Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

speisen die Menschen mit 5 € monatlich mehr ab.

Und dann die Nummer mit den Windeln. Das ist so etwas von daneben – denn Sie hetzen damit Menschen auf und reden an der Wirklichkeit vorbei. Das ist das Alte.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie wissen ganz genau, dass jemand, der jeden Morgen aufsteht und zur Arbeit geht, wenn er zwei Kinder hat, netto mindestens 1.800 € haben muss, wenn er auf das gleiche Einkommen kommen will wie ein Hartz-IV-Bezieher; denn Sie haben nicht dazugezählt, was dort alles noch draufkommt, weder das Bildungsstarterpaket noch die Wohnung, noch die Fürsorge und alles, was wir da haben.

An der Stelle ist es richtig, noch einmal Herrn Schröder zu zitieren. Er hat damals in der Bundestagsfraktion der SPD gesagt: Genossinnen und Genossen, bei dem, was wir denen geben, die sich selbst nicht ausreichend helfen können, dürfen wir nie vergessen: Das muss die Krankenschwester, das muss der Facharbeiter erst einmal verdienen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau! Deswegen habe ich über Arbeit geredet!)

Das müssen wir denen abnehmen. Dann muss gelten: Wer arbeitet, muss am Schluss mehr haben als der, der nicht arbeitet.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – Ta- rek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie machen doch das genaue Gegenteil! – Lebhafte Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Sie stellen sich hierhin und erklären Dinge, die objektiv falsch sind. Sie hoffen auf die Empörung. Sie hoffen vielleicht auch auf die Empörung der Straße. Das weiß ich nicht.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Auf Lohnerhöhungen!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Wer Menschen zusammenführen will, der darf das nicht tun, indem er, wie Sie das getan haben, die Realität komplett ausblendet, was gut läuft.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist unglaublich!)

Er darf nicht vergessen, dass eine Gesellschaft nur dann in der Lage ist, gelebte Solidarität zu verwirklichen, wenn wir die Tüchtigen ermutigen, wenn wir sie anerkennen, wenn wir Rahmenbedingungen schaffen für Spitzenleistungen und Spitzenforschung, die übrigens in Hessen vor Kurzem an drei hessischen Universitäten herausragend ausgezeichnet wurde. Wenn wir von zehn Zukunftszentren der Gesundheitsmedizin und -forschung an der Uni in Marburg, an der Uni in Gießen und an der Uni in Frankfurt dreimal dabei sind, dann ist das ein Ausweis für exzellente Forschungsqualität und einen Standort, der im Vergleich in Deutschland hervorragend ist – auch ein Punkt, über den man sich freuen kann. Solche Dinge lassen Sie in aller Regel aus. Aber ich will sie hier erwähnen, weil sie Zukunft bedeuten und weil sie eine der großen Branchen sind, aus denen wir auch in Zukunft Wohlstand gewinnen können.

Aber ich will zurück zu dem Punkt. Sie beklagen die Entfernung zwischen den Menschen und der Politik. Wer Politik so macht wie Sie, hier mit den Windeln auftritt, in der Sache nichts zu bieten hat, der vertieft diese Gräben, der führt Menschen nicht zusammen, sondern der hat viel

leicht das Interesse daran, einen anderen madig zu machen. Das ist nicht mein Interesse.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Aber ich lade Sie noch einmal ein, und ich frage mich: Wo sind eigentlich Ihre Alternativen? Meine Damen und Herren, ich finde es bemerkenswert – ich habe es mir aufgehoben, weil ich es vorher noch nie gelesen habe –, und das muss man sich einfach auf der Zunge zergehen lassen. Am 10. November meldet dpa:

Der für 16:30 Uhr angekündigte Bericht zum Thema „SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel äußern sich nach einer Sitzung der SPD-Landtagsfraktion zum Thema Hartz IV“ entfällt mangels Nachrichtenwert.

Meine Damen und Herren, schlimmer kann man seine eigene Inkompetenz nicht mehr vortragen.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb will ich ausdrücklich Gelegenheit nehmen: Wir behaupten nicht, dass wir in allem genial wären. Wir haben nie behauptet, dass uns nicht auch Fehler unterlaufen. Aber wir haben einen Kompass, und an diesem Kompass halten wir fest.

(Günter Rudolph (SPD): Machen Sie nur weiter so!)

Dieses Land wird hervorragend regiert und ist in einem hervorragenden Zustand. Das ist unter anderem auch einer hervorragenden Zusammenarbeit von CDU und FDP in diesem Hause geschuldet. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen des Kabinetts, aber ich bedanke mich ausdrücklich auch bei den Fraktionen von CDU und FDP. Nicht überall klappt das so gut wie bei uns. Wir wollen uns nicht erheben über andere. Gelegentlich wären wir dankbar, insbesondere an anderer Stelle, wenn diese Zusammenarbeit auch so gut liefe.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Richtig!)

