gebäudesanierung im Bestand weiter blockieren, die Laufzeit der Altreaktoren in Biblis verlängert und die notwendige Senkung der CO2-Emissionen im Verkehrsbereich noch nicht einmal thematisiert wird.

Elektroautos, die noch immer nicht in Serie gegangen sind, mit denen die Straßen nicht leerer werden und der Flächenverbrauch für Verkehr nicht geringer wird,

(Mario Döweling (FDP): Wo kommt der Strom her? Aus der Steckdose?)

die auf unabsehbare Zeit so teuer bleiben werden, dass sie von einem Großteil der Bevölkerung, der seit über einem Jahrzehnt Reallohneinbußen hinnehmen muss, nicht bezahlt werden können, sind keine Lösung, meine Damen und Herren.

Die Form der Elektromobilität, die seit annähernd 130 Jahren in Serie produziert wird, die massentauglich und umweltfreundlich ist, die helfen könnte, den Flächenverbrauch zu mindern – übrigens ein Nachhaltigkeitsziel in Deutschland, das aber offensichtlich in Hessen nicht gilt –, elektrische Straßen-, S-Bahnen und Züge, die leise, preiswert und attraktiv sein könnten, werden von der Landesregierung sträflich vernachlässigt. Stattdessen sind Elek troautos Ihr großes Modell.

Silke Lautenschläger hat hingeworfen, die Mangelverwaltung hat nun Frau Ministerin Puttrich übernommen. Ihre ersten Wochen im Amt lassen keine Veränderungen in der hessischen Umwelt-, Klimaschutz- und Energiepolitik erkennen. Die hessischen Nachhaltigkeitsbemühungen werden schöngeredet, über unsere Verantwortung für die Folgen des Klimawandels außerhalb von Hessen wird nicht geredet, und das Risiko durch die Laufzeitverlängerungen der alten Atommeiler in Biblis wird weggeredet – vernebelt sozusagen.

Die Kommunalwahl wird zeigen, dass dies aber nicht für die Köpfe der Menschen in diesem Land gilt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Schönen Dank, Frau Kollegin Schott. – Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Puttrich das Wort. Bitte schön, Frau Puttrich.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Erst einmal freue ich mich, dass wir hier offensichtlich alle einer Meinung sind, dass erneuerbare Energien ausgebaut werden sollen,

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

und dass Sie unseren Weg bestätigen, den wir gehen. Ich möchte Ihnen einige Punkte dazu sagen, da Sie offensichtlich noch nicht wahrgenommen haben, was an Aktivitäten läuft.

Sie haben vollkommen recht, Frau Hammann, wenn Sie ansprechen, dass es eine Schuldenbremse gibt. Wir haben natürlich alles unter dem Maßstab des sparsamen Einsatzes von Mitteln zu entscheiden. Natürlich hat eine Opposition es immer leichter, zu sagen: Wir wollen, wir fordern, uns ist nichts gut genug.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber wir haben die Aufgabe, bei ehrgeizigen Einsparmaßnahmen auch zukunftsorientiert zu handeln. Ich kann Ihnen sagen, dass das, was wir hier einbringen, selbstverständlich dafür spricht, dass wir zukunftsorientiert handeln und dass wir gerade erneuerbare Energien in vielen Projekten sehr intensiv fördern.

Lassen Sie mich eines ganz kritisch anmerken. Wenn Sie von Ihrer Seite ansprechen, dass Sie wollen, dass es eine Positivkampagne für Windenergie gibt, dann möchte ich Ihnen eines doch kritisch sagen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Was Sie hier machen, das ist schlicht und einfach doppelzüngig. Hier fordern Sie von Ihrer Seite her den Einsatz von Windenergie. In Wolfhagen sind es Ihre eigenen Parteifreunde, die es verhindern. Ich würde sagen: Arbeiten Sie erst einmal an Ihrer Basis.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich, wie gesagt, auf mehrere Dinge eingehen, die unter Beweis stellen, dass wir die erneuerbaren Energien fördern. Wir fördern sie z. B., indem wir rund 1,1 Millionen € mehr speziell für Biorohstoffe ausgeben werden, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Wir machen das auch in vielen Projekten, in denen wir uns erneuerbaren Energien widmen. Sie wissen, dass wir früher Bioenergiedörfer fördern wollten, dass dieses Konzept aber etwas einseitig gewesen ist, weil die Energieeffizienz nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt war.

Inzwischen haben wir einen Wettbewerb der Bioeffizienzdörfer, bei dem man sagen kann, dass er ausgesprochen erfolgreich ist. Wir geben rund 1,5 Millionen € aus, um innovative Konzepte zu fördern, die beides miteinander verbinden: die Wärmedämmung und den Einsatz erneuerbarer Energien. Das ist sinnvoll, und ich glaube, dass Sie das von Ihrer Seite entsprechend unterstützen können.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Gerade wenn wir über Energieeffizienz und Gebäude reden, dann wissen wir alle miteinander – hier sind wir gar nicht unterschiedlicher Meinung –, dass das ein sehr großes Handlungsfeld ist, in dem man etwas tun kann und tun will.

(Zuruf der Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Frage ist immer nur: Wie macht man es? Macht man es durch Zwang, oder macht man es freiwillig? Wir setzen in der Tat in erster Linie auf Information und Überzeugung statt auf Zwang und Bevormundung. Das ist unsere Linie, und das ist auch die richtige Linie.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir wollen die Menschen davon überzeugen, dass sie diesen Weg mitgehen. Natürlich haben wir als öffentliche Hand eine entsprechende Vorbildfunktion. Wenn ich mir ansehe, welche Maßnahmen durchgeführt wurden bei den Konjunkturprogrammen von Bund und Ländern, dann kann man sagen: Es wurde schon sehr viel bewirkt. Aber selbstverständlich kann man noch mehr tun. Deshalb halte ich es für ausgesprochen positiv, dass die öffentliche Hand erstens eine Vorbildfunktion hat

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

und dass zweitens die flexiblere Nutzung der für das Umweltressort vorgesehenen Mittel des Kommunalen Finanzausgleichs für die Bereiche Biorohstoffe und Energie mit Sicherheit dabei helfen wird.

Selbstverständlich haben wir auch Förderprogramme, die neue Projekte unterstützen. So haben wir z. B. ein Förderprogramm bei dem Einsatz passivhaustauglicher Bautechniken. Ich will das ein bisschen verkürzen aufgrund

der Redezeit, die mir zur Verfügung steht. Wir sind der Meinung, dass wir statt einer Förderung von Einzelkomponenten wie Fenstern, Fassadendämmung oder Lüftungsanlagen wärmetechnische Gesamtkonzepte unterstützen sollten. Das heißt, unser Ziel ist es, den Wärmebedarf auf 2,5 l Heizöl pro Quadratmeter zu reduzieren. Damit bezuschussen wir immerhin – das sollten Sie zur Kenntnis nehmen – gegenüber dem gesetzlichen Standard rund 50 % der Mehrkosten. Das ist ein ganz ordentlicher Betrag.