Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

Zweiter Punkt. Sie nehmen das auf, was der Kollege Caspar schon gesagt hatte. Auf einmal besteht die Lösung der ökologischen Probleme dieses Landes darin, möglichst viele Straßen zu bauen, damit möglichst viele Lkw möglichst störungsfrei und möglichst steigungsfrei rasch durchdonnern können.

Herr Kollege Döweling, meine Herren von der FDP, Sie sind völlig auf dem Holzweg. Wenn man ökologisch Güter transportieren will, gehören die auf die Bahn.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Wolfgang Greilich (FDP))

Dritte Bemerkung. Wenn Sie sagen, jeder Stau führt zu einem höheren Druck der Lkw in das Schwalmtal hinein, dann haben Sie recht.

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Aber je weiter Sie die Strecke bauen, desto größer wird der Druck, weil die Umfahrung umso attraktiver wird. Deswegen ist es falsch, dort stückweise vorzugehen. Das habe ich Ihnen nachgewiesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Danke, Herr Kaufmann. – Als Nächste spricht Frau Wissler für die Fraktion DIE LINKE zu uns.

(Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal bin ich einigermaßen irritiert darüber, dass uns die Regierungsfraktionen vorschlagen, die Landesregierung dafür zu loben, dass sie mit dem Bau eines Autobahnabschnitts beginnt, ohne dass das dafür nötige Planfeststellungsverfahren beendet ist. Wir haben schon in anderem Zusammenhang vernommen, dass sich die Regierung an geltendes Recht nicht gebunden fühlt, wenn sie eine andere Rechtsauffassung vertritt.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Rentsch, ich denke, das geht aber so einfach nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Herr Lenders, Sie haben am frühen Morgen eine sehr leidenschaftliche Rede für die A 49 gehalten. Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Es passt Ihnen zwar nicht. Aber es gibt das Naturschutzrecht. Trotz aller Sonntagsreden von CDU und FDP hört Ihre Sympathie für den Natur- und Artenschutz immer dann auf, wenn konkrete Projekte betroffen sind. Im Fall des Weiterbaus der A 49

(Holger Bellino (CDU): Es geht um Lebensqualität von Menschen!)

geht es nicht nur um die viel zitierten Kammmolche, auch wenn der zuständige Minister diese immer bemüht und versucht, die ökologischen Einwände gegen den geplanten Trassenverlauf auf die kleine Population der Kammmolche zu reduzieren.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Ein bekannter Bauunternehmer namens Roland Koch sprach einst von der Investitionsbremse Kammmolch und kritisierte auch den Schutz des Kammmolchs in den FFHGebieten.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ja!)

Aber es geht natürlich nicht nur um den Erhalt einer Art, sondern wir reden hier über den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für uns alle. Darüber diskutieren wir. Es ist eine Verengung, das auf den Kammmolch zu reduzieren.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber damit stricken Sie Ihre Molchstoßlegende, um davon abzulenken, dass die eklatanten Planungsfehler der Behörden und die Nichtbeachtung von Gesetzen die Ursache dafür sind, dass sich der Weiterbau verzögert, und nicht die sogenannte Blockadementalität der Naturschützer oder die fehlende Flexibilität der starrsinnigen

Kammmolche. Denen wollen Sie die Verantwortung für das langwierige Verfahren und die hohen Kosten in die Schuhe schieben. Deshalb wollen Sie das heute im Landtag wieder so diskutieren.

Meine Damen und Herren, EU-Regelungen wie die Natura 2000 dienen dazu, seltene Tier- und Pflanzenarten zu schützen. Wertvolle Naturräume, die es in Deutschland wegen der ständigen Planung und Genehmigung von immer mehr Straßen und Straßen und Straßen und sonstigen Bauvorhaben immer weniger gibt, sind zu erhalten.

(Mario Döweling (FDP): Wer schützt die Menschen?)

„Wer schützt die Menschen?“ Herr Döweling, das ist eine schöne Frage. Wer schützt die Menschen vor dem Lärm, den der Schwerlastverkehr macht?

(Beifall bei der LINKEN – Mario Döweling (FDP): Nein! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Vor der Linkspartei!)

Wer schützt die Menschen vor dem Lärm am Frankfurter Flughafen? Wer schützt die Menschen davor, dass immer mehr Schadstoffe ausgestoßen werden, weil Sie meinen, in der Erhöhung des Verkehrsaufkommens würde der Reichtum unseres Landes begründet liegen?

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Das ist genau die entscheidende Frage: Wer schützt die Menschen? – Um diese Frage geht es hier. Deswegen reden wir hier nicht einfach nur über den Natur- und Artenschutz, sondern es ist der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und damit auch der Grundlagen für die Menschen in der Region. Aber die Landesregierung versucht, diese Regelungen ins Lächerliche zu ziehen und zu umgehen, weil sie den Partikularinteressen einzelner Lobbygruppen zuwiderlaufen. Diese Klientelpolitik läuft dem Erhalt der Natur und der natürlichen Lebensgrundlagen zuwider.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach der Streichung der Verbandsklage im Hessischen Naturschutzgesetz wollen Sie jetzt mit Schlagworten wie „übertriebener Artenschutz“, „zu lange Planungszeiten“, „Bürokratieabbau“ und „zu lange Rechtswege“ auf eine drastische Beschränkung der Beteiligungsrechte hinarbeiten. Meine Damen und Herren, das ist nicht hinzunehmen; denn worüber wir hier reden und was die örtliche Bevölkerung kritisiert, ist die Zerstörung eines seltenen Biotops, das auch als Naherholungsgebiet für die Anwohner dient.

