Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

(Zurufe von der SPD)

Sie erkennen auch die Erfolge an. Lieber Herr SchäferGümbel, wenn nach 78 Tagen der amtierenden Regierung die Bürgerinnen und Bürger Hessens auf die Frage, wen sie lieber als Ministerpräsident hätten, Schäfer-Gümbel oder Volker Bouffier, deutlich für Volker Bouffier votieren, dann ist das prima.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei Abge- ordneten der FDP – Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Seien Sie versichert, dass wir das kontinuierlich ausbauen werden. Ich habe schon so oft von Ihnen gehört: Wir haben zwar keine Mehrheit; aber irgendwie haben wir eine gesellschaftliche Mehrheit. – Meine Damen und Herren, immer wenn es darauf ankam, hatten wir die Mehrheit, und das wird auch beim nächsten Mal so sein.

(Beifall bei der CDU)

Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf den Stil. Herr Schäfer-Gümbel, Sie sind ausgesprochen sensibel, wenn es um Sie selbst geht. Sie schreiben immer sofort Briefe voller Empörung. Aber wenn es um das Austeilen geht, kenne ich kaum jemanden, der so zuschlägt wie Sie. Sie fordern einen anderen Stil ein. Ich habe in meiner Regierungserklärung bewusst gesagt: Ich will eine andere Politik vom Stil, aber nicht vom Inhalt her; wir haben genügend Punkte, über die wir streiten können.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir warten darauf, Herr Bouffier!)

Jetzt sage ich es einmal sehr persönlich: Sie schreiben mir permanent Briefe. Ich gehe damit vertrauensvoll um. Ich nenne ein Kapitel vorneweg: Ich habe Ihnen gesagt, dass

ich mit dabei bin, wenn es um die Frage geht, wie wir die Schule so organisieren können, dass möglichst alle Kinder eine Chance haben. Aber ich habe Ihnen auch geschrieben, dass ich es für richtig halte, wenn zunächst einmal die Fachleute darüber reden, wo man sich finden kann und wo es Unterschiede gibt, die wir nicht wegbügeln wollen. Was habe ich anschließend in der Zeitung lesen können? Dort stand: „Schäfer-Gümbel: Bouffier lehnt Gespräch ab“. Genau das ist der Stil, den ich nicht akzeptiere.

(Beifall bei der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir hatten eine andere Verabredung! Das geht so nicht!)

Ich habe Ihnen rund eine Stunde lang zugehört. Eines will ich sagen: Man kann unterschiedlicher politischer Meinung sein. Aber man sollte einander nicht ein Mindestmaß an persönlichem Respekt verweigern. Ich meine die Art und Weise, wie Sie hier auf Zwischenrufe von Kollegen eingegangen sind. Als Herr Kollege Reif Ihnen etwas zugerufen hat, haben Sie geantwortet, er habe doch keine Ahnung von Wirtschaft. Man mag zu Clemens Reif stehen, wie man will. Aber das hat noch nie jemand geboten. Clemens Reif ist einer der erfolgreichsten Unternehmer des Landes. Das sollten wir wenigstens klarstellen.

(Beifall bei der CDU)

Es reicht nicht, gelegentlich beleidigt zu sein, sondern man muss seinen Stil auch durchhalten. Sie haben ein Zerrbild dieses Landes gezeichnet. Ich behaupte nicht, dass wir schon überall an dem Punkt sind, den wir erreichen wollen. Ich behaupte nicht, dass es keine Probleme gibt. Aber ich behaupte mit gutem Grund: Hessen steht hervorragend da, die Menschen sind optimistisch, und wir haben Grund zur Freude, dass wir besser aus der größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg gekommen sind als alle anderen Länder.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Haushaltsplan, zu dem Sie am Schluss eine halbe Minute lang gesprochen haben, ist ein Dokument der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die Zukunftsfähigkeit drückt sich darin aus, dass wir in Bildung und Sicherheit investieren und zugleich sehr konkrete Sparmaßnahmen getroffen haben. In der Summe sind über 800 Millionen € eingespart worden. Der Herr Finanzminister hat Ihnen das oft genug vorgetragen. Das ist uns nicht leichtgefallen, und trotzdem war es richtig.

