Protokoll der Sitzung vom 18.11.2010

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mein Dank gilt all denjenigen Polizistinnen und Polizisten der Bundespolizei und der Landespolizeien, die dabei gewesen sind und in einem ungemein kräftezehrenden Einsatz den gesetzlichen Auftrag besonnen und konsequent umgesetzt haben, auch wenn sie dabei von vielen Ihrer Freundinnen und Freunde beschimpft, bespuckt und bedroht worden sind. Das wurden sie von den Parteigängern und Sympathisanten derjenigen, die wie Gregor Gysi im Dienstwagen und unter Personenschutz zum Einsatzort gefahren wurden. Das hat stattgefunden.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist unglaublich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Anträge, die Sie gestellt haben, können nicht unterstützt werden. Ich begrüße den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP. Das ist genau der richtige Entschließungsantrag genau zur richtigen Zeit. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU – Anhal- tender Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Staatsminister Rhein. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Tagesordnungspunkt 75, Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucks. 18/3168. Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen von CDU und FDP gegen das übrige Haus beschlossen.

Ich rufe den Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucks. 18/3190, auf. Wer stimmt dem zu? – SPD, GRÜNE. Dagegen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – DIE LINKE. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, Drucks. 18/3191. Wer stimmt dem zu? – SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dagegen? – CDU und FDP. Enthaltungen? – DIE LINKE. Damit ist er abgelehnt.

Dann rufe ich den nächsten Punkt der Tagesordnung auf, Tagesordnungspunkt 64:

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend das System „Bouffier“ zerbricht – Drucks. 18/3131 –

mit Tagesordnungspunkt 83:

Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Skandale in der hessischen Polizei endlich unabhängig aufklären – Drucks. 18/3189 –

Redezeit: zehn Minuten. Das Wort hat die Abg. Faeser, SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den letzten Wochen beherrschen die Meldungen über die Missstände bei der Polizei die täglichen Berichterstattungen der Medien. Doch wie haben die politisch Verantwortlichen, d. h. der ehemalige Innenminister Volker Bouffier und der heutige Innenminister Boris Rhein, darauf reagiert, dass die Polizei fast täglich in der Presse ist? – Der Ministerpräsident Volker Bouffier duckt sich weg. Aber das werden wir ihm nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sein Nachfolger hat die Gunst der Stunde genutzt und den ohnehin nicht geliebten Landespolizeipräsidenten Norbert Nedela entlassen. Ein Bauernopfer – das ist notwendig und überfällig gewesen, wie die letzten Nachrichten zeigen –, das aber keineswegs, darauf lege ich Wert, die politisch Verantwortlichen reinwäscht.

(Beifall bei der SPD)

Damit wir uns in der Debatte gleich richtig verstehen: Uns ist nicht daran gelegen, hier irgendwelche Polizeibeamte zu diskreditieren – im Gegenteil. Uns geht es darum, den Schaden von der hessischen Polizei abzuwenden, indem unhaltbare Zustände, die aus massiven Führungsfehlern entstanden sind, endlich abgestellt werden.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das hat etwas mit Personen zu tun. Angesichts der heute Morgen stattgefundenen Debatte darf ich die „Fuldaer Zeitung“ vom 12.11. dieses Jahres zitieren: „Der Fisch stinkt vom Kopf her“. – Und der war als Innenminister lange Jahre Volker Bouffier

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

mit Personen, die gezielt von Ihnen, Herr Bouffier – vielleicht sollten Sie zuhören –, gemeinsam mit dem nun in Ungnade gefallenen ehemaligen Landespolizeipräsidenten Nedela ausgesucht worden sind. Deshalb müssen wir heute feststellen, dass es der heutige Ministerpräsident Bouffier gewesen ist, der ein System des Mobbings, der autoritären Führungsunkultur und des gegenseitigen Miss trauens innerhalb der Polizei nicht nur geprägt, sondern geschaffen hat.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist keine Erfindung von uns oder der bösen Opposition. Allein die Schlagzeilen der letzten Wochen sprechen für sich: „Neue Ungereimtheiten in der Polizeiaffäre“, „Kein Edeka für Bouffier“, „Schnüffeleien hinter Polizeigardinen“, „Kriminalhauptkommissar fühlt sich von Polizeiführung gemobbt“, „Polizisten fühlen sich alleingelassen“.

Das sind nur die Schlagzeilen. Ich zitiere – ich würde sagen, das ist kein sozialdemokratisches Kampfblatt – erneut die „Fuldaer Zeitung“ vom 12.11.2010. Da ist die Sprache von: „Die Führung der hessischen Polizei präsentiert sich irgendwo zwischen Mafia und kleinkariertem Intrigantenstadel.“

(Beifall bei der SPD – Günter Rudolph (SPD): Ui!)