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))

Herr Döweling, jetzt quaken Sie nicht dauernd dazwischen. Hören Sie einmal zu.

Solche Biotope sind nach langer Auseinandersetzung mit den Auto- und Betonlobbyisten unter den Schutz des Bundes- und Europarechts gestellt worden. Sie sind zu Recht unter diesen Schutz gestellt worden. Das darf nicht immer weiter ausgehöhlt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit dem Weiterbau der A 49 von Neuental bis Schwalmstadt würde eine hoch belastete Transitroute entstehen. Der Kollege Kaufmann hat das bereits angesprochen. Das würde erhebliche Nachteile für die ganze Region bedeuten. Der Schwerlastverkehr würde durch die Schwalm rollen.

(Zuruf des Ministers Michael Boddenberg)

Für einzelne Städte wie Treysa, aber auch für den gesamten Raum Schwalmstadt würde der Bau der Autobahn deutliche Verschlechterungen der Lebensqualität bringen. Das Verkehrsaufkommen würde zunehmen. Mehr Lärm, mehr Schadstoffe und verstopfte Straßen wären die Folge davon. Der Verweis auf mehr Arbeitsplätze, der an dieser Stelle immer kommt, und die wirtschaftliche Entwicklung, die durch den Bau der A 49 begünstigt würde, sind bestenfalls Spekulationen. Es ist aber vor allem eine Beruhigungspille für die Bevölkerung, um deren Zustimmung zu erkaufen.

(Beifall bei der LINKEN)

Durch die betroffene Region verlaufen bereits zwei Autobahnen, mehrere Bundesstraßen und eine viel befahrene Bahntrasse. Von einer verkehrlichen Erschließung des Gebiets kann also überhaupt keine Rede sein. Dafür aber ist die Rede von erheblichen Kosten. Ich finde, darüber müssen wir auch einmal reden. 183 Millionen € sind veranschlagt worden. Wir wissen alle, dass erste Kostenvoranschläge in aller Regel zwei Drittel oder weniger der tatsächlichen Kosten abbilden, die im Laufe der Bauzeit entstehen. Überträgt man die Baukosten von 183 Millionen € für dieses knapp 12 km lange Teilstück auf die gesamten 41 km Länge, dann ergeben sich Kosten von weit über 500 Millionen €. Damit sind die noch im Bundesverkehrswegeplan 2003 kalkulierten Kosten um 60 % angestiegen.

Meine Damen und Herren, allein diese Kostenexplosion bestätigt die volkswirtschaftliche Unsinnigkeit der Planung. Die Einstufung der A 49 in den sogenannten vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans beruhte nämlich auf einem viel günstigeren Kosten-NutzenVerhältnis. Gleichzeitig kürzen Bund und Länder ihre Zuschüsse an den Schienenverkehr, frieren die Förderung für den öffentlichen Nahverkehr faktisch ein, während für ein solches Projekt derartig viel Geld bereitgestellt wird.

Der geplante neue Abschnitt soll die Fahrtstrecke von Nordhessen in das Rhein-Main-Gebiet um 12 km verkürzen. Meine Damen und Herren, das steht doch zu den Kosten – da rede ich sowohl über die finanziellen als auch über die ökologischen Kosten und über die Mehrbelastung der 5.000 Anwohner der neuen Trasse – in keinem Verhältnis. Diese Kosten sind doch wirklich unangemessen hoch.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Mitglieder der örtlichen Bürgerinitiative „Schwalm ohne Autobahn“, deren Brief Ihnen allen zugegangen ist, sind zum Teil seit vielen Jahren mit der Materie und den unterschiedlichen Planungen vertraut. Die Menschen in der Region fürchten um den Verlust ihrer Lebensqualität.

Meine Damen und Herren, wir sollten hier nicht so tun, als gäbe es keine Alternativen. Es gibt Alternativen. Wenn wir die diskutieren, muss natürlich die Bewahrung der Lebens- und Wohnqualität der Menschen in der Region – Herr Döweling, die Menschen liegen Ihnen so am Herzen – Maßstab für alle Entscheidungen sein. Natürlich braucht es auch bei der verkehrlichen Infrastruktur einige Verbesserungen. Es gibt Konzeptionen von Umweltverbänden, Bürgerinitiativen, dass statt der A 49, die hauptsächlich die Nachteile des überregionalen Durchgangsverkehrs in die Region trägt, ein gleichrangiges Netz von Landes- und Bundesstraßen ausgebaut werden könnte.

(Mario Döweling (FDP): Was kostet das denn?)

Wir müssen über die Frage der Umgehungsstraßen reden, die vielerorts gefordert werden. Herr Döweling, wir können auch einmal über Lkw-Fahrverbote reden. Das kostet dann den Steuerzahler nichts. Darüber können wir auch einmal reden.

(Zuruf des Abg. Mario Döweling (FDP))