Sie wollen den Menschen in unserem Land eine realistische Beschreibung unserer Situation geben. Sie haben gesagt – das ist ein Punkt, um den wir uns durchaus gemeinsam kümmern müssen –, dass die Kluft zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der sogenannten politischen Klasse immer größer wird und dass sich die Schere zwischen den Erwartungen der einen und der Leistungsfähigkeit der anderen immer weiter öffnet. Da ist durchaus etwas dran.

Aber wer so spricht wie Sie, der vertieft diesen Graben. Erstens geben Sie den Menschen eine falsche Zustandsbeschreibung, zweitens versprechen Sie Dinge, die auf dieser Welt niemand einhalten kann, und drittens haben Sie, als Sie die Verantwortung getragen haben, entweder das, was Sie heute verbrennen, für richtig gehalten oder versagt. Auch das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Wollen Sie es bestreiten, wenn ich sage, Hessen steht sehr gut da? Wer Ihnen zugehört hat, hat doch das Gefühl be

kommen, wir befänden uns in einem einzigen Jammertal. Die Bundesrepublik Deutschland – also auch Hessen – hat das größte Wirtschaftswachstum aller Industrieländer der Erde. Niemand hat solch ein Wirtschaftswachstum wie wir aufzuweisen.

Das ist doch kein Grund, hier zu lamentieren. Das ist ein Grund, weshalb wir uns freuen können; denn wirtschaftliches Wachstum ist die Grundlage für Erfolg, für persönliches Glück und auch für einen Zuwachs an persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Das gilt für alle Menschen und nicht, wie Sie immer sagen, nur für die kleine Gruppe derer, denen sich die Landesregierung verpflichtet fühlt. Sie haben formuliert, die kleine Clique mit den Finanzin teressen sei die Gruppe, um die sich diese Landesregierung kümmert. Das ist erstens unfair, zweitens unverschämt und drittens falsch. Wir sind allen Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land verpflichtet.

(Beifall bei der CDU)

Schauen Sie sich doch einmal die Lage in Hessen an. Die Industrie zeigt eine Aufwärtstendenz wie seit vielen Jahren nicht mehr. Das Handwerk brummt. Der Einzelhandel meldet, es gehe ihm hervorragend. Die Arbeitsmarktbilanz sieht so aus, dass die Arbeitslosigkeit bei 5,9 % hessenweit liegt. Das ist ein Wert, den es viele Jahre nicht gegeben hat. Wir sollten jetzt nicht darüber streiten, ob das angenehm ist oder nicht. Das ist toll. Es ist vor allen Dingen deshalb toll, weil es der niedrigste Wert ist, den wir in Hessen seit 18 Jahren haben. Das ist ein Anlass zur Freude.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir uns einmal die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit an. Wir haben dort einen so deutlichen Rückgang wie seit 20 Jahren nicht mehr. Das ist ein Anlass zur Freude. Das ist eine konkrete Lebenschance für junge Menschen. Das bietet keinen Anlass, sich hierhin zu stellen und alles madig zu machen.

Wir sind in einer fabelhaften Lage – das unterstreiche ich, weil es nichts gibt, was mich so freut –: Seit vielen Jahren haben wir in Hessen erstmals deutlich mehr Ausbildungsplätze als Ausbildungsplatzsuchende. Das ist nicht nur eine Trendwende, sondern das ist eine solch großartige Situation, dass ich zum einen denjenigen danken möchte, die all diese Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, im Handwerk, in den freien Berufen – wo auch immer.

Zum anderen möchte ich uns allen zurufen: Wer jungen Menschen Mut machen will, der sollte ihnen nicht wie Sie eine völlig unmögliche Rede vortragen, sondern er sollte ihnen sagen: Passt auf, dieses Land bietet euch Chancen. Es gibt doppelt so viele offene Stellen für Auszubildende wie Unversorgte. – Das ist eine der besten Botschaften, die wir der Bevölkerung im Jahr 2010 übermitteln können.