Aber wenn sie gut läuft, dann sage ich Danke schön dafür. Das ist eine der Grundlagen, dass wir auch in den nächsten Jahren Hessen entscheidend nach vorne bringen. Wenn es dann gilt und die Bürgerinnen und Bürger wieder abzustimmen haben und sich fragen: „Soll dieser Teil des Hauses oder jener Hessen führen?“, bin ich sicher: CDU und FDP werden aufgrund ihrer Arbeit auch beim nächsten Mal das Vertrauen finden. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Bouffier. – Als Nächster spricht Herr Al-Wazir, der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu uns.

Herr – –

(Der Redner muss sich räuspern. – Ministerpräsi- dent Volker Bouffier: Auch erkältet?)

Das hat Tradition. In der Haushaltswoche, bei der Generalaussprache bin ich immer erkältet. So ist das.

(Minister Boris Rhein: Verschnupft ist er!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, wir haben Ihnen zugehört, ich glaube, eine Dreiviertelstunde lang. Gegen Ende sind zwei wesentliche Erkenntnisse übrig geblieben. Sie haben erstens gesagt, Sie sind nicht genial als Koalition. Das stimmt.

Zweitens, und das ist wirklich neu, haben Sie gesagt, Sie machen auch manchmal Fehler. Das ist neu.

(Günter Rudolph (SPD): Das hat er als Innenminister nie gesagt!)

Wir machen auch manchmal Fehler, aber es ist neu, von jemandem, der seit April 1999 dieser Regierung angehört, den Satz zu hören, Sie machen auch manchmal Fehler. – Ich habe die letzten elf Jahre darauf gewartet. Aber angesichts dessen, was im Innenministerium los ist, ist es schwer, zu behaupten, Sie würden niemals Fehler machen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Aber in Ordnung, das will ich ausdrücklich anerkennen.

Herr Ministerpräsident, es ist ein beliebtes Spiel in den letzten Jahren geworden – das hat auch Ihr Vorgänger im letzten Jahr so gehalten –, die Opposition in der Generaldebatte zu beschimpfen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Man wird sich einmal wehren dürfen!)

Aber ich bin auch am Ende Ihrer Rede ein wenig ratlos, weil ich die letzten 78 Tage darauf gewartet habe, ein Gefühl dafür zu bekommen: Was soll die Regierung Bouffier ausmachen? Wo wollen Sie hin? Wo ist Ihre Idee für die verbleibenden drei Jahre? Ich bin am Ende Ihrer Rede genauso ratlos, wie ich ratlos nach Ihrer Regierungserklärung war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Judith Lannert (CDU): Das liegt aber an Ihnen!)

Nein, es liegt nicht an mir. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ich habe das Gefühl, dass wir auch jetzt wieder nichts dazu gehört haben, was Ihre Antwort auf die gesellschaftlichen Probleme ist, wie Sie mit Blick auf die Schuldenbremse die Landesaufgaben erfüllen wollen, wie Sie die Zukunftsaufgaben lösen wollen und den Haushalt ausgleichen wollen. Auf diese Fragen haben wir weiterhin vom Ministerpräsidenten nichts gehört.

Wie gesagt, noch sind die 100 Tage nicht um. Aber ich finde, langsam müsste es an der Zeit sein, eine Antwort auf die Frage zu bekommen: Was will diese Regierung eigentlich?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN völlig klar: Die Aufgabe einer Regierung, die noch die Mehrheit im Parlament hinter sich weiß, ist natürlich – –

(Günter Schork (CDU): Was heißt „noch“?)

Ich wollte die Umfrage gar nicht ansprechen, aber wenn Sie diesen Zwischenruf machen, dann will ich sagen: Wenn heute Wahl wäre, dann wäre die Zusammensetzung des

Landtags nicht mehr so, wie sie jetzt ist. Darauf können wir uns zumindest einigen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Die Aufgabe einer Regierung und auch einer Regierungskoalition ist es, die Probleme zu lösen, und am besten die wirklichen Probleme.

Natürlich ist es so, dass man, abhängig davon, wo man politisch herkommt, unterschiedliche Auffassungen darüber hat, was die wirklichen Probleme sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aufgabe des Parlaments, sowohl der Koalitionsfraktionen als auch der Oppositionsfraktionen, ist es, die Regierung zu kontrollieren und im Zweifel darauf hinzuweisen, was die wirklichen Probleme sind und wo keine Antworten gegeben werden. Ich will Ihnen einmal sagen, wo aus unserer Sicht die Probleme des Landes Hessen am Ende des Jahres 2010 mit Ausblick auf das nächste Jahr sind. Die Frage ist: Werden wir als Land Hessen, diejenigen, die die Verantwortung im Parlament und in der Regierung tragen – diese Frage muss im Parlament gestellt werden –, der Verantwortung z. B. für die nachfolgenden Generationen, für die Umwelt und für die Begrenzung des Klimawandels gerecht? Antwort: leider nein.