Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es steht doch völlig außer Frage, dass in Deutschland jeder bei jedem Thema und zu jeder Zeit das Recht hat, friedlich – das Wort unterstreiche ich – zu demonstrieren.
Ebenso hat ein Parlament das Recht, mehrheitlich etwas zu beschließen, was der Minderheit nicht gefällt. Dann hat die Minderheit wiederum das Recht, dagegen zu demonstrieren – so zahlreich und intensiv, wie sie es will und schafft. Das ist der Kern unserer Demokratie, und das ist nach meiner Ansicht auch richtig und gut so.
Es geht aber nicht – Herr Grumbach, das sage ich insbesondere nach Ihrer Rede –, dass eine Opposition zum zivilen Ungehorsam gegen demokratische Entscheidungen aufruft. Das geht nicht.
Frau Wissler, es geht auch nicht, dass Abgeordnete, die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt worden sind, um Gesetze zu beschließen, eben diese Gesetze brechen – wie Sie, die Sie ebenfalls auf den Schienen gestanden haben. Auch das geht nicht.
Es geht auch nicht – das regt mich wirklich auf –, dass von Mitgliedern des Deutschen Bundestages, aber auch von Mitgliedern anderer Parlamente stillschweigend und geradezu billigend in Kauf genommen worden ist und, wenn ich so manche Reden in diesem Haus höre, immer noch in Kauf genommen wird, dass Steine geworfen, Schienen geschottert und Brandsätze auf Fahrzeuge geworfen werden, in denen Menschen sitzen, wodurch das Leben anderer, insbesondere von Polizisten, gefährdet wird.
Auch das sage ich Ihnen sehr deutlich: Wer das akzeptiert, wer das zulässt und wer sich an Demonstrationen beteiligt, die in der Art und Weise, wie ich es geschildert habe, aus dem Ruder laufen, trägt dazu bei, dass nicht mehr das gilt, was die Parlamente beschließen, sondern dass nur noch das Recht der Straße und das Recht der Faust zählen.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist doch Schattenboxen, was Sie da machen!)
Die Bundesrepublik Deutschland ist völkerrechtlich zur Rücknahme der Glaskokillen aus der Wiederaufbereitung im Ausland verpflichtet. Deshalb sind Castortransporte nach Gorleben auch weiterhin notwendig.
Das ist nichts, was in der Landesgeschäftsstelle von Herrn Beuth oder im Ministerium von Frau Puttrich formuliert worden ist, sondern dieser Satz stammt aus einem Brief, den der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder an den ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Sigmar Gabriel, geschrieben hat.
Ich finde, deutlicher kann man es wirklich nicht formulieren. Die Genehmigung zur Durchführung der Transporte, die im Übrigen auch auf der Politik Helmut Schmidts aus dem Jahr 1979 fußen, ist in einem rechtsstaatlich nicht zu beanstandenden Verfahren zustande gekommen. Die Transporte sind – da kann man zur Kernkraft stehen, wie man will – rechtsstaatlich legitimiert. Sie sind demokratisch legitimiert.
Es ist unser aller Müll, der dort wegtransportiert wird. Es ist der Müll, der entsteht, weil wir es gerne hell haben. Es ist der Müll, der entsteht, weil wir es gerne warm haben. Der Müll ist natürlich auch noch da, weil Rot und Grün nicht in der Lage waren, während ihrer Regierungszeit – –
Liebe Frau Kollegin, Rot-Grün war nicht in der Lage, zu entscheiden, wie weitergemacht werden soll. Sie waren hinsichtlich der Frage der Endlagerung nicht in der Lage, eine klare Entscheidung zu treffen.
Sie wollten planlos in das Zeitalter der erneuerbaren Energien wechseln. Sie wussten nicht, auf welchem Wege und unter welchen Voraussetzungen dies geschehen sollte. Deswegen stehen wir heute hier und debattieren diesen Vorgang. Das ist das Ärgerliche daran.
Genauso erklärt sich im Übrigen auch, warum der damalige Befürworter der Castortransporte, Jürgen Trittin, im Jahr 2001 noch inständig – so muss man es wirklich sagen – darum gebeten hat, dass die Atommülltransporte passieren können. Er hat auf Kreisversammlungen der GRÜNEN inständig darum gebeten. Im Jahr 2001 hieß es aus dem Munde Jürgen Trittins noch:
Die Bundesregierung genehmigt Atomtransporte nicht aus Daffke... Die Bundesregierung genehmigt Transporte, wenn sie notwendig sind. Sie genehmigt sie, weil sie dazu international verpflichtet ist.
Die... Abfälle können nur im Zwischenlager Gorleben aufgenommen werden. Mir gefällt das nicht. Aber ich kann das nicht ändern.
Das war ein Zitat Jürgen Trittins aus dem Jahr 2001. Es ist umso schlimmer, dass das alles heute in der Opposition nicht mehr gilt.
Ich sage sehr deutlich: Das geht so nicht. Wer in der Regierung zu Besonnenheit mahnt und in der Opposition Krawall und Randale unterstützt, der hat es verdient, in der Opposition zu sein. Wer in der Opposition anders handelt, als er während seiner Regierungszeit geredet hat, der heuchelt. Das ist leider der Kern der Sache.
Wenn man sich das alles so anschaut und Revue passieren lässt – das mit Stuttgart 21, die Krawalle, über die wir heute reden, usw. –, dann muss man schon sagen: Sie machen es sich in der Opposition richtig schön bequem. Denn Sie haben keine Lust auf das harte Geschäft der Regierung.
Sie haben kein Verantwortungsbewusstsein. Sie wollen keine Entscheidungen treffen, die unpopulär sind. Sie wollen keine Entscheidungen treffen, die man eben treffen muss, wenn man in der Regierung ist. Auch das ist die Realität.
Ich will das gar nicht verschweigen. Wir Christdemokraten und die Liberalen haben Verständnis für Ihre Lage. Natürlich ist es doch so: Nach sieben sehr schwierigen Jahren an der Seite Gerhard Schröders und der Sozialdemokratischen Partei, nach einem Krieg, den Sie nicht haben wollten und in den Sie nicht ziehen wollten, und nach einer Reform der Sozialhilfe, die Sie alle überfordert hat, sind Sie endlich wieder auf der Spielwiese der Opposition angekommen. Dort wird alles nicht so ernst genommen. Dort kann man einfach einmal reden, weil es nicht so ernst genommen wird. Da kann man auch einmal etwas sagen, weil es nicht so darauf ankommt, wenn man etwas dahersagt.
Genau so ist es in Ihrem Fall. Genau so erklären sich die Reaktionen der Partei der GRÜNEN auf das, was wir derzeit erleben.
Es hat 131 verletzte Polizeibeamtinnen und -beamte gegeben. Die Polizistinnen und Polizisten wurden mittels Pyrotechnik und anderer gefährlicher Gegenstände angegriffen. Teilweise waren sie 20, 19, 18 oder 21 Jahre alt. Das waren junge Frauen und Männer, die sich dort hinstellen mussten, um Sicherheit zu schaffen. Mit Beamten besetzte Einsatzfahrzeuge wurden in Brand gesetzt. Straßen wurden unterhöhlt und Bahngleise geschottert. Das ist alles andere als eine Sternstunde der Demokratie, wie es Frau Künast in unverschämtester Art und Weise formuliert hat.
Das, was die Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Berlin gesagt hat, ist die Erosion des Rechtsverständnisses und des Rechtsstaatsverständnisses der Parteimitglieder und der Politiker. Deswegen verurteilen wir das.
Die Blockade des Nahrungsmittelnachschubs, die Blockade des Personalaustauschs der Beamtinnen und Beamten durch Trecker und die Einkesselung der Sicherheitskräfte – die jungen Männer und Frauen mussten dadurch gezwungenermaßen stundenlange Einsätze machen – sind alles andere als eine Sternstunde der Demokratie. Das sind menschenverachtende Aktionen gewesen. Auch das gehört zur Realität.
Genauso wenig waren die Aufrufe der Linkspartei eine Sternstunde der Demokratie. In den Aufrufen wurde zum Schottern aufgefordert. Da hieß es:
Wer so etwas unterstützt, wer so etwas macht, wie es etliche Abgeordnete der Linkspartei gemacht haben, der wird selbst zum Gewalttäter. Er macht sich mit den Gewalttätern gemein. Das ist es, was stattfindet.
Diesen Vorgang muss man wirklich als sehr problematisch würdigen. Dieser Vorgang offenbart einmal mehr das gespaltene Verhältnis der Linkspartei zum Rechtsstaat.
Sie stellen sich damit in die schlechte Tradition Ihrer Vorgängerpartei, der SED, die ein ähnlich krankes Verhältnis zum Rechtsstaat hatte.