Meine Damen und Herren, das sollte Ihnen zu denken geben. Ich nenne Ihnen nur einige wenige Beispiele, die zeigen, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist.

Da gibt es den Fall H. aus dem PP Frankfurt. Nach einer Festnahme hatte der Polizeibeamte eine Anzeige wegen Körperverletzung erhalten. Es wurden sofort ein Disziplinarverfahren und ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Vier Jahre dauerte es, bis es die Justiz aufgeklärt hatte und herauskam, dass der Beamte unschuldig war. Das besonders Tragische an diesem Fall ist, dass Herr H. Selbstmord begangen hat.

Bei einem weiteren Beamten wurden illegale Nebenakten geführt. Auch dieser wurde sofort vom Dienst suspendiert – übrigens auch vom PP Frankfurt.

Gegen einen anderen Beamten wird ebenfalls ein Disziplinarverfahren wegen angeblich falscher Ermittlungstätigkeiten eingeleitet. Diese waren aber ausdrücklich so angeordnet. Dem Dienststellenleiter hat das nicht gepasst, und deswegen hat er die Kollegen aufgefordert, doch einmal etwas Negatives über den anderen Kollegen zu schreiben. Er hat auch sofort ein Disziplinarverfahren eingeleitet, und dieses läuft noch.

Eine weitere Beamtin erlitt einen Dienstunfall, schied eine Weile aus dem Amt aus, kam zurück und wurde nicht mehr gewünscht. Diese Beamtin war noch keine Lebenszeitbeamtin. Es wurde ein psychiatrisches Gutachten über sie eingeholt, was denn mit ihr sei. Sie sei doch dienstuntauglich.

(Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vor- sitz.)

Das erste Gutachten hat aber ausgesagt, sie sei sehr wohl diensttauglich. Daraufhin hat man ein zweites und ein drittes Gutachten so lange bestellt, bis sie dienstuntauglich gestellt wurde. Diese Frau musste vor dem Verwaltungsgericht ihr Recht einklagen. Auch sie hat gewonnen und ist zurück im Amt.

(Günter Rudolph (SPD): Alles nur Einzelfälle?)

Meine Damen und Herren, das sind wirklich Beispiele. Diese Fälle häufen sich im PP Frankfurt. Wir meinen, dass hier der Fokus – da ist noch nichts passiert – auf Aufklärung liegen muss. Wir erwarten, dass diese Landesregierung und der Ministerpräsident an seiner Stelle Aufklärung betreiben und sagen, was denn in all diesen Fällen los war.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Warum war das in diesem Land denn möglich? Es ist skandalös, wie mit einzelnen Beamten umgegangen wird. Die Unschuldsvermutung gilt hier gar nichts. Das Schlimmste, was man daran merkt, ist, Kritik ist sicher unerwünscht. Genau hier setzt das System des ehemaligen Innenministers Bouffier an.

In den letzten elf Jahren hat der frühere Innenminister Bouffier über die Führung immer wieder Druck in die Polizei aufgebaut. Ich nenne nur die Beispiele der demons

trierenden Polizeigewerkschaften, die als Krawallmacher bezeichnet wurden.

(Günter Rudolph (SPD): So weit zum Demokratieverständnis!)

So viel zum Demokratieverständnis dieses Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der SPD)

Personalvertreter wurden wegen Äußerungen gegenüber der Presse intern zur Rechenschaft gezogen. Im Landtagswahlkampf mussten alle Polizeipräsidenten dieses Landes sagen, dass die Landesregierung recht hat und kein Mangel bei der Polizei besteht. Meine Damen und Herren, so geht man mit den eigenen Leuten nicht um.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es wurde ein Raster zur Einteilung der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten geschaffen, das unlängst in der Zeitung beschrieben wurde. Ich darf es einmal in groben Strichen zitieren:

Kategorie A. Das sind die Beamten, die sich immer systemkonform verhielten. Sie wurden immer befördert.

Kategorie B. Dies waren die Beamten, die sich unauffällig verhielten. Die wurden nicht befördert.

Kategorie C. Noch schlimmer – Edeka. Das bedeutet im Polizeijargon Ende der Karriere. Die versuchte man, auf die von mir vorhin beschriebene Weise loszuwerden.

Obwohl Vorwürfe fingiert wurden, wurde allzu schnell suspendiert. Doch wie heißt es so schön: Der Fisch stinkt vom Kopf her.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)