(Beifall bei der CDU)

Ich nenne Ihnen eine andere Zahl, die die Zukunftsfähigkeit unseres Landes beschreibt: In keinem anderen Flächenland der Bundesrepublik Deutschland ist, bezogen auf die Einwohnerzahl, die Zahl der Gewerbeneuanmeldungen so hoch wie in Hessen. Kein anderes Land hat so viele Gewerbeanmeldungen. Das ist ein Zeichen dafür, dass uns die Menschen die Gestaltung der Zukunft zutrauen. Sonst würden sie sich nicht selbstständig machen. Sie glauben, dass sie in diesem Land für sich und ihre Familien eine Chance haben. All diese Zahlen sind belegt. Sie haben nie darüber gesprochen; deshalb trage ich sie hier vor.

Schauen Sie sich einmal die hessischen Regionen an: Wir haben lange darüber diskutiert, wie es gelingen kann, in Nordhessen dauerhafte, gute Arbeitsplätze zu schaffen. Wie ist es heute? Von Ihnen hört man kein Wort dazu. Die nordhessische Wirtschaft steht unter Volldampf. Wir haben dort eine Arbeitslosenquote von 5,6 %. Das ist der beste Wert, den es dort jemals gegeben hat. Das ist großartig.

(Beifall bei der CDU)

Mittlerweile sieht es in Nordhessen, was diese Frage betrifft, sogar besser aus als in Süd- und Mittelhessen.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Das liegt auch an der Politik dieser Regierung und an der ihrer Vorgängerregierung. Wir haben für Nordhessen konsequent gearbeitet. Wir wissen, dass es auch an der Tüchtigkeit der Unternehmer und der Handwerker liegt. Aber dass wir die Rahmenbedingungen verbessert und nicht nur 40 Jahre lang über Nordhessen diskutiert haben, ist etwas, was wir uns auf die Fahnen schreiben. Der Erfolg gibt uns recht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben ein Konjunkturprogramm für Hessen aufgelegt. Herr Schäfer-Gümbel, kein Wort kam von Ihnen dazu. Das hätten Sie doch bei einer Stunde Redezeit wenigstens einmal erwähnen können.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Weil wir Ihnen zugestimmt haben, Herr Bouffier!)

Wir haben 5.300 kommunale und Landesprojekte.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist doch nicht die jetzige Situation! Es geht darum, welche Aufgaben uns bevorstehen!)

Es gibt über 1.000 Straßenbaumaßnahmen. Über 100 Schwimmbäder werden renoviert. 640 Schulen werden komplett saniert. Es gibt eine Sanierung oder einen Teilneubau bei 30 Krankenhäusern. Es gibt einen Neubau von noch einmal 85 Schulen.

Das sind konkrete Investitionen in die Zukunft. Dadurch haben die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes Arbeit. Darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Sie haben sich sehr stark mit der Bundespolitik beschäftigt.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Mit dem Arbeitsmarkt, das ist ein kleiner Unterschied!)

Sie haben sich auch mit dem Arbeitsmarkt beschäftigt. – Der Arbeitsmarkt ist in Hessen so gut wie seit 20 Jahren nicht mehr.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Lesen Sie die Statistiken?)

Sie haben angemerkt, dass Sie mit allem unzufrieden sind. Wer Ihnen zugeschaut hat, wer Ihre Mimik betrachtet hat und wer Ihre Inhalte zusammengefasst hat, der kommt auf die Idee, dass Sie der Künder einer Armutsrepublik sind. Das, was Sie hier vorgetragen haben, ist doch ein Zerrbild.

Sie haben z. B. gesagt: Wir haben Leiharbeit. – Das ist ein großes Thema.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Um dieses Thema müssen wir uns kümmern. Ich sage Ihnen aber: Etwas anderes ist genauso wichtig. Mir ist es lieber, jemand hat über Leiharbeit eine Arbeit gefunden und hat dadurch ein Einkommen, als wenn er dauerhaft arbeitslos und